Brasilien im Fokus: Interview mit Bischof Erwin Kräutler

Brasilien ist heuer Schwerpunktland der Sternsingeraktion-

Der aus Österreich stammende Bischof der Diözese Xingu (in Amazonien), Dom Erwin Kräutler, ist Präsident von CIMI, dem Indianermissionsrat der Brasilianischen iBischofskonferenz. CIMI ist seit vielen Jahren eine Partnerorganisation der Dreikönigsaktion.

Brasilien gestern und heute - wie kam es, dass Braslien Unterstützung braucht?

Brasilien war einst die Heimat zahlreicher indigener Gemeinschaften, die ihre Mutter Erde respektierten und ihre natürlichen Reichtümer verantwortungsvoll nutzten. Als die Portugiesen vor über 500 Jahren ihren Fuß auf dieses Land setzten, begann für die Indios eine Geschichte voll Leid und Tod. ‘Ein guter Indio ist nur ein toter Indio’ hieß es, oder ‘Matar índio não traz cadeia" - ‘Einen Indio zu ermorden, bringt keine Haft’. Die Flüsse in Amazonien müssten blutrot sein, so viele Indios wurden unschuldig getötet, um sich ihr Land anzueignen, ihre Wälder zu plündern und ihre Bodenschätze auszubeuten. Um die an den Rand gedrängten Menschen von Armut und Elend zu befreien, brauchen sie materielle wie ideelle Unterstützung.

Wie unterstützt die Katholische Kirche die Anliegen der Indios?

Wenn das physische und kulturelle Überleben dieser Völker in Gefahr ist, dann können und dürfen wir als Kirche nicht schweigen und untätig bleiben. Mit den indigenen Gemeinschaften bemühen wir uns seit Jahrzehnten um die Anerkennung und Durchsetzung ihrer Rechte. Das brennendste Problem ist nach wie vor die unzulängliche Landregelung, die häufig der Grund für Konflikte und Gewalt ist. Fehlendes Land gefährdet auch die Versorgung der Gemeinschaften. Mangelernährung, Hunger und übermäßige Krankheitsanfälligkeit sind die Folge.

Wie sieht es mit den indigenen Kulturen und deren Religionen aus?

Wenn Politiker der Industrienationen angesichts des augenscheinlichen Klimawandels plötzlich in Panik geraten, haben sie zu lange die Warnungen der indigenen Völker überhört. Die Beziehung der Indios zu ihrem Land ist beispielhaft. Die Erde, die sie nährt, ist ihnen wie eine Mutter, die sie lieben. Als kostbares Gut wird es von Generation zu Generation vererbt und der Gedanke ist ihnen fremd, dass Land wie eine Ware gehandelt wird. Hier säen, pflanzen und ernten sie. Hier gehen sie auf die Jagd, zum Fischfang und zum Sammeln von Früchten. Hier teilen Jung und Alt ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Hier leben, lieben, feiern und sterben sie.

Für welche Perspektiven der Indios setzt sich CIMI ein?

Eine Zukunft haben die Indios nur, wenn ihre Verfassungsrechte respektiert werden, allen voran das Recht auf Land. Und diese Forderung unterstützen wir, was mit Anfeindungen verbunden ist, da Politiker, Großgrundbesitzer, Bergwerksgesellschaften, Holzunternehmen oder internationale Konzerne ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sehen. Weideflächen für das Vieh, Großplantagen mit Soja, Reis, Zuckerrohr und Eukalyptus sowie die Ausbeutung von Mineralstoffen und Hölzern bringen hohe Gewinne, die in den Augen der Mächtigen ein Garant für die Entwicklung des Landes sind. Ihrer Ansicht nach behindern die Indios diesen Fortschritt und sie lassen nichts unversucht, um die Indios und ihre Mitstreiter einzuschüchtern, mit Gewalt anzugreifen oder gar zu töten. Um ihren Einsatz endgültig zu stoppen, wurden Indios, indigene Vertreter und Missionare von CIMI ermordet.

Sie, Bischof Kräutler, werden ebenfalls bedroht. Wie gehen Sie damit um?

‘Man kann nicht Gott und dem Teufel gleichzeitig eine Kerze anzünden’, sagt ein brasilianisches Sprichwort. Angesichts der vielen Gefahren, die auf die Indios hereinbrechen, kann ich nicht schweigen und tatenlos bleiben. Ich muss Partei ergreifen und stelle mich damit gleichzeitig gegen die Interessen jener, die den Lebensraum der Indios in Amazonien und anderen Regionen des Landes skrupellos ausbeuten und zerstören. Mit dieser meiner Positionierung habe ich mir nicht überall Freunde gemacht. Im Rückblick bereue ich jedoch keine meiner Aussagen und Schritte. Ich habe immer darum gebetet, dass mir der liebe Gott die Gnade schenke, am rechten Ort, zur rechten Zeit das rechte Wort zu sagen.

Was bedeutet die Solidarität der österreichischen Sternsingerkinder für die Menschen in Brasilien?

Die Projekte der Dreikönigsaktion zielen vor allem auf strukturelle Veränderungen, um die Benachteiligten aus ungerechten Verstrickungen zu befreien, damit sie selbst Hand anlegen können, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Mein ganz besonderer Dank gilt den Kindern, die um das Fest Epiphanie von Haus zu Haus gehen und so manche Anstrengung auf sich nehmen. Sie verkünden die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes, die Herzen zum Teilen bewegt für das Überleben der Indios in Würde und Gerechtigkeit.

Das Interview führte Michaela Mörschbacher. Vielen Dank!

Brasilien als Schwerpunkt der „Hilfe unter gutem Stern“ 2008:

Sternsingerspenden für Brasilien: Überleben in Trockengebieten sichern!

Sertão im Nordosten Brasiliens. Dürre und ungerechte Landverteilung bedrohen das Leben der Bauernfamilien. Mangelerkrankungen, Arbeitslosigkeit und Abwanderung in die städtischen Slums sind die dramatischen Folgen.

Begleitet durch die Partnerorganisation der Dreikönigsaktion IRPAA passen die KleinbäuerInnen die Landwirtschaft sehr erfolgreich an das Trockenklima an. Trockenresistente Pflanzen, Regenwasser-Zisternen, Ziegen- und Schafzucht ermöglichen Selbstversorgung.

Die ‘Hilfe unter gutem Stern’ unterstützt speziell die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. So wird die Abwanderung in die städtischen Slums verhindert.

Sternsingerspenden für Brasilien: Rechte der Indios verteidigen!

Amazonas-Regenwald in Brasilien. Das Überleben der Indios Brasiliens ist bedroht. Holzkonzerne roden skrupellos den Regenwald, mit dramatischen Folgen auch für das Weltklima. Riesige Staudämme werden gebaut, Soja für den Export angebaut. Das Recht auf das eigene Land wird missachtet.

Bischof Erwin Kräutler, der aus Österreich stammende Vorsitzende von CIMI, der Indianerpastoral der Katholischen Kirche, setzt sich seit vielen Jahren für die Menschen und die Umwelt in der Amazonasregion ein. CIMI unterstützt die indigenen Gemeinschaften der Zuruahá- und Pirahã, den Regenwald als ihre Lebensgrundlage zu erhalten. Dies kann nur gelingen, wenn sie es schaffen:
• die Landrechte zu verteidigen
• ihre wirtschaftliche Selbstversorgung abzusichern
• die traditionellen Heilformen und überliefertes Wissen zu bewahren

Eine Zukunft in Freiheit und Selbstbestimmung für die Zuruahá und Pirahã - unterstützt durch die ‘Hilfe unter gutem Stern’!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /