DER STANDARD-Kommentar "Klimawende für die Zeit nach Bush" von Eric Frey

Der Kompromiss von Bali hat einen Kurswechsel der USA bereits vorweggenommen

Es war zu erwarten, dass europäische Politiker und Kommentatoren das Ergebnis von Bali als faulen Kompromiss und Rückschlag für den Klimaschutz abkanzeln würden. Tatsächlich wurde in Bali weniger beschlossen als von den EU-Staaten gefordert, vor allem keine Verpflichtung auf konkrete Ziele für die Reduktion der Treibhausgase.

Für all jene, die überzeugt sind, dass die Erde in kurzer Zeit auf einen Klimakollaps zusteuert, war Bali sicher ein Debakel. Aber wenn die schlimmsten Prognosen tatsächlich zutreffen, dann ist auch alles, was Europa tut, viel zu wenig, dann hätte selbst ein besseres Ergebnis aus Bali die Welt nicht retten können. Geht man - wie viele andere Forscher - von einem etwas weniger dramatischen Szenario aus, dann hat der Klimagipfel hingegen deutliche Fortschritte gebracht. Erstmals haben sich Japan und Russland zu einer dramatischen Reduktion der CO2-Emissionen verpflichtet. Die Verantwortung der großen Schwellenländer wurde genauer definiert, und nach der Kehrtwende in Australien, wo die neue Linksregierung dem Kioto-Protokoll beigetreten ist, besteht die Ablehnungsfront unter den Industriestaaten nur noch aus den USA_und Kanada. Und gerade bei den USA hat Bali den schleichenden Sinneswandel deutlich gemacht. Zwar erwies sich die amerikanische Chefverhandlerin Paula Dobriansky als Hauptblockiererin und zwang die Konferenz in eine Verlängerung.

Aber ihre überraschende Zustimmung zu einem Kompromissergebnis in letzter Minute eröffnet nun die Chance, dass innerhalb von zwei Jahren ein ernsthaftes Klimaschutzabkommen zustande kommt, an dem - anders als am Kioto-Protokoll - alle großen Staaten beteiligt sind. Zwar werden die USA_zunächst über das Kioto-Nachfolgeabkommen nicht mitverhandeln. In der entscheidenden Phase aber wird George W. Bush nicht mehr Präsident sein. Sollte im Jänner 2009 ein Demokrat ins Weiße Haus einziehen, dann könnten sich die USA_sehr schnell den Verhandlungen über konkrete Treibhausgasreduktionen anschließen. Selbst die führenden republikanischen Kandidaten sind in dieser Frage nicht so stur wie Bush. Die öffentliche Meinung in den USA_fordert lautstark einen Kurswechsel: Die Mehrheit der Amerikaner, bedeutende Unternehmen und wichtige Bundesstaaten wie Kalifornien unterstützen eine Klimapolitik nach europäischem Muster. Die nachträgliche Distanzierung des Weißen Hauses vom Bali-Ergebnis spielt hier keine Rolle: Der Fahrplan ist entschieden, der Zug rollt, und es stellt sich nur noch die Frage, wer auf ihn aufspringt. Mit ihrer Sorge über den geringen Beitrag der Entwicklungsländer zum Klimaschutz haben die Amerikaner einen wunden Punkt aller Verhandlungen angesprochen, für den sie allerdings mitverantwortlich sind. Es stimmt, dass China und Indien mehr gegen den Anstieg ihrer CO2-Emissionen unternehmen müssen und Maßnahmen nicht auf den fernen Tag verschieben dürfen, an dem sie sich westlichen Lebensstandards angenähert haben. Eine solche Vorgangsweise wäre für alle fatal, und am meisten für die armen Länder. Aber der Süden wird den Klimaschutz erst dann ernst nehmen, wenn die größeren Klimasünder im Norden mit gutem Beispiel vorangehen. Eine US-Regierung, die dem Energieverbrauch zuhause entschlossen entgegentritt, hätte ganz andere Möglichkeiten auf China und Indien einzuwirken als die Bush-Partie. Gewonnen haben diese Länder in Bali die Aussicht auf finanzielle Hilfe beim Klimaschutz. Diese kann etwa von Österreich kommen, wenn es wie erwartet sein Kioto-Ziel verfehlt und dann Bußgelder in internationale Töpfe einzahlen muss. Der kleine Schritt von Bali könnte sich so als Wegbereiter für größere Schritte ab 2010 erweisen - vor allem dann, wenn die Forschung mit Alarmmeldungen weiterhin Weltöffentlichkeit und Politik sensibilisiert. Doch gerade in diesem Fall ist zu befürchten, dass das Schneckentempo der Diplomatie mit dem Klimawandel nicht Schritt halten kann.

Rückfragehinweis: Der Standard

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OTS0070 2007-12-16/18:05



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /