© m.kupka "die umweltberatung"
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Auftakt zum Umwelttag bei den UMWELTTAGesprächen

Internationale Experten/innen und über 200 TeilnehmerInnen beschäftigten sich im Vienna International Centre mit dem Wert der VIELFALT

Artenvielfalt- mehr als ein Schlagwort. Was bedeutet sie für Naturschutz, Raumplanung, Wirtschaft und Tourismus? Was kostet es, wenn sie verloren geht? Bei den UMWELTTAGesprächen ´10 im Vienna International Centre wurde am Freitag intensiv über den Wert der Vielfalt diskutiert. Das Symposium das von "die umweltberatung" in Zusammenarbeit mit dem Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV), dem Büro des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Wien (UNEP) und dem Informationsdienst der Vereinten Nationen (UNIS) in Wien anlässlich des Welt-Umwelttages und des Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt 2010 veranstaltet wurde, zeigte viele Details dazu auf. Rund 200 TeilnehmerInnen und internationale Experten/innen kamen- aus der Wirtschaft, von Umweltorganisationen, aus der Wissenschaft und aus der Politik.

Christian Mokricky, Obmann von "die umweltberatung" Österreich, eröffnete das Symposium und hieß die Gäste willkomen. Die UMWELTTAGespräche fanden erstmalig im Vorjahr am Welt-Umwelttag statt. Das Feedback war extrem positiv- damit stand fest, dass es eine Wiederholung geben sollte. " Im heurigen Internationalen Jahr der Biodiversität haben wir die Tagung unter das Motto ‚Wert der Vielfalt - Vielfalt der Werte’ gestellt’, erklärte Mokricky.

Achim Steiner, Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), wies in seiner Grußbotschaft darauf hin, dass mit dem Verlust der Artenvielfalt nicht nur unter ökologischen sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ein immer größeres Risiko auf uns zukommt. ‘Umweltschutz ist auch Wirtschaftspolitik, und Wirtschaftspolitik muss auch Umweltpolitik sein im Jahr 2010.’ Gerade die Kombination von ökologischem Reichtum verbunden mit neu entwickelter und wegweisender Umweltpolitik sind Gründe dafür, warum Ruanda als Gastgeberland der diesjährigen globalen Festivitäten rund um den Welt-Umwelttag ausgesucht wurde. Der Slogan ‚Many Species. One Planet. One Future’ des heurigen Welt-Umwelttages soll vor allem verdeutlichen, ‘dass wir als Gemeinschaft von Menschen, Staaten, Gemeinden und Gemeinschaften die Verantwortung haben für den Erhalt der Artenvielfalt, und dass wir auch gemeinsam als eine Gemeinschaft von Nationen an diesem Thema zusammenarbeiten müssen’, so Steiner.


In einer Video-Botschaft an das Symposium rief die britische Primatologin, Anthropologin und UNO-Friedensbotschafterin Jane Goodall - bekannt für ihre Studien des Sozial- und Familienlebens der Schimpansen im Gombe Stream National Park (Tansania) - zu Maßnahmen gegen den zunehmenden Verlust der Artenvielfalt und gegen die Zerstörung von Ökosystemen auf.

Hauptredner Hans Friederich, IUCN Regional-Direktor Pan/Europa, wies auf die gegenseitige Abhängigkeit von Wirtschaft, Umwelt und menschlichem Wohlergehen hin: ‘Die Welt kämpft mit ökonomischen und klimatischen Unsicherheiten und deren Konsequenzen für die Sicherheit von Nahrung und Wasser. Gesunde Artenvielfalt und Ökosysteme führen zu nachhaltiger sozialer und ökonomischer Entwicklung. Wir können die elementare Rolle nicht länger ignorieren, die die Biodiversität für das Wohlergehen des Menschen spielt”, so Friederich.


Andreas Beckmann, Direktor des WWF Donau-Karpaten-Programms betonte, dass die Biodiversität unser Lebenserhaltungssystem und letztendlich Grundlage des Wirtschaftssystems sei: ‘Es gibt viele Gründe, warum Biodiversität für uns so wichtig ist. Sie ist unser Lebenserhaltungssystem, das, worauf unser Leben, unsere Gesundheit und unser Glück aufbaut, und bildet natürlich die Grundlage unserer Wirtschaftsysteme”. Neben essentiellen Produkten wie Nahrung und Medikamenten trägt Biodiversität zu einer Reihe von lebenserhaltenden Systemen bei, wie der Produktion von Humus, Schutz gegen Hochwasser und Wasserregulierung, bietet aber auch kulturelle Beiträge wie Erholung und Ästhetik.

Der monetäre Wert der Biodiversität wurde von Kristina Jahn, Managerin bei PricewaterhouseCoopers beleuchtet. Sie präsentierte die Ergebnisse der Studie ‘Biodiversity and Business Risk’ im Auftrag des World Economic Forum: ‘Der Rückgang der Artenvielfalt und die Zerstörung von Ökosystemen betrifft nicht nur die Primärindustrie wie Bergbau, Land- und Forstwirtschaft, sondern auch die Konsumgüterbranche: Ressourcen werden knapper und teurer, das betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. Je mehr Ökosysteme zerstört und Arten bedroht werden, umso größer sind auch die Risiken für die Unternehmen.

Finanzdienstleistungsunternehmen haben dabei eine Schlüsselrolle inne: Sie können mit ihren Investitionen bestimmen, welche Projekte zur Förderung der Vielfalt umgesetzt werden und dazu beitragen, dass diese Projekte auch als unternehmerische Chance verstanden werden”, erklärte Jahn.
Professor Franz Wuketits vom Institut für Wissenschaftstheorie der Universität Wien stellte in seinem Vortrag die Frage nach dem moralischen Wert der Biodiversität: ‘Die Vielfalt des Lebens auf der Erde ist nicht nur für Biologinnen und Biologen interessant, sondern eine ethische Verpflichtung für alle von uns. Artenschutz ist daher letztendlich Menschenschutz, Artenschutz eine moralische Verpflichtung. Bloße Ge- und Verbote sind allerdings zu wenig - notwendig ist die grundlegende Einsicht, dass andere Lebewesen für den Menschen einen Wert darstellen”.


Am Nachmittag erörterten die TeilnehmerInnen verschiedene Aspekte des Themas in drei parallelen Diskussionsforen: ‘Biodiversität und Wirtschaft”, ‘Biodiversität und Raumplanung” und ‘Biodiversität und Tourismus”. Die Ergebnisse der verschiedenen Debatten wurden in einer gemeinsamen Abschlussrunde vorgestellt und Ideen entwickelt, wie der Verlust an Biodiversität aufgehalten werden kann.

‘Im letzten halben Jahrhundert hat menschliches Handeln einen noch nie dagewesenen Rückgang der biologischen Vielfalt verursacht. Arten sind tausendmal schneller ausgestorben als es natürlich der Fall wäre – ein Verlust, der durch den Klimawandel noch gefördert wird”, betonte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon in seiner Erklärung zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt.

‘Es wird der internationalen Gemeinschaft Gelegenheit geben, eine Führungsrolle in diesem Thema einzunehmen, besonders auch mit Hinblick auf den anstehenden Nagoya Gipfel zur Biodiversität, bei dem eine neue Strategie zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur biologischen Vielfalt verabschiedet werden soll”, betonte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon weiter.

Der UNO-Generalsekretär in seiner Erklärung zum Weltumwelttag am 5. Juni 2010: ‘Dieses Jahr wird Kigali im Zentrum der globalen, multikulturellen Feiern zu Ehren unseres Planeten, seinen Millionen von Lebewesen und der vielfältigen Verbindungen alles Lebenden stehen. Am Welt-Umwelttag appelliere ich an alle – von Kigali bis Canberra, von Kuala Lumpur bis Quito - mit uns die Alarmglocke zu läuten. Mitmachen, sich Gehör verschaffen. Lernen und lehren. Führung übernehmen und aufräumen helfen. Verbindung mit der Natur suchen, mit unserer Lebensader. Zusammen können wir eine neue Vision von Biodiversität entwickeln: Viele Arten. Ein Planet. Eine Zukunft.”

Die Tagung war eine Kooperation von "die umweltberatung", Büro der Vereinten Nationen in Wien (UNOV), Büro des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Wien (UNEP) sowie dem Informationsdienst der Vereinten Nationen (UNIS) in Wien. Moderiert wurde die Veranstaltung von Maga. Corinna Milborn.

Das Symposium in Wien gilt als Auftaktveranstaltung zum Welt-Umwelttag 2010 in Europa. Neben vielen anderen Events zum Welt-Umwelttag werden in den nächsten zwei Wochen größere öffentliche Veranstaltungen in Baku (Aserbaidschan), Genua (Italien) und Genf (Schweiz) stattfinden.

Nähere Informationen auf www.umwelttag.at und auf http://www.unep.org/wed/2010/english/.

Interessante Diskussionsforen am Nachmittag

Nach den Vorträgen am Vormittag war bei Diskussionsforen am Nachmittag auch die Meinung der TeilnehmerInnen gefragt: Wissenschaftliche Einstiegs- und darauf folgende Praxisreferate bildeten den Impuls zu den Workshops. Mögliche Lösungsansätze, die (Förderung der) Biodiversität in den Alltag zu integrieren, wurden präsentiert und die TeilnehmerInnen konnten mit den Experten/innen über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung diskutieren.

Im Workshop ‘Biodiversität und Wirtschaft’ wies Edgar Endrukaitis, Koordinator der Business & Biodiversity Initiative darauf hin, dass 60% der Ökosysteme weltweit gefährdet, 21% aller Säugetiere und 30% aller Amphibien vom Aussterben bedroht sind. Er betonte die vielen ‘selbstverständlichen’ Dienstleistungen der Natur: Der Wert der Bienen mit ihren Dienstleistungen zur Honigproduktion, Zier- und Nutzpflanzenbestäubung wird allein in den USA auf 150 Milliarden US-$ jährlich geschätzt. Schwer vorstellbar, wie teuer das globale Bienensterben (85% in den USA, 30% in der Schweiz oder in Japan) der Gesellschaft kommen wird!
Florian Nehm von der Axel Springer AG berichtete, dass der Konzern rund 350.000 Rollen Recyclingpapier von 50 verschiedenen Papierfabriken in 15 Staaten verwendet. Die Rücksicht auf Herkunft der Papiere und Forcierung der Wiederverwertung bzw. die stärkere Einbindung der Stakeholder seien weiterhin Ziele des Unternehmens.

‘Biodiversität und Raumplanung’ war Thema des Workshops mit Marianne Darbi vom Leibniz Institut für ökologische Raumplanung und Urlicht Walz vom Institut für ökologische Raumentwicklung. Sie betonten die Wichtigkeit der Vielfalt der Landschaftstypen und Lebensräume: Nur dadurch können die vielen unterschiedlichen Pflanzen und Tiere den für sie notwendigen Lebensraum finden, in der Raumplanung muss ‘hot spots’ der Artenvielfalt und Biotopverbundkorridoren genügend Platz eingeräumt werden, um das Überleben der Arten zu gewährleisten. Der Mensch profitiert durch attraktive Erholungs- und Nutzungsräume.

Mit der Bedeutung der Biodiversität für den Tourismus beschäftigten sich Ruth Moser vom Biosphärenpark Großes Walsertal und Prof. Michael Getzner vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Uni Klagenfurt. Natur- und kulturverträglicher Tourismus muss keine Bedrohung dafür sein, sondern schafft Bewusstsein für den Wert dieser Ressourcen und kann nachhaltige Wirtschaftsformen bzw. Arbeitsplätze schaffen. Manche Arten dienen dabei als ‘Zugpferd’ für einen Lebensraum oder eine Region: Der Steinbock zB. ist für viele ein Sinnbild für alpines Gelände, das unauffällige Steinhuhn gilt in der Öffentlichkeit als weit weniger ‘sympathisch’. Diese Zusammenhänge zu kennen und sinnvoll zu nutzen, ist Herausforderung und Chance gleichzeitig.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /