© Pucher
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Jetzt Pischelsdorf, dann Mellach!

Rohstoffpreise machen Kraftwerksbau zum Hasard-Spiel!

Sehr geehrte EnergieexpertInnen,

Eine Information von enormer Relevanz für Gegenwart und Zukunft der österreichischen Energieversorgung war gestern in der PRESSE zu lesen:

Die Gazprom wird, das ist sicher, 2008 die Preise erhöhen, um voraussichtlich ca. 50 % (zwischen 20 % und 60 %). Gründe wären der gestiegene Ölpreis und die Gasmarkt-Liberalisierungspläne der EU-Kommission. 78 % des heimischen Erdgasverbrauchs kommen aus Russland! Das bevölkerungsreiche Ostösterreich wird davon besonders betroffen sein. 50 % höhere Gaspreise schlagen sich mit einem Endkundenpreis + 35 % nieder.

Das eben fertig gestellte Bioethanolwerk der AGRANA in Pischelsdorf wird wegen zu hoher Rohstoffpreise (Getreide, etc.) vorerst kaum oder nicht produzieren. Man hofft auf bessere Ernten und dann bald beruhigte Märkte, was eine realistische Annahme darstellt. Wenn das Erdgas/Dampf-Kraftwerk Mellach (südlich von Graz) 2012 fertig gestellt sein sollte, wird der Rohstoff Erdgas wahrscheinlich so teuer sein, dass es nicht in Betrieb gehen wird, lautet der immer realistischere Vergleich.

Jedoch mit einem gravierenden Unterschied: Erdöl nimmt ab, Erdgas nimmt ab und eine langfristige Erholung der fossilen und der Uran-Preise ist eine Illusion, der sich nur mehr Laien oder bewusste Blender hingeben. An dieser Stelle wurde schon vor Längerem genau auf dieses wahrscheinliche Preisszenario hingewiesen. Jetzt ist es gewiss!

Die einzig vernünftige Konsequenz daraus ist umgehend zu ziehen: Genehmigungen bzw. der Bau von sämtlichen Erdgaskraftwerken ist sofort wegen offenkundiger, höchster Spekulativität der Projekte zu stoppen. Denn, was in fünf oder fünfzehn Jahren ist, kann nur mit Wahrscheinlichkeiten beantwortet werden. Da alle Wahrscheinlichkeiten auf weiter steigende fossil-atomare Energiepreise deuten, werden die Erdgaspreise bei + 50 % nicht halt machen. Noch nicht eingerechnet die steigenden CO2-Zertifikatepreise oder die künftigen CO2-Strafzahlungen Österreichs aus dem Kyotoregime, was der Verbund AG als Kraftwerksbetreiber egal ist, weil das zahlt ja die dumme Bevölkerung und wird betriebswirtschaftlich nicht relevant.

Mit welchem Erdgaspreis Mellach (UVP erteilt), 800 MW, oder Klagenfurt (bereits eingereicht), 400 MW, noch rentabel betrieben können, ist als volkswirtschaftliche(!) Vorfrage umgehend zu klären. Alternativvarianten (Holzfeuerung; tatsächlicher Inlandsbedarf bei Stromnachfragestagnation) sind zu untersuchen. Die Leistbarkeit von Energie ist spätestens 2008 eine soziale Frage für breite Schichten – nach dem milden Winter 2006/2007.



In der geplanten Ökostromgesetz-Novelle 2008 sollen Biomasse- und Biogas-Anlagen vorab nachweisen müssen, dass sie gesicherte Rohstofflieferverträge zu bestimmten Preisen besitzen. Hier wird also voraussichtlich die Preis-Notbremse eingebaut.

Erdgasbetreiber werden solche Verträge nie nachweisen können, weil schon heute Indexklauseln den Erdgas- an den Erdöl-Preis koppeln, zu 100 %. Von dieser Klausel abzugehen ist so unwahrscheinlich, wie eine Eheschließung des Papstes.

Sie, die EnergieexpertInnen des Landes sind nun an der Reihe: Bitte verhindern Sie die Fortsetzung des Weges in das ökonomische Desaster – jetzt!

Die Alternativen sind klar: Mit demselben Geld, dass die Verbund AG (51 % im Besitz der Republik) am fossilen Roulettetisch zu verspielen im Begriffe ist, können Investitionen in Energieeffizienz (gesamtenergetische Gebäudesanierung, etc.) und erneuerbare Energien-Kraftwerke (Wind, Photovoltaik, Sonnen-Warmwasserkollektoren, etc.) angeregt werden. Sie bringen viel mehr an elektrischer oder thermischer, an eingesparter bzw. umweltverträglich erzeugten Energien als die Klimakiller-Kraftwerke in Mellach oder Klagenfurt je bringen würden. Man muss es nur wollen und dann auch machen!

In diesem Sinne bedanke ich mich im Voraus für Ihr sofortiges, verantwortungsbewusstes und vorbildliches Handeln!

Ihr
Dr. Fritz Binder-Krieglstein

GastautorIn: Dr. Fritz Binder-Krieglstein für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /