© Peter Korrak
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Parlament: Opposition drängt auf Klimaschutzmaßnahmen in Österreich

Bericht aus dem Umweltausschuss des österreichischen Parlaments

Wien - Eine allgemeine Aussprache über die Ergebnisse der jüngsten Weltklimakonferenz im mexikanischen Cancun am Beginn des letzten Umweltausschusses gab Umweltminister Nikolaus Berlakovich Gelegenheit, den Abgeordneten von den Verhandlungen unter dem umsichtigen Vorsitz des Gastlandes und über die - aus seiner Sicht - positiven Ergebnisse des Klimagipfels zu berichten. Mit dem "Cancun Agreement" über die Grundsätze für ein umfassendes Klimaabkommen, das 2011 in Südafrika beschlossen werden soll, kam die Staatengemeinschaft überein, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen und die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 substanziell zu verringern. Zur
Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern soll ein "Green Climate Fund" eingerichtet werden, der ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden Dollar aus öffentlichen Geldern und privaten Quellen dotiert werden soll.

Die Entwicklungsländer wurden in Cancun aufgefordert, CO2-Emissionen durch Entwaldung und Waldzerstörung zu verringern. Die Mitglieder des Kyoto-Protokolls, das Emissionsreduktionspflichten nur für Industriestaaten ohne die USA vorsieht, bekräftigten, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 25 % bis 40 % unter den Stand von
1990 zu senken.

Die Europäische Union sei nach den enttäuschenden Ergebnissen der Klimaschutzkonferenz von Kopenhagen mit dem Ziel in die Verhandlungen von Cancun gegangen, ein völkerrechtlich verbindliches Klimaschutzabkommen für die Zeit nach dem Kyoto-Abkommen zu erreichen. Realistischerweise habe man aber nicht mehr als Teilerfolge in einzelnen Bereichen erwarten können. Trotz der zunächst "bremsenden Haltung" Japans gegen Verpflichtungen über 2013 hinaus und des Widerstands Kanadas, Russlands und Brasiliens sowie der arabischen Länder, die finanzielle Kompensation für den Fall verlangt haben, dass sich Klimaschutzmaßnahmen negativ auf ihre Ölgeschäfte auswirkten, sei es dank der ausgezeichneten Vorsitzführung der mexikanischen Präsidentschaft gelungen, ein positives Ergebnis zu erreichen.

Vertrauensbildend habe sich die Erneuerung von Finanzierungszusagen der EU für die Entwicklungsländern ausgewirkt. So konnte eine Einigung auf jene Texte erzielt
werden, die die sehr transparent vorgehende mexikanische Präsidentschaft in einer nächtlichen Verhandlung vorlegte, nur Bolivien habe seine ablehnende Haltung bis zuletzt aufrechterhalten.

Vereinbart wurde, über eine Kyoto-Nachfolgeregelung zu verhandeln, die bestehenden freiwilligen Reduktionsverpflichtungen aufrechtzuerhalten und
Emissionsreduktionen auch in den Entwicklungsländern zu kontrollieren. Dazu kommen Konzepte für eine rasche Finanzierung und für einen langfristigen Green Climate Fund sowie Vereinbarungen zum Schutz des tropischen Regenwaldes. Wälder werden als CO2-Senken anerkannt, ohne dass dies Nachteile für Länder wie Österreich, Schweden und Finnland mit sich bringe, die schon seit Jahrhunderten eine nachhaltige Forstwirtschaft betreiben, hielt Berlakovich fest. Atomkraftwerke werden nicht in das CDM-Programm aufgenommen, versicherte der Minister. Das
Ergebnis der Konferenz gebe insofern Hoffnung, weil der Weltklimaschutzprozess unter Teilnahme der großen Player USA, China und Indien weitergehe, sagte Umweltminister Nikolaus Berlakovich.

Diese Einschätzung teilte auch Abgeordnete Petra Bayr (S), obgleich materiell in Cancun nicht viel erreicht werden konnte. Alle Hoffnung richte sich nun auf den Weltklimagipfel in Südafrika Ende 2011. Problematisch sei aber, dass für die Implementierung der allfälligen Ergebnisse dieser Konferenz im Jahr 2012 nur noch ein Jahr Zeit bis zum Ende des Kyoto-Prozesses bleibe. Bayr begrüßte die Einrichtung eines Green Climate Funds und erkundigte sich nach der Budgetierung des österreichischen Beitrags zugunsten von Klimaschutzinvestitionen der
Entwicklungsländer.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) problematisierte die Aufnahme von CO2-Lagerungskonzepten in das Agreement von Cancun, begrüßte das neue Vertrauensverhältnis zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern beim Klimaschutz, zeigte sich aber ebenfalls skeptisch, dass es gelingen werde, noch rechtzeitig zu einem verbindlichen Klimaschutzabkommen zu gelangen, das es ermögliche, die CO2-Emissionen ab 2015 zu senken - laut Experten sei dies der
letzte Termin, um den Klimawandel noch einzugrenzen. Abgeordnete Brunner drängte daher auf Maßnahmen in Österreich, um von der Position des Klimaschutznachzüglers in die Position eines Klimaschutzvorreiters zu kommen.

Abgeordneter Robert Lugar (B) präsentierte aktuelle Daten, aus denen hervorging, dass jeder Österreicher 8,27 Tonnen CO2 pro Jahr emittiere, jeder Chinese aber nur 2,6 Tonnen und jeder Inder gar nur 1,1 Tonnen CO2 pro Jahr. In der Schweiz betragen die durchschnittlichen CO2 Emissionen pro Einwohner 5,5 Tonnen. Als
klimaverträglichen Wert nennen Experten laut Lugar 3 Tonnen pro Jahr. Österreich habe allen Anlass, seine Klimaschutz-Hausaufgaben zu erledigen, statt sich auf andere Länder hinaus zu reden, sagte der Abgeordnete und verlangte konkrete Maßnahmen, wie eine Normverbrauchsabgabe für Elektrogeräte, Vorgaben für den
Verbundkonzern und den Verzicht auf neue Gasleitungen. Denn es sei ein Widerspruch, von Energieautarkie zu reden, aber gleichzeitig Investitionen zu finanzieren, die auf einen höheren Verbrauch an fossilen Brennstoffen hinauslaufen. Fortschritte bei der E-Mobilität fänden nicht statt, weil die Akkus zu teuer sind
und zu wenige Ladestationen zur Verfügung stehen, meinte Lugar und schlug vor, ein europäisches Wechselakkusystem einzuführen, um Elektrofahrzeuge rasch neu laden zu können und so die noch mangelnde Reichweite zu erhöhen.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) sprach die Befürchtung aus, effektiver Klimaschutz werde erst dann möglich sein, wenn der Ölpreis steigt. Das öffentliche Engagement bei der thermischen Sanierung sei viel zu zögerlich, kritisierte Moser und wies
darauf hin, dass die Sanierungsquote bei den Gebäuden nur 1 % betrage. Außerdem vermisste Moser Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Verkehrssektor.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) lobte hingegen das internationale Engagement von Bundesminister Berlakovich für den Klimaschutz und begrüßte es ausdrücklich, dass die Europäische Union neuerdings beim Thema Klimaschutz mit einer Stimme spreche. Die Entwicklungsländer müssten, so Schultes, ein starkes Interesse haben, die Nachfrage nach Erdöl zu begrenzen, um steigende Ölpreise zu verhindern, die ihnen wirtschaftlich schaden, meinte der Abgeordnete.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sah im Klimaschutz ein wichtiges Element guter Wirtschaftspolitik und nannte das Bundesland Oberösterreich als ein Vorbild, weil es dort gelinge, Wirtschaftswachstum mit sinkendem Energieverbrauch zu
kombinieren. Die Förderung der E-Mobilität sei nur sinnvoll, wenn es gelinge, den dafür benötigten elektrischen Strom aus erneuerbaren Quellen zu produzieren, hielt Pirklhuber fest und wandte sich entschieden gegen die Förderung von Erdgasimporten. Der Abgeordnete problematisierte die Produktion von Agrotreibstoffen und forderte für die einheitliche Bewertung der Ressourceneffizienz das Kriterium des "ökologischen Fußabdrucks" einzuführen.

Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) unterstrich die Bedeutung von Erdgas in der Industrieproduktion und hielt fest, dass eine sichere Gasversorgung ein wichtiges Element einer realistischen Wirtschaftspolitik sei.

Abgeordneter Franz Hörl (V) unterstrich die hervorragende internationale Position Österreichs beim Einsatz erneuerbarer Energieträger und machte darauf aufmerksam, dass die besten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bei der CO2 Bilanz nicht viel schlechter liegen, als Elektrofahrzeuge.

Abgeordneter Harald Jannach (F) erkundigte sich ebenfalls nach konkreten Maßnahmen, mit denen der Umweltminister die österreichischen Kyoto-Ziele noch erreichen wolle.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich betonte, ein Scheitern des Klimagipfels in Cancun hätte ein Ende der internationalen Bemühungen um ein Klimaschutzabkommen bedeutet. Alle Länder bekennen sich zur Einrichtung eines Green Climate Funds, wie, wann und wofür er eingerichtet werden solle, sei aber noch Gegenstand von Verhandlungen. Vereinbart wurde allerdings, dass er ab 2020 mit 100 Mrd. US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen dotiert werden soll. Die Mittel für rasche Unterstützungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern im Umfang von 120 Mio. Euro werden im Budget des Finanzressorts budgetiert; für 2010 laute der Betrag 40 Mio. Euro, teilte der Minister mit.

Österreich beteilige sich nicht an CO2-Lagerungsprojekten. Grundsätzlich wandte sich der Minister dagegen, den europäischen und den österreichischen Weg in der Klimapolitik schlecht zu reden und wies darauf hin, dass die neuen Ökosteuern es erlauben werden, die thermische Gebäudesanierung in Richtung Sanierungsquote von 3 % zu steigern. In seinen weiteren Ausführungen unterstrich der Umweltminister sein Engagement zur Förderung der E-Mobilität und für Projekte, die Österreich auf
dem Weg zum Ziel der Energieautarkie weiterbringen, sei es die Förderung Energieautarker Regionen, die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energieträger oder bewusstseinsbildende Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Er sei nie für eine globale Produktion von Agrotreibstoffen eingetreten, sagte Berlakovich und unterstrich sein Eintreten für ein Zertifizierungssystem hervor, das auf die Nachhaltigkeit bei der Produktion von Agrotreibstoffen gerichtet ist.

Nach der Debatte über die Ergebnisse der Weltklimakonferenz wandte sich der Umweltausschuss dem Thema Abfallwirtschaft zu und machte nach mehrstündigen Verhandlungen einen Entwurf der Bundesregierung für eine Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2010 plenumsreif. Umgesetzt wird eine aktuelle EU-Abfallrahmenrichtlinie zur Abfallvermeidung im Sinne der neuen fünfstufigen Abfallhierarchie (Vermeidung - Vorbereitung zur Wiederverwertung - Recycling - sonstige Verwertung - Beseitigung) im europäischen Abfallregime. Bei grenzüberschreitenden Abfalltransporten wird der Schienenweg vorgeschrieben und im Genehmigungsverfahren der elektronische Akt eingeführt. Fortschritte in der Toxikologie ziehen neue Kriterien bei der Beurteilung gefährlicher Abfälle nach sich. Zusätzlich verabschiedete der Ausschuss auf Antrag der Abgeordneten Hermann
Schultes (V) und Petra Bayr (S) mit S-V-Mehrheit eine Entschließung für den verstärkten Einsatz von Mehrwegverpackungen sowie zur Einschränkung der Abfallbeseitigung im öffentlichen Raum. Anträge der Grünen und der FPÖ zur Förderung von Mehrwegverpackungen (142/A(E), (1212/A[E], 207/A(E)) wurden auf
Antrag der Abgeordneten Bayr vertagt. Bayr lud die Opposition zu Verhandlungen über eine gemeinsame Initiative zugunsten von Mehrwegverpackungssystemen ein. Mehrheitlich abgelehnt wurden Entschließungsanträge der FPÖ für eine Meldepflicht bei der Lagerung oder Verarbeitung gefährlicher Abfälle (216/A(E)) und auf eine stärkere Kontrolle von Abfallsammlern- und -behandlern (1045/A(E)). Nicht durchsetzen konnten sich auch die Grünen mit ihrem Verlangen nach einer Bedarfsprüfung bei Müllverbrennungsanlagen (1211/A(E)).

Abgeordneter Hermann Schultes (V) begrüßte die Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle, mit der EU-Standards umgesetzt werden, der IT-Einsatz in der Verwaltung forciert und insgesamt ein gutes Zwischenergebnis für die Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft erreicht werde. Schultes bekannte sich zur Aufforderung an die Sozialpartner, über eine umweltfreundliche Lösung für Mehrwegverpackungen bei Getränken nachzudenken und hielt es für notwendig, Maßnahmen gegen die Deponierung von Müll entlang der Landstraßen zu ergreifen.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) beurteilte die Novelle weder aus ökologischer noch aus sozialer Sicht für ausreichend und hielt es für dringend notwendig, dem Prinzip der Abfallvermeidung Rechnung zu tragen, indem man die Rahmenbedingungen für Mehrweg- und Pfandsysteme bei Getränkeverpackungen deutlich verbessert. In
diesem Zusammenhang kritisierte die Abgeordnete die Errichtung überdimensionierter Müllverbrennungsanlagen, deren Brennstoffbedarf Mülltransporte per LKW aus Süditalien nach Österreich nach sich ziehe.

Abgeordneter Robert Lugar (B) wies darauf hin, dass hochwertige und wiederverwertbare PET-Flaschen gegenüber billigen Einwegflaschen auch gesundheitliche Vorteile haben, weil sie keine Weichmacher enthalten. Mehrweggebinden sei aus vielen Gründen der Vorzug zu geben, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Entsorgung von Einweggebinden der Gemeinschaft hohe Kosten
verursache.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) begründete die Ablehnung der vorliegenden AWG-Novelle mit dem Argument, diese Novelle erleichtere den Import von Abfällen.

Auch Abgeordnete Christiane Brunner (G) ging die Novelle zu wenig weit und kritisierte den Verzicht auf bessere Bedingungen für Mehrwegsysteme bei Getränkeverpackungen. Brunner kritisierte ebenfalls den Bau großer Müllverbrennungsanlagen, weil diese einen Zwang zur Produktion von Müll mit sich bringen. Müllverbrennung sei keine sinnvolle Verwertung von Altstoffen,
hielt die Abgeordnete fest.

Auch Abgeordnete Petra Bayr (S) wies darauf hin, dass nicht alle ein Interesse an der Müllvermeidung haben, was die öffentliche Hand dazu veranlassen sollte, reglementierend einzugreifen und dafür zu sorgen, dass der Konsument die Möglichkeit habe, Getränke in Mehrwegflaschen zu kaufen. Dies sei ökologisch und
wirtschaftlich sinnvoll und schaffe Arbeitsplätze. Abgeordnete Bayr sprach sich daher dafür aus, die Oppositionsanträge, die der Förderung von Mehrweggebinden gelten, zu vertagen und Verhandlungen über einen Fünf-Parteienantrag zu diesem Thema zu führen.

Abgeordneter Peter Mayr (V) hielt den FPÖ-Antrag für eine Meldepflicht bei der Lagerung gefährlicher Abfälle für nicht notwendig, weil eine solche Meldung bereits jetzt gesetzlich geregelt sei. Auch die Kontrolle von Abfallbehandlern sei im
Abfallwirtschaftsgesetz ausreichend geregelt.

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (S) plädierte dafür, den Anreiz für Konsumenten zu erhöhen, Produkte mit umweltfreundlicher Verpackung zu kaufen.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich informierte die Abgeordneten über das enorm hohe Niveau der österreichischen Abfallwirtschaft. Österreich liege mit einer Recyclingquote von 60% an der Weltspitze und ersetze fossile Brennstoffe in den Städten zunehmend durch energetische Nutzung von Restmüll in Fernwärmeanlagen. Die Wiederverwertung von Altstoffen werde immer weiter ausgebaut, sagte Berlakovich und wies auf das auch technologisch hervorragende Niveau der österreichischen Abfallwirtschaft hin. Die Behauptung, der Müllimport werde durch die vorliegende AWD-Novelle erleichtert, wies der Minister
entschieden zurück.


Quelle: Aussendung der Parlamentskorrespondenz


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /