DER STANDARD - Kommentar "Energiepolitik wie vor 25 Jahren"

von Conrad Seidl - Was nach Zwentendorf und Hainburg versprochen wurde, wäre jetzt aktuell - Ausgabe vom 17./18. Jänner 2009

Welches Jahr schreiben wir eigentlich? Betrachtet man die energiepolitischen Diskussionsbeiträge dieser Woche, könnte man sich mühelos 25 Jahre zurückversetzt fühlen.

Auch damals, 1984, gab es prominente Stimmen, die sich für die Atomkraft ausgesprochen haben. Auch damals ertönten sie nicht nur in irgendwelchen Nachbarländern, sondern vonseiten vielbeachteter Exponenten der SPÖ. Es gibt ihn noch, es gibt ihn wieder, den Hannes Androsch, der dem Atomkraftwerk Zwentendorf nachtrauert und nun gerne sähe, dass ein paar neue Atommeiler ins Land gebaut würden.


Und auch die E-Wirtschaft, von der wir in den letzten Jahren allenfalls gehört haben, wenn uns billigere Strompreise dank florierenden Wettbewerbs angepriesen wurden, meldet sich in der politischen Diskussion zurück - mit ganz denselben Argumenten, die man damals zu hören bekommen hat. Dass man ja nur saubere Energie für das Land liefern wolle, weshalb man unbedingt mehr Wasserkraftwerke bauen müsse. Und Gaskraftwerke, weil sie ohnehin noch die saubersten unter den kalorischen Energieverwandlern wären.

Hat jemand Hainburg gesagt? Nein, zumindest nicht laut. Der neue Verbund-Boss Wolfgang Anzengruber hütet sich, eine Diskussion um den im Jahr 1984 so heftig umstrittenen Standort für ein Donaukraftwerk östlich von Wien anzufangen. Es gibt schließlich noch ein paar andere Flüsse - und ein knappes Drittel der ausbauwürdigen Wasserkraft im Lande ist noch nicht für die Stromerzeugung kanalisiert. Zwar stehen dem gewisse Schutzbestimmungen entgegen - aber die hat es (wenn auch nicht auf so hohem Niveau und mit Prüfsiegel der EU) auch schon 1984 für die Donauauen gegeben, was den damaligen Kraftwerksplanern ziemlich egal war. Schließlich konnte man argumentieren, dass Kraftwerksbauten Arbeit schaffen und billigen Strom für die Zukunft bereitstellen, da müsse man schon die Güter abwägen - gerade in einem Wirtschaftsabschwung, den man auch damals gerade gespürt hat. 1984 wurde - nach blutigen Auseinandersetzungen in der Hainburger Au - abgewogen.

Die Kraftwerkspläne wurden als zu leicht befunden, eine Nachdenkpause wurde eingeleitet.


Ein bisserl wurde damals tatsächlich nachgedacht, ein bisserl etwas ist auch dabei herausgekommen: Man müsse Wirtschaftsentwicklung und Stromverbrauchszuwachs entkoppeln. Man müsse das Energiesparen vorantreiben - Wärmedämmung, Passivhäuser, sparsamere Elektrogeräte und effizientere Produktionsprozesse in der Industrie waren die Schlagworte. Dass all das heute wieder als Rezept empfohlen wird, ist kein Beleg dafür, dass die Rezepte falsch wären.

Es belegt aber, dass sie zweieinhalb Jahrzehnte lang bestenfalls in Ansätzen verwirklicht worden sind. Und dass gerade in den letzten paar Jahren andere Prioritäten gesetzt wurden - Klimaanlagen fressen ebenso Strom wie Beschneiungsanlagen.

Dass es vielfach importierter Atomstrom ist, wird nobel verschwiegen. Ebenso verschwiegen wird, dass der Ausbau von Biomasse und Solarenergie viel zu lasch betrieben worden ist. Es stimmt schon: All die Fehler und Versäumnisse der letzten Jahre lassen sich jetzt nicht einfach aufheben. Viele Menschen sind geschockt, wenn sie erfahren, wie leer Europas Gasspeicher sind und wie abhängig wir von russischen und ukrainischen Politikern sind. Aber der Schock darf nicht dazu führen, dass die alten Kraftwerkspläne ausgepackt werden. Vielmehr muss die Entwicklung zu den erneuerbaren Energieträgern vorangetrieben - und der Endenergieverbrauch gesenkt - werden. Auch dafür gibt es Pläne. Aber sie erfordern politischen Willen, der derzeit nicht erkennbar ist.

Rückfragehinweis: Der Standard

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OTS0248 2009-01-16/18:11



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /