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Stellungnahme zu irreführenden Testberichten in „aktiv Radfahren“

Rad als "sehr gut" bewertet, von dem extraenergy abrät

Seit dem 26. Juni ist die Juli/August-Ausgabe der aktiv Radfahren mit den Ergebnissen des großen ExtraEnergy-Tests 2009 im Zeitschriftenhandel. Unterschiedliche Interessen der bisherigen Partner ExtraEnergy und aktiv Radfahren gipfeln in irreführenden Inhalten, die Fragen bei Industrie und Lesern aufwerfen. ExtraEnergy nimmt Stellung und zieht Konsequenzen.



Das Fahrradmagazin aktiv Radfahren hat sich in den letzten 10 Jahren immer mehr zum Fachmagazin für Elektroräder gemausert. Dies ist der Zusammenarbeit von aktiv Radfahren Chefredakteur Daniel Fikuart und dem ExtraEnergy-Vorsitzenden Hannes Neupert mit seinem Redaktionsteam zu verdanken. Die sicherlich bekannteste Ausgabe war das 1999 erschienene Pedelec-Sonderheft, mit dem zugleich die Bezeichnung ‘Pedelec’ im deutsch-sprachigen Raum geprägt wurde.

2008 hat ExtraEnergy die FGH Mediawerke, die das aktiv Radfahren Heft für den BVA Bielefelder Verlag produzieren, dazu bewegt, wieder ein solches Sonderheft zu drucken und hat 47.000 Euro dafür bezahlt. So wurde das Sonderheft mit sehr wenigen Anzeigen und umso mehr Inhalten - darunter den ExtraEnergy Testergebnissen 2008 - veröffentlicht. Es erschien als Inlay in der regulären aktiv Radfahren Juli/August Ausgabe 2008 und als separates Heft, das über ExtraEnergy immer noch erhältlich ist. Ein Heft, das sicherlich viel zur rasanten Entwicklung des Marktes im vergangenen Jahr beigetragen hat.

Interessenkonflikt

Leider trat hier schon eine erste Inkonsistenz auf: Bevor das Sonderheft erschien, veröffentlichte aktiv Radfahren einen selbst durchgeführten Test und bewertete das Pegasus Pedelec mit ‘Sehr gut’. Im ExtraEnergy-Test wurde dann vom Kauf abgeraten, was wohl mit ein Grund war, weshalb die ZEG das Modell zurückrief.

Hier zeigte sich bereits, dass die FGH Mediawerke und ExtraEnergy unterschiedliche Interessen vertreten. Die FGH verfolgen ganz klar ein wirtschaftliches Interesse. Inhalte sind dem untergeordnet und werden - wie sich immer wieder zeigte - vom Anzeigengeschäft beeinflusst. Es liegt nahe, dass die Bewertung des Pegasus mit ‘Sehr gut’, die aus technischer Sicht nicht gerechtfertigt ist, in Verbindung damit steht, das die ZEG ein wichtiger Anzeigenkunde der FGH ist.

ExtraEnergy hingegen verfolgt mit viel ehrenamtlichem Engagement ein rein inhaltliches Interesse: Der Verein will allen Marktteilnehmern - Endkunden, Händlern und Herstellern - zuverlässige und absolut verlässliche Messwerte zur Verfügung zu stellen. Unter dieser Prämisse führt ExtraEnergy seit 1992 Tests durch und veröffentlicht die Ergebnisse. Aus wirtschaftlicher Perspektive schien dies, besonders am Anfang, geradezu absurd. Doch die Entwicklung des Marktes heute hat von der beharrlichen Vorarbeit durch ExtraEnergy sicherlich sehr profitiert.

Elektrofahrräder - eine Geldquelle

Das Pedelec-Sonderheft von 2008 war mit Abstand das am besten verkaufte Heft der aktiv Radfahren im vergangenen Jahr. Der Erfolg und immer mehr Anzeigen von Elektrofahrrad-Herstellern konnten sogar den Geschäftsführer der FGH Mediawerke, Hans Fink, auf das Thema einstimmen. Plötzlich war großes Interesse vom aktiv Radfahren Produzenten an Elektrofahrrad-Inhalten da. Die Abmachung zu den Tests lautete: ExtraEnergy testet und aktiv Radfahren publiziert - jede Partei macht also das, was sie am besten kann.

Im Frühjahr 2009 publizierten die FGH Mediawerke das Sonderheft von 2008 zum größten Teil noch einmal mit den eigentlich veralteten ExtraEnergy Testergebnissen vom letzten Jahr und einem mit Fehlern gespickten Katalogteil. ExtraEnergy stimmte dem Nachdruck nur unwillig zu, um den geplanten Sonderteil mit den neuen Testergebnissen nicht zu gefährden.

Es folgten mehrere Tests, die in Eigenregie der aktiv Radfahren Redaktion durchgeführt und veröffentlicht wurden.

Zur aktuellen Juli/August-Ausgabe

Der Interessenkonflikt gipfelt im aktuellen Heft, der Juli /August-Ausgabe 2009. Hier sind die Testergebnisse des ExtraEnergy-Tests 2009 abgedruckt. Soweit lief alles nach Absprache. Für den Druck war ExtraEnergy bereit, 600 Euro für jeden Testbrief zu bezahlen, um Anzeigen und damit den redaktionellen Einfluss der Hersteller zu unterbinden. Als Bedingung sollte ExtraEnergy die alleinige Testinstanz für aktiv Radfahren Publikationen sein.

Auf den nachfolgenden Seiten des aktuellen Hefts erscheinen Testberichte weiterer Räder - Pseudotests, die die Anzeigenleitung der aktiv Radfahren den Herstellern anbot, die nicht im ExtraEnergy-Test vertreten waren. Zum Sonderpreis von 960 Euro für den Test inklusive Publikation. Liefertermin für die Testfahrzeuge war spätestens 5 Tage vor Redaktionsschluss. Also hatte die Redaktion 5 Tage Zeit, die Tests durchzuführen, die Daten auszuwerten, Fotos zu machen und den Artikel mit 11 Fahrzeugen zu produzieren. Entsprechend oberflächlich sind die Resultate. Ganz unmöglich ist die Ermittlung verlässlicher Reichweiten-Angaben, die auf einer Statistik beruhen, denn dafür sind sehr viele Testfahrten mit sehr vielen Testfahrern nötig. Auffällig ist auch, dass alle Räder mindestens ein ‘Gut’ bekommen haben. Bei mehreren der gestesten Produkte ist die Bewertung in keiner Weise mit den Maßstäben von ExtraEnergy vergleichbar, die auf den Seiten davor angelegt wurden. Dies ist für den Leser aber nicht so einfach zu erkennen.

Von den Schnelltests erfuhr ExtraEnergy wenige Tage vor dem Drucktermin von einigen Herstellern. Den Druck zu verhindern war selbst über den Leiter des BVA Bielefelder Verlags, Herrn Kaiser, nicht möglich. Klar war jedoch das Ende der Zusammenarbeit, sollte das Heft wie geplant publiziert werden. Nun ist es mit den Tests aus beiden Quellen im Zeitschriftenhandel ...

ExtraEnergy zieht Konsequenzen

ExtraEnergy distanziert sich hiermit ausdrücklich von den irreführenden Inhalten in der aktuellen Ausgabe und entschuldigt sich bei den Lesern von aktiv Radfahren, dass es unter diesen Umständen nicht mehr möglich ist, die Zusammenarbeit weiter fortzuführen. Als gemeinnütziger Verein kann ExtraEnergy nicht dulden, dass auf Kosten der Leser und der Qualität und Objektivität von Informationen aus dem Pedelec-Trend Geld geschlagen wird. ExtraEnergy wird daher in Zukunft andere Medien als Multiplikatoren im Printbereich nutzen.

Die Besucherzahlen der ExtraEnergy Webseite sind in den vergangenen Monaten schon deutlich höher als die Gesamtauflage des aktiv Radfahren Magazins von 55 000 verbreiteten Exemplaren. ExtraEnergy.org hatte im Juni 2009 75.130 Besucher - Tendenz steigend.

Im Oktober wird ExtraEnergy voraussichtlich den nächsten Test durchführen und plant, jedes Jahr zwischen 60 und 120 Produkten zu testen. Die Ergebnisse stellt der Verein den Interessenten unbeschönigt und kostenlos zur Verfügung. ExtraEnergy bedauert, dass es noch kein Pedelec-Magazin gibt, das den tatsächlichen Fakten verschriebenen ist und Inhalte nicht durch Anzeigen käuflich sind. Scheinbar muss ein solches Magazin nun erfunden werden...

Von Hannes Neupert


3. Juli 2009


Weitere Infos & Quelle: Verein extraenergy - quasi der TÜV der Elektroräder extraenergy.org

Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /