Nachhaltige Verpackungen erobern die Märkte

Kekse, Tiefkühlnahrung, Discounterware: Bioverpackungen in immer neuen Bereichen

Die Materialwahl bei Lebensmittelverpackungen kann die Nachhaltigkeit des gesamten Produkts optimieren. Entscheidend ist jedoch, die Verpackungslösung insgesamt zu betrachten – Materialeffizienz und Gewichtseinsparung spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Verwendung Nachwachsender Rohstoffe, der optimale Schutz des Produkts, raumspa-rende Verpackungsformen und Verwertungsoptionen. Neben Klassikern der nachhaltigen Lebensmittelverpackung wie Papier und Verbundkarton überzeugen Biokunststoffe, die inzwischen optimale Lösungen für vielfältige Verpackungsfälle bieten. Auf der "Conference on sustainable packaging" der nova-Institut GmbH im Rahmen der Anuga FoodTec in Köln diskutierten am 12. März rund 70 Experten aus Industrie, Forschung und Verbänden die Zukunft der Lebensmittelverpackung.

Bioverpackungen in immer neuen Märkten und Anwendungen

Verpackungen für Trockenes, Nasses, Heißes, Kaltes: Die rasante Materialentwicklung bei Biokunststoffen erweitert deren Einsatzmöglichkeiten und damit ihr Marktpotenzial ständig. Wie Andy Sweetman von Innovia Films betont, antwortet der britische Hersteller jetzt stets mit "Yes, we can!", wenn es um Biokunststoffe zur Verpackung trockener Lebensmittel geht. Seit Kurzem bietet der Hersteller eine mehrschichtige Biofolie mit hervorragender Barrierewirkung ge-genüber Feuchtigkeit und Gasen an, die Lebensmittel wie z.B. Kekse dauerhaft knusprig hält. FKuR aus Willich setzt ebenfalls auf überlegene Barrierewirkung: Das Unternehmen produziert unter anderem mehrschichtige Biofolien, die auch in Öko-Babywindeln für Auslaufsicherheit sorgen. Besonders für tiefe Temperaturen geeignete Bioverpackungen, eine Neuentwicklung von FKuR, werden für die Verpackung von Tiefkühlkost eingesetzt. Ein Meilenstein auf dem Weg der Biokunststoffe zum Massenmarkt ist der Einzug in die Lebensmitteldiscounter. Bei ALDI Süd gibt es jetzt kompostierbare Einkaufstüten aus dem BASF-Material Ecovio auf PLA-Basis. Bislang allerdings kosten die Biotüten das Vierfache der weiterhin angebotenen Tragetaschen aus Recycling-Kunststoff.

Biokunststoffe: Viele Verwertungsoptionen

"100% kompostierbar", so lautet die unübersehbare Aufschrift der neuen ALDI-Tüten. Über die künftige Bedeutung dieser Eigenschaft vieler Biokunststoffe gingen die Meinungen auf dem Kongress auseinander. Je nach Material und Technologie können nicht alle Kompostieranlagen Biokunststoffe verwerten. Die energetische Verwertung z.B. in Ersatzbrennstoffkraftwerken beurteilt Carmen Michels von Fraunhofer UMSICHT, Oberhausen, als unproblematisch, vor allem bei kompostierbaren Biokunststoffen. Jöran Reske, stellvertretender Sprecher des Branchenverbands European Bioplastics, stellt klar: Die Kompostierbarkeit eröffnet eine zusätzliche Verwertungsoption, die dort genutzt werden sollte, wo dies vorteilhaft ist. So ist die Kompostierung von Bioverpackungen gemeinsam mit anhaftenden Lebensmittelresten möglich, eine Verschmutzung von Materialien in der Wertstoffsammlung wird so vermieden.

Auch bei der stofflichen Verwertung müssen sich Biokunststoffe nicht verstecken: Wie eine Analyse der Innovia Films zeigt, existieren mehrere Verfahren zur automatischen Trennung von Biokunststoffen und herkömmlichem Plastik. Sortenreine Biokunststoffe sind grundsätzlich recyclingfähig, zu den praktischen Möglichkeiten des Recyclings gebrauchter Biokunststoffverpackungen fehlen laut Carmen Michels jedoch systematische Untersuchungen. Der springende Punkt beim Biokunststoff-Recycling bleibt die kritische Masse: Bei den derzeitigen Mengen erweisen sich Biokunststoffe weder als Fluch noch als Segen für Verwerter. Eine Überschreitung der ‘kritischen Masse’, ab der eine getrennte Erfassung und Verwertung von Biokunststoffen sinnvoll ist, wird bei dem signifikanten Anstieg des Biokunststoffverbrauchs bald eintreten, davon ist Carmen Michels überzeugt.

Nachhaltigkeit als Gesamtkonzept

Die Teilnehmer des Industriekongresses waren sich weitgehend einig: Soll die Nachhaltigkeit bei Lebensmittelverpackungen optimiert werden, sind neben den Herstellern und Anbietern von Verpackungsmaterial weitere Glieder der Wert-schöpfungskette gefragt: So müssen sich Material und Gestaltung der Ver-packung für Produkt und Konsumentengruppe eignen, Packungsgröße und -form entscheiden über die Möglichkeit raumsparender Logistik, Entsorgungswege müssen beurteilt und ggf. neu erschlossen werden.

"Nachhaltige Verpackungen ohne nachhaltige Produkte, ohne nachhaltige Produzenten - macht das Sinn?" fragte Matthias Giebel vom Deutschen Verpackungsinstitut, Berlin und von Berndt & Partner Packaging Consultants. Er warb für einen umfassenden Ansatz auf Unternehmensebene. Dies lohnt sich durchaus. Immerhin ist, so der Berater, "ein nachhaltiges Produkt ohne nachhaltige Verpackung eine verpasste Chance." Denn schließlich hat die Verpackung eine Signalfunktion für den Kunden bei der Einschätzung des Produkts.

Materialeffizient – Ressourcenschonend – Recyclingfähig

Nach dem Motto "Weniger ist mehr" geht ein Trend klar zur Materialeinsparung: Geringere Materialstärken, flexible Verpackungen statt aufwändiger Schalen, geringere Anteile ressourcenintensiver Materialien wie Aluminium. Auch auf der Anuga Foodtec spielte Gewichtsreduzierung eine Rolle – ging es auf den Ständen der Verpackungshersteller um Nachhaltigkeit, so wurden meist materialsparende Lösungen vorgestellt. Auf dem Kongress stellte Dr. Kerstin Röhrich für die Deutsche Materialeffizienzagentur demea, Berlin, bereits erreichte Fortschritte vor: Bei Aluminiumverpackungen beispielsweise ist der Materialeinsatz seit den 1980er Jahren je nach Produktgruppe um 15 bis 42 Prozent gesunken. Für Unternehmen, die künftig mit Materialeinsparung punkten wollen, fördert die demea einzelbetriebliche Beratungen und Materialeffizienznetzwerke.

Ein Beispiel für die kontinuierliche Arbeit an einer umweltverträglichen Verpackungslösung präsentierte Dr. Heike Schiffler von TetraPak, Hochheim. Die aseptischen Getränkekartons des Marktführers sind heute um ein Fünftel leichter als vor 20 Jahren, 80% der Rohkartonlieferungen verfügen über Systeme zur Rückverfolgbarkeit. Seine CO2-Emissionen will der Konzern bis 2010 um 10% gegenüber 2005 reduzieren – bei wachsender Produktionsmenge.
Informationen zum CO2-Fußabdruck eines Produktes und seiner Verpackung helfen den zehn im PCF Pilotprojekt Deutschland engagierten Unternehmen, Einsparmöglichkeiten in der Wertschöpfungskette aufzuspüren. Ein solcher aggregierter Indikator – zum Beispiel als Carbon Label – lässt sich aber nicht dem Verbraucher kommunizieren, so die Projektteilnehmer. Zu viele wichtige Faktoren fehlen bei der Berechnung. Anders als beispielsweise in Frankreich und Großbritannien wird es daher in Deutschland zunächst keine einheitliche Kennzeichnung des Carbon Footprint für Konsumenten geben.
Offensichtliche Vorteile bei der Ressourcenschonung haben Verpackungen, die auf Nachwachsenden Rohstoffen wie Papier, Pappe oder auch Biokunststoffen aufbauen. Zudem setzen Hersteller bereits häufig erneuerbare Energien ein und praktizieren Stoffkreisläufe. Wie Roland Rex von der Kartonfabrik Moritz J. Weig aus Mayen betonte, ist die Branche von mittelständischen Unternehmen geprägt, die durch feste Mitarbeiterbindung und stabile Lieferantenverhältnisse auch beim sozialen Aspekt des Nachhaltigkeitsbegriffs positiv abschneiden. Vor dem Hintergrund der höheren Preisstabilität pflanzlicher Ressourcen gegenüber fossilen Rohstoffen stellte Rex klar: "Der Einsatz Nachwachsender Rohstoffe ist auch ein Beitrag zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit."

Wie die aufschlussreichen Diskussionen auf der ‘Conference on sustainable packaging’ neben den Präsentationen der Referenten zeigten, hat das Thema Nachhaltigkeit in der Verpackungsindustrie den Weg zu den Entscheidern der Branche gefunden. Sämtliche Vorträge stehen gegen eine Gebühr von 50 Euro unter www.nova-shop.info zum Herunterladen zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Kongress sind unter www.sustainable-packaging.de abrufbar.

GastautorIn: Florian Gerlach,nova-Institut GmbH für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /