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Urbane Mobilität im Wandel

Verkehrsprobleme und der steigende Bedarf nach Mobilität bringen die einen Städte zur Verzweiflung und die Anderen zum Umdenken

Car-Sharing, Mobilitätskarten, Fahrgemeinschaften, Gratis-Fahrräder, Elektroautos. Die Bandbreite an modernen Öko-Lösungen ist gewaltig. Diese gestern noch belächelten Lösungen erobern derzeit Europa - Auf dem Weg zur sozial- und umweltverträglichen städt

Enge Gehwege, die (aus Mangel an Alternativen) immer wieder von RadlerInnen durchkreuzt werden, Grünphasen für Fußgänger, die man nur als Jogger legal (und unversehrt) kreuzen kann, Staus, Parkplatznot und schlechte Luft. Nüchtern betrachtet macht’s keinen sonderlichen Spaß einen Fuß vor die Türe zu setzen. Oder wie es der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher bezeichnet: ‘Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.’

Trotzdem, oder gerade deswegen sind Lösungen für diese Probleme langsam aber sicher im Vormarsch. Immer mehr ÖsterreicherInnen steigen vom Auto auf die Öffis und das Fahrrad um. Allerdings: Nicht weil das Angebot besser wird, oder das Umweltbewusstsein steigt, sondern da der Ölpreis astronomische Höhen erreicht. Denn das Umweltbewusstsein war in den ‘westlichen’ Städten zwar immer schon hoch, aber der Sieger wird immer die Bequemlichkeit bleiben. Wenn der Fußmarsch zu den Öffis länger als zum Auto ist, wird sich am jetzigen Stadtbild sobald nichts ändern. Immerhin ein Lichtblick: In Wien wurde die Trendumkehr geschafft. Der Autobesitz nimmt erstmalig ab . Und seit Jahren fahren schon mehr Menschen mit den Öffis als mit dem Auto. Nicht schlecht, aber um auch ohne Komfortverlust auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen, ist es noch ein weiter Schritt.

Citybikes: Gratis Rad-Verleih rund um die Uhr

Ein Schritt in diese Richtung sind die Wiener Citybikes. Seit 5 Jahren gibt es dieses ‘Selbstbedienungs-Fahrrad-Entlehn-System’. Die praktischen Räder können rund um die Uhr in Wien zum Nulltarif ausgeborgt werden. Das Prinzip ist einfach. Einmal registriert, können die Räder eine Stunde lang kostenlos benützt werden. Das erfolgreiche System hat nur einen Nachteil: Der Ausbau geht im Schneckentempo voran. Und solange der Radwegekoordinator Franz Blaha einen Abstand zwischen den Citybike-Stationen von 800 bis 1000 Metern als sinnvoll erachtet (wer geht soweit?), werden die WienerInnen noch länger auf Ihre Citybikes in der Umgebung warten müssen. Immerhin (unabsichtlich?) selbstkritisch gibt sich die Pressesprecherin Mag. Eripek vom Büro Rudi Schicker (SPÖ), der für die Wiener Verkehrsplanung zuständig ist. Sie meint, dass die Citybikes in Wien nicht so stark wie in anderen Städten ausgebaut werden können, da in Wien ‘nicht soviel Platz ist’ und die ‘Radwege nicht gut ausgebaut sind’. Schade, dass sich daran leider nichts ändert, Ihr Büro ist ja für diese Situation verantwortlich. So kann man als Auto-Abschwörer nur auf private Initiativen hoffen. Eine interessante Variante in dieser Richtung, um beispielsweise den Taxi-Transport umweltfreundlicher zu gestalten zeigt die oekostrom AG vor. Sie sponsert Wiens erstes 'FAXI': Ein wettertauglich-überdachtes Fahrrad-Taxi, das mit einem Ökostrom-gespeisten Elektromotor ausgestattet ist. Durch geeignete Lenkungsmaßnahmen (zB. Vergabe der Taxi-Lizenzen künftig nur an Elektroautos) kann auch der Taxiverkehr großflächig grüner werden.

Änderung im Wohnverhalten: Die Bike-City

Die Gestaltung des Wohnumfelds ist maßgeblich dafür entscheidend, welches Fortbewegungsmittel letztlich primär genützt wird. Gibt es, wie in den meisten Wohnbauten, nur einen engen Radraum, wird das Rad die meiste Zeit des Jahres eingequetscht neben Kinderwägen & Co. verschimmeln. Ein einfaches Experiment, das jeder selbst ausprobieren kann, ist das Rad ein paar Wochen in die eigene Wohnung mitzunehmen. Es wird dann viel öfters verwendet werden. Noch schöner wäre es, von Baubeginn an, ausreichend Platz beim Wohnbau zu schaffen. Die allgemeine Autostellplatzerrichtungspflicht (die übrigens auf Adolf Hitler zurückgeht...) sollte durch eine Fahrradabstellplatzpflicht ersetzt werden. So wie im Projekt Bike City. Dort müssen die Hälfte der Autostellplätze durch einen Gemeinderatsbeschluss nicht gebaut werden. Das dadurch eingesparte Geld konnte für Radinfrastruktur, Saunas und ähnliche Wellnes-Einrichtungen verwendet werden. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen: Für knapp 100 Wohnungen gab es 2000 Voranmeldungen.

Wien umgestalten – Wien Virtuell

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Frei nach diesem Motto haben sich drei engagierte Wiener zusammengeschlossen und eine im Internet abrufbare Wien-Karte erstellt, die viele menschenfreundlich umgestaltete Gassen zeigt. Mittels Fotomontagen wurden Verkehrswege beruhigt und nach den Vorstellungen der AnrainerInnen umgestaltet. Jede(r) ist eingeladen, selbst Fotomontagen der eigenen Wohnstrasse anzufertigen. Mit einem derart umgestalteten Bild ist es wesentlich leichter die angrenzenden BewohnerInnen und LokalpolitikerInnen für verkehrsberuhigte Flächen zu begeistern – und diese letztlich umzusetzen.

Mobilität aus einer Hand

Szenenwechsel zum nördlichen Nachbarn: Verkehrsberuhigte Flächen sind in Hannover keine Seltenheit. Die deutsche Stadt Hannover zeigt aber auch vor, wie effiziente nachhaltige Mobilität funktioniert: Eine einfache Karte mit dem Namen HANNOVERmobil ermöglicht die Nützung der öffentlichen Verkehrsmitteln, vergünstigtes Carsharing und günstigere Taxi-Fahrten. Lösungen setzen sich bekanntlich dann durch, wenn sie einfach und effektiv sind. In Wien könnte diese Mobilitätskarte zusätzlich noch mit dem Verleih der kostenlosen Stadträder (Citybikes) kombiniert werden.

Citymaut

Auch London ist schon viele Jahre Vorzeigebeispiel einer florierenden Stadt, die auf effizientere Mobilitätskonzepte setzt. Die Citymaut, eine Abgabe für Autos, die in die Stadt fahren, wurde eingeführt. Mit diesen Einnahmen wird seither der öffentliche Verkehr massiv erneuert und verbessert. Als weitere ‘Nebenprodukte’ der Citymaut (beispielsweise in Stockholm) haben sich die Verkehrsunfälle und die Abgasbelastungen reduziert und die Stauzeiten haben sich oft halbiert . Leider ist auf die Rückfrage der Sonnenzeitung auch in Wien aus dem Büro Schicker mit einer grundsätzlichen Ablehnung der Citymaut zu rechnen . Ausgenommen oder zumindest reduzierte Tarife für die Londoner Citymaut zahlen kleinere Autos und vor allem Elektroautos, die die Stadt immerhin nicht mit Abgasen belasten.

Elektromobilität boomt

Stichwort Elektroauto: Immer klarer kristallisieren sich die Strategien diverser Energie-Verantwortlichen heraus , die alle auf eine langfristige Elektromobilität kombiniert mit einem massiven Ausbau des Radverkehrs abzielen. Übrigens: Die erste österreichische Elektroauto-Umrüstfabrik ist in Niederösterreich bereits gebaut.

Car-Sharing: Viel Mobilität, wenig Platzverbrauch

Ein Problem der Autos kann auch nicht durch Elektroautos gelöst werden: Der Platzbedarf, der der Allgemeinheit (durch Strassen und Parkplätze) entzogen wird. Eine Umstellung der Stadt auf Elektroautos erwidert daher nicht automatisch eine Verkehrssituationsverbesserung. Ein Ausweg daraus wären Elektroautos kombiniert mit sogenannten Carsharing-Systemen, also Auto-Entlehn-Stationen, die flächendeckend installiert sind. Paris geht gerade exakt diesen Weg. Im gleichen Atemzug müssten die dadurch nicht mehr benötigten Parkplätze reduziert und die Parkpickerlpreise drastisch erhöht werden, um zu einem Umstieg auf die Carsharing-Systeme zu motivieren. Wer aber denkt, dass der forcierte Einsatz der Elektroautos Atomkraftwerke bedingt, irrt. Nicht weniger als 2000 Elektroautos und stolze 50.000 Elektromopeds können mit einer einzigen Windkraftanlage permanent betrieben werden . Und das bei gleich bleibenden Treibstoffkosten, denn der Wind weht gratis. Jetzt und in 1000 Jahren noch immer. Auch für den Österreichischen Verkehrsclub (VCÖ) liegen die Vorteile von Carsharing auf der Hand: ‘Das Auto wird nur dann genutzt, wenn es wirklich gebraucht wird. Fahrten aus reiner Bequemlichkeit fallen weg’. Bis sich diese Verkehrskonzepte durchsetzen und sich auch in der Wiener SPÖ eine ambitionierte Umstellung auf eine nachhaltige urbane Mobilität einstellt, wird sicher noch viel Wasser die Donau hinabfließen. Nicht zuletzt deshalb erhalten Mobilitäts-Aktionisten regen Zulauf.

Kreativer RadlerInnen-Widerstand „Critical Mass“

Margarethenplatz 16:30 Uhr, an einem 3. Freitag im Monat: Über 400 RadlerInnen aller Schichten treten mit Musikinstrumenten und kuriosesten Fahrradkonstruktionen ‘bewaffnet’ für eine fahrradfreundliche Politik ein. Aktivistisch unangemeldet geht’s quer durch Wien - um aufzufallen. Frei nach dem Motto: Wenn Autos keine Demo anmelden, wenn sie täglich die Autobahn zustauen, müssen die RadlerInnen das auch nicht. Der Name des (weltweiten) Phänomens: 'Critical Mass'. Eine ‘zufällige’ Ansammlung von Bike-Begeisterten, die einen friedlichen Ausdruck einer brodelnden Wut an der versagenden Verkehspolitik darstellt. Lang genug sind veraltete Konzepte aufgewärmt worden. Lang genug hat sich nichts verändert in Wiens Strassenbild.

Fazit: Wir haben viele Chancen, die nächsten Jahre werden spannend.

Dieser Artikel erschien auch in der Sonnenzeitung 3/08.

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Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /