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Österreichs Flüsse müssen geschützt werden

WWF startet heute Kampagne "Flüsse voller Leben"

Wien - Der WWF startet heute mit seinen Partnern in Wien eine Kampagne zum Schutz der österreichischen Flüsse. Obwohl nur mehr jeder fünfte Fluss natürlich fließen kann, wollen Energiekonzerne und Politik bis 2020 hunderte weitere Wasserkraftwerke bauen.

Doch gerade jetzt, durch den Klimawandel und die drohenden Hochwasser, müssen den Flüssen Überschwemmungsflächen zurückgegeben werden statt sie weiter zu verbauen. Der WWF wird ab Montag mit einem Flüsse-Zelt, einem drei Meter großen Herz für Flüsse und Tausenden Flusskieseln durch die Bundesländer touren und die Menschen vom notwendigen Schutz der Flüsse überzeugen. Ziel ist der gesetzlich verbindliche Schutz der österreichischen Flussjuwele. "Österreichs Flüsse sind zwar sauber aber zu 80 Prozent völlig verbaut. Wir müssen jetzt das restliche Fünftel retten", so Andreas Wurzer, Naturschutzexperte des WWF. Die Umweltorganisation hat berechnet, dass die Verbauung der Flüsse zur Stromproduktion gar nicht nötig wäre, weil andere Lösungen umweltfreundlicher sind und zudem mehr Arbeitsplätze schaffen.

Im Herbst wird die Umweltorganisation eine Petition im Nationalrat zur Schaffung eines Flussschutzgesetzes einbringen. Zahlreiche Prominente wie Starkoch Toni Mörwald, Skidirektor Toni Innauer, Olympiasieger Roman Hagara, Helmut Pechlaner, Museumsdirektor Bernd Lötsch und viele bekannte Personen aus Sport und Wissenschaft, unterstützen die Initiative bereits. "Wir müssen Österreichs Flüsse im Interesse des Hochwasserschutzes, der Artenvielfalt und als Erholungsraum bewahren und nicht für die kurzfristigen Profitinteressen der Energiekonzerne opfern", fordert Wurzer. Auf der Webseite www.fluesse-voller-leben.at, die heute online ging, rufen der WWF und seine Partnerorganisationen - darunter der österreichische Fischereiverband, das österreichische Kuratorium für Fischerei, Kajakfahrer, Naturfreunde, Naturschutzbund sowie zahlreiche Persönlichkeiten zum Unterschreiben der Petition für den Schutz der letzten naturnahen Flüsse Österreichs auf.

Die WWF-Station mit dem drei Meter großen Herz für Flüsse, einem Flüsse-Zelt mit Rätselspielen und Malwettbewerben sowie ausreichend Flusskieseln für Eltern und Kinder kann in Innsbruck (Marktplatz) , in Bregenz, in Salzburg (Mirabellplatz), in Graz (Herrengasse), in St. Pölten (Riemerplatz) und in Linz (Taubenmarkt) besucht werden.

Der WWF befürchtet, dass unter dem Deckmantel Klimaschutz für Österreich die letzten unverbauten Flüsse geopfert werden sollen - für einen kurzfristigen Erfolg, denn selbst wenn alle Flüsse inÖsterreich mit Kraftwerken verbaut werden, würde dies nur den zusätzlichen Energiebedarf der nächsten fünf Jahre abdecken. Die Umweltorganisation sieht wirksamen Klimaschutz bei Stromeinsparung, Effizienzsteigerung, Modernisierung der bestehenden Kraftwerke und dem Ausbau anderer Energieträger wie Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme.

"Bei erneuerbaren Energien entstehen auch zukunftsträchtige "Green Jobs" in Zeiten der Wirtschaftskrise, denn Wasserkraftwerke schaffen kaum neue dauerhafte Arbeitsplätze, sondern nur kurzfristig im Baugewerbe. Wir brauchen eine Energieoffensive, die Österreich zu hundert Prozent auf Erneuerbare Energien umstellt, dadurch Zehntausende neue Arbeitsplätze schafft, unsere Flüsse schützt und sie wieder zu wertvollen Lebensadern werden lässt", so Wurzer. Der WWF hat dafür einen Energieschlüssel berechnet, der bis 2020 umgesetzt werden soll. Allein durch den Ausbau der Windkraft können zwei Drittel CO2 zur Erreichung der Kyotoziele eingespart werden, durch den Austausch der Glühlampen und der alten Haushaltsgeräte knapp ein Viertel.

Industriellenvereinigung für Wasserkraftausbau

"Der Ausbau der Wasserkraft ist standort- und umweltpolitisch gerade jetzt dringend erforderlich", erklärte dazu der Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) Mag. Peter Koren. "Eine nicht gesicherte Stromversorgung ist ein Hindernis für die ganze Volkswirtschaft und kostet Arbeitsplätze, um die wir kämpfen. Gleichzeitig sollte Österreichs überdurchschnittliches Wasserkraftpotenzial im Interesse des Klimaschutzes hinkünftig noch stärker genutzt und Österreich als 'Wasserkraftland Europas’ positioniert werden. Industrie und E-Wirtschaft verstehen sich dabei als Teil der Lösung." Die Industrie rufe daher alle politischen und wirtschaftlichen Kräfte in Österreich zu einem Schulterschluss zum Thema "Wasserkraft" auf. "Ein gegenseitiges Ausspielen von Umweltschutz und dem notwendigen Ausbau der Wasserkraft ist kontraproduktiv. Wasserkraft ist Klimaschutz", betonte Koren.

Wasserkraft sei der "Star" unter den erneuerbaren Energien und keine Subventionen für den weiteren Ausbau erforderlich, so der IV-Vize-Generalsekretär weiter. "Wasserkraft kann als erneuerbare Energiequelle einen nennenswerten Beitrag zur Energieerzeugung liefern." Gleichzeitig hätten die Österreicherinnen und Österreicher die Bedeutung einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung längst erkannt, erklärte Koren, der eine Umfrage des Focus-Instituts im Auftrag des VEÖ vom Juni 2008 zitierte. Demnach befürworten 76 Prozent der Bevölkerung den Ausbau des österreichischen Wasserkraftpotenzials. "Darüber hinaus bieten innovative heimische Industrieunternehmen im Bereich der Wasserkrafttechnologie wettbewerbsfähige Lösungen für den Heim- ebenso wie für den internationalen Markt mit weltweiten Exporten. Das bedeutet neben einem globalen Beitrag zum Klimaschutz gerade in dieser wirtschaftlich schwierigen Phase neue Exportpotenziale und damit Arbeitsplätze in Österreich", so Koren.

"Wasserkraft- Starrummel" kontraproduktiv

Die Industriellenvereinigung möge aufhören, die Bevölkerung mit einem künstlich erzeugten und fachlich nicht gerechtfertigten "Wasserkraft-Starrummel" einzulullen, so dazu die Umweltorganisation VIRUS, die energie- und klimapolitisch kontraproduktive
Entwicklungen verhindern möchte. Sprecher Wolfgang Rehm: "Die von jeglichen Fakten befreite Standardformel - Wasserkraft ist Klimaschutz - ist in Wahrheit eine Garantie für das erneute Verfehlen der Emissionsziele."

Wie VIRUS betont, ließe das Setzen auf das Wasserkraft-Pferd im thermohydraulischen Kraftwerksverbund die Treibhausgasemissionen der Stromerzeugung steigen, das zeige auch die historische Entwicklung. Schlimmer noch würde das ständige Wasserkraft-Trommeln davon ablenken, dass der Schlüssel zum Kyoto-Erfolg nicht bei der
Elektrizität sondern hautptsächlich in anderen Sektoren zu suchen sei. "Um die gefährliche Inaktivität in jenen Bereichen, vor allem bei Verkehr und Raumwärme, zu beenden, ist es erforderlich Wasserkraft-Euphorie zu beseitigen," so Rehm. Ein Ausbau müsse zumindest solange hinangestellt werden, bis die Energiepolitik sich auf die erfolgversprechenden "Kyoto-Spuren" eingefädelt hat, bevor als Draufgabe über einzelne neue Kraftwerke in aus Sicht des Gewässerschutzes eventuell noch akzeptablen Bereichen geredet werden kann.

Der mengenmäßig bedeutendste erneuerbare Energieträger in Österreich ist die Biomasse. Allein schon aus diesem Grund besteht laut VIRUS kein Grund, die ohnehin im Übermaß ausgebaute Wasserkraft besonders hervorzuheben, und mit dem Attribut "Star" zu versehen. "Jene Bereiche an erneuerbarer Energieumwandlung, die tatsächlich
großen Nachholbedarf aufweisen, geraten durch eine solche verfehlte Prioritätensetzung ins Hintertreffen", so Rehm. Die Umweltschützer von VIRUS weisen auch darauf hin, dass im aktuellen Energiepaket in Rot-Weiss-Rot die Wasserkraftvorhaben gegenüber den anderen erneuerbaren Primärenergiequellen deutlich teurer sind, man also
kaum Kostenvorteile für die Wasserkraft ins Treffen führen könnte.

Immer noch völlig vernachlässigt würden großmaßstäbliche Investitionen auf der Nachfrageseite, um sowohl den Elektrizitäts- als auch den Gesamtenergieverbrauch zu reduzieren.

"Versorgungszuverlässigkeit ist wichtig, aber nur wenn sie nicht wie von der Industriellenvereinigung als Verschwendungssicherheit mißverstanden wird," so Rehm.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /