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Marchfeld-Schnellstraße S8: Umweltverträglichere Alternativen werden ignoriert

Autobahnprojekt gefährdet Nationalpark March-Thaya-Auen

Wien/St. Pölten (OTS) - Als staatlich verordnete und sinnlose Geldvernichtung bezeichnet der WWF die geplante Marchfeld-Schnellstraße S8. Die neue Straße, die insgesamt 34 Kilometer lang ist, soll Wien mit Bratislava verbinden und würde rund
600 Millionen Euro kosten. Trotz einer negativen Rentabilität von 415 Millionen Euro und der schon bestehenden Autobahnverbindung (A6) in nur 20 Kilometer Entfernung hält Bundesministerin Doris Bures am Straßenbau fest. Kostengünstigere und umweltverträglichere Alternativen wie Umfahrungen oder der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln werden weitgehend ignoriert. "Die S8 würde wie ein
Messer durch die wertvollen Natura-2000-Gebiete schneiden und einen zukünftigen Nationalpark March-Thaya-Auen gefährden. Wir erwarten uns hier einen verantwortungsvolleren Umgang von Verkehrsministerin Doris Bures mit Österreichs östlichstem Naturschatz und wünschen uns den starken Einspruch von Umweltminister Niki Berlakovich gegen das Projekt", so Gerhard Egger, Naturschutzexperte des WWF.

"Bereits 2011 soll der Spatenstich zur neuen S8-Marchfeld-Schnellstraße erfolgen. Angesichts des horrenden Schuldenbergs der ASFINAG und der allgemeinen Budgetsituation, stellt man sich als Steuerzahler die Frage, warum ein solch überdimensioniertes und teures Projekt überhaupt zur Einreichung kommen kann", wundert sich Egger. Nicht nur gilt die S8 als eine der unrentabelsten Autobahnen Österreichs, sondern es existiert bereits eine Autobahnverbindung Wien-Bratislava in nur 20 Kilometer Entfernung. Und würde man kostengünstigere Varianten nehmen wie Ortsumfahrungen oder den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, könnte man mit der veranschlagten Summe die Region besser fördern und tatsächlich zu einer Verkehrsentlastung der Gemeinden beitragen.

Nicht nur finanziell ist die S8 ein Reinfall. Auch in ihren Auswirkungen auf den Klima- und Naturschutz zieht die Schnellstraße eine negative Bilanz. Die strategische Umweltprüfung ergab, dass die Schnellstraße insgesamt zusätzlichen Verkehr in die Region bringt und die Ortsdurchfahrten nicht effizient entlasten kann. "Anstatt den Verkehr zur Erreichung der Kyoto-Klimaziele Österreichs zu bremsen wird hier buchstäblich noch mehr Öl ins Klimafeuer gegossen", warnt Egger.

Nicht nur die geplante Straße allein, auch die damit verbundene Infrastruktur wie Straßenanschlussstellen und Raststätten würden die Region der March-Thaya-Auen beeinträchtigen. Durch das Straßenprojekt betroffen wäre die Vielfalt des Lebens von mehr als 500 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Die March-Thaya-Auen und ihre unmittelbare Umgebung sind ein Hort der biologischen Vielfalt von europäischer
Bedeutung. ""Wir dürfen nicht zulassen, dass aus kurzsichtigen politischen Gründen Projekte umgesetzt werden, die Österreich viel Geld kosten und kaum einen Mehrwert bringen. Vielmehr sollten die vorliegenden umweltfreundlichen Verkehrskonzepte als Alternative zur Schnellstraße ernsthaft erwogen werden", fordert Egger. Der WWF
schlägt insbesondere die Schaffung eines Nationalparks oder Biosphärenparks in den March-Thaya-Auen als nachhaltige Entwicklungsoption für die Region vor.

BürgerInitiative Marchfeld: Es fehlt an Durchblick

Die BürgerInitiative Marchfeld (BIM) meint, es fehle vielen Regionalpolitikern an Durchblick: ‘Weder ist nachvollziehbar, dass zwei Autobahnstücke wie die S8 und die S1 in die sie einmünden soll, alle Gemeinden im Marchfeld flächenhaft entlasten. Und es braucht schon viel Wunschdenken um zu erwarten, dass, nur um mit untauglichen Mitteln Ortsgebiete zu entlasten, die dafür ressortmäßig gar nicht zuständige Verkehrsministerin mindestens 2,3 Milliarden Euro in die Hand nehmen wird,’ Wolfgang Rehm von der BIM. Soviel würden nämlich der S1-Abschnitt zwischen Schwechat und Süßenbrunn sowie die S8 offiziell kosten. Nach bisherigen Erfahrungswerten mit anderen Vorhaben und den unvermeidlichen Kostensteigerungen wäre allerdings mit deutlich höherem Aufwand von gesamt etwa 3,6 Milliarden zu rechnen. Rehm weiter: ‘In Zeiten von Wirtschaftskrisen und Schuldenbekämpfung muß es natürlich andere Prioritäten geben als verkehrswissenschaftlich nicht begründete Wünsche, die eine leider schlecht beratene Landesregierung politisch ins Bundesstraßengesetz geboxt hat.’

Sauer stößt der BIM auch auf, dass so getan wird, als würde das Marchfeld geschlossen dahinterstehen. ‘De facto sind das nur die in der MAREV- Organisation tonangebenden Zampanos unter den Bürgermeistern, die den Eindruck erwecken, alle Gemeindevertreter oder überhaupt das ganze Marchfeld stünden hinter ihnen. So wird die Bevölkerung in Geiselhaft genommen. Deren Zustimmung wird nun einfach hineinreklamiert, und dabei wurde in der Vergangenheit alles versucht, um sie von jeder Information fern- und damit unwissend zu halten,’ kritisiert Rehm scharf und setzt nach: ‘Bisher haben diese ferngesteuert wirkenden Herren alles nur schlimmer gemacht. In wichtigen Verkehrsfragen gab es jahrelange Untätigkeit und Lähmung, weil Prestigeprojekte alles zugedeckt haben..’

Die BIM hat seit ihrer Gründung im Jahr 2002 immer wieder auf die Faktenlage aufmerksam gemacht. Die meisten der Vorhersagen (etwa zu den Zeitplänen) seien auch eingetroffen. Mit einer Vorfinanzierungsvereinbarung mit dem Land für die Marchfeldautobahn sollte 2007/2008 der Anschein einer Beschleunigung erweckt werden. Davon kann keine Rede mehr sein, schon seit 2009, also bevor das Autobahnprogramm wegen Finanzproblemen erneut zur Diskussion gestellt wurde, herrscht bei der S8 und wegen der gegenseitigen Abhängigkeit genauso wichtig, bei der S1- Lobauautobahn, Stillstand. Die Umweltverträglichkeitsprüfung für die S1 stehe nicht, wie von manchen behauptet, kurz vor dem Ende, sondern habe noch nicht einmal begonnen. Bei der S8 ist noch nicht einmal eine Einreichung erfolgt.

In den Jahren 2004/2005 wurden mit Landesmitteln von mehr als 600.000 Euro umfangreiche Grundlagenuntersuchungen im sogenannten Marchfeldteam vorgenommen. Diese ergaben, wie die mitwirkende BIM betont, ein sehr eindeutiges Bild und ermittelten eine Kombination aus Umfahrungslösungen und Maßnahmen beim öffentlichen Verkehr als ausgewogensten Planfall , der auch die stärksten Verkehrsentlastungswirkungen erzielte. Gemeindevertreter hatten zwar 4 Personen ins Marchfeldteam hineinreklamiert, diese sind laut BIM dort aber im wesentlichen dadurch aufgefallen, dass sie sich, wenn sie nicht überhaupt durch Abwesenheit geglänzt haben, nicht an der Fachdiskussion beteiligten.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /