Smart Grids - Elektrische Energieversorgungsnetze der Zukunft

Flexible Netze sind Voraussetzung zum Erreichen der Klimaschutzziele

München / Mannheim - Im Jahr 2020 sollen 35 Prozent des elektrischen Energiebedarfs der Europäischen Union aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Trotz des starken Ausbaus der Windenergie in den vergangenen 15 Jahren beträgt der Anteil der erneuerbaren Quellen an der Elektrizitätsversorgung bespielsweise in Deutschland heute erst 15 Prozent. Dieses Verhältnis verdeutlicht eindrucksvoll, wie weitreichend die Veränderungen sind, die noch vor der elektrischen Energieversorgung liegen, wenn die Ziele der Europäischen Union erreicht werden sollen. Eine wichtige Voraussetzung zum Erreichen der Klimaschutzziele sind deshalb flexible Netze, so genannte Smart Grids.
Neben der Steigerung der Energieeffizienz sind die - bevorzugt dezentrale - Kraft-Wärme-Kopplung und die erneuerbaren Energiequellen die wichtigsten Mittel zur Erreichung der Klimaschutzziele. Beiden Stromerzeugungsarten ist gemeinsam, dass sie - im Gegensatz zur konventionellen Stromerzeugung - nicht primär von der elektrischen Last, sondern von einer anderen Größe, nämlich einerseits dem Wärmebedarf und andererseits dem Dargebot der erneuerbaren Energie, geführt werden. Für einen möglichst wirtschaftlichen Betrieb wird deshalb angestrebt, dass die elektrische Energie abgenommen wird, wann immer sie erzeugt werden kann.

Will man allerdings mit erneuerbaren Energien wie beispielsweise der Windenergie einen hohen Anteil an der erzeugten Energie erreichen, bedeutet dies eine so hohe installierte Leistung, dass die Last immer häufiger nicht mehr ausreichen wird, das Erzeugungsangebot aufzunehmen. Bei einem sehr hohen Anteil fremdbestimmter Erzeugungs-Teilsysteme sind deshalb Maßnahmen erforderlich, um die Nutzung der Erzeugungsanlagen sicherzustellen.


Zunächst wird die erzeugte Energie regional verteilt. Dies ist in Deutschland bisher geschehen, denn die inzwischen fast 25.000 MW an installierter Windenergie-Leistung werden schon heute nicht von den Verbrauchern in ihrer Umgebung benötigt. Allerdings sind inzwischen auch die Grenzen der Übertragungsfähigkeit des bestehenden Netzes erreicht.

Die nächste Stufe zur Sicherstellung des Ausgleichs von Last und Erzeugung könnte die Energiespeicherung sein. Zumindest für die in der aktuellen Entwicklung der Energieversorgungssysteme wichtige Windenergie kann sie nur in Form elektrischer Energie erfolgen. Dafür sind heute allerdings technisch und wirtschaftlich geeignete Lösungen nicht immer in ausreichendem Maß verfügbar.

Die dritte Option ist der Abschied vom Prinzip der reinen Lastführung der elektrischen Energieversorgungssysteme. Viele elektrische Verbraucher verfügen über Energiespeicher, beispielsweise alle Geräte zur Wärme- oder Kälteerzeugung, aber auch alle Elektrogeräte mit Akkus und zukünftig wahrscheinlich auch Elektroautos. Ihre Leistungsaufnahme kann ohne Komfortverlust gelegentlich verzögert oder vorgezogen werden. Die Einbeziehung der Last in die Systembetriebsführung wird bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien aller Voraussicht nach, die wirtschaftlichste Lösung sein, den Ausgleich von Last und Erzeugung herzustellen. Sie ist deshalb das Kernelement der Smart Grids, der elektrischen Energieversorgungssysteme der Zukunft.

Smart Grids werden dezentrale Erzeugungseinheiten aller Art integrieren können. Sie werden Transportkapazität für Großkraftwerke auf Basis erneuerbarer Energiequellen bieten und sie werden die Verbraucher gezielt in den Ausgleich von Last und Erzeugung einbeziehen. Diese Entwicklung führt zu einer wachsenden Bedeutung der Kommunikations- und Informationstechnik, und zwar bis hin zum Verbraucher. An Stelle der Betriebsführung auf Basis historischer Erfahrungswerte treten Echtzeit-Informationen, die von sehr viel mehr Informationsquellen bereitgestellt werden als heute. Eine Schlüsselfunktion hat dabei das so genannte Smart Metering, also die Ausstattung der Verbraucher mit bidirektional kommunikationsfähigen Zählern.

Der Aufbau dieser Infrastruktur wird zurzeit in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, vorangetrieben. Auf dieser Basis werden in den kommenden Jahren neue Konzepte der Systembetriebsführung entwickelt und erprobt werden, damit bis 2020 die netzseitigen Voraussetzungen zum Erreichen der Klimaschutzziele geschaffen sein werden. ABB nimmt dazu weltweit an zahlreichen Pilot- und Forschungsprojekten, wie beispielsweise dem Projekt MEREGIO (Minimum Emission REGIOn), teil. Mit MEREGIO wollen ABB, EnBW, IBM, SAP und die Universität Karlsruhe in den nächsten vier Jahren zeigen, wie der Systembetrieb in einem Verteilnetz mit dezentraler Erzeugung und erneuerbaren Energien durch den Einsatz moderner Informationstechnik, beispielsweise für Echtzeit-Preissignale an die Verbraucher, mit minimalen CO2-Emissionen realisiert werden kann.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /