Wiener Politik zur Ökostromnovelle

Wien fordert ökologische und soziale Ausgewogenheit

Massive Kritik an der geplanten Ökostromnovelle übten am Mittwoch Wiens Vizebürgermeisterin Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner und Umweltstadträtin Ulli Sima im Rahmen eines gemeinsamen Pressegesprächs. Die Novelle müsse sozial ausgewogen sein und auch aus ökologischer Sicht in wesentlichen Punkten noch abgeändert werden. Der derzeitige Vorschlag sei aus Sicht der Stadt Wien einfach nicht akzeptabel. "Wirkungsvoller Klimaschutz sieht anders aus. Das nun geplante Gesetz verkommt vielfach zur Landwirtschaftsförderung. Es fehlen außerdem Anreize zum Energiesparen durch eine entsprechende Dotierung für Energieeffizienzprogramme", so Sima. Brauner meint: "Es kann nicht so sein, dass gerade schwächere EinkommensbezieherInnen in Relation zu Ihrem Einkommen die höchsten Beiträge zur Förderung von Ökostrom aufbringen. Dem wird sich Wien entschieden entgegenstellen." Die Haushalte dürften nicht die Mehrbelastung aufgebürdet bekommen, während die Industrie nichts zum Ausbau des Ökostroms beitrage. Außerdem will Wien im Rahmen der Novellierung auch einen begleitenden Beschluss über ein Leitungsausbaugesetz für Nah- und Fernwärme.

Energiesparen: Energieeffizienzprogramme notwendig

Wesentliches Ziel der Klimastrategie des Bundes ist auch die Stabilisierung des Stromverbrauches durch mehr Energieeffizienz, daher sollten Anreize zum Energiesparen und eine entsprechende Dotierung für Energieeffizienzprogramme vorgesehen werden. Sima kritisiert, dass auch dieser Aspekt fehlt und legt in diesem Zusammenhang drei Punkte dar, die aus Sicht der Stadt Wien in Sachen Effizienz zentral sind:

o Stabilisierung des Stromverbrauches durch mehr Energieeffizienz

Da nicht nur die Errichtung von neuen Ökostromanlagen wichtig ist, sondern vor allem die Stabilisierung des weiterhin steigenden Stromverbrauches, wurde bereits in der Novelle 2006 eine Erweiterung der Ländermittel für Energieeffizienzprogramme vorgenommen. In einer neuen Novelle sollte laut Sima vor allem die Dotierung für Energieeffizienzprogramme deutlich erhöht werden. Wien hat dazu ein eigenes Energieeffizienzprogramm beschlossen (SEP), das mit entsprechender Verstärkung der Mittel rascher und umfassender umgesetzt werden könnte.

o Mehr Effizienz des Mitteleinsatzes

Aufgrund der beschränkten Mittel ist der Schwerpunkt der Finanzierung aus Sicht der Stadt Wien auf die wirkungsvolleren und günstigeren Potentiale zu legen. Der Schwerpunkt der Förderung imÖkostromgesetz ist - auch in Hinblick auf den stark steigenden Förderbedarf von Biogasanlagen - auf jene Technologien zu legen, die keine biogenen Brennstoffe brauchen. Vor allem die Nutzung von lebensmittelfähigen Einsatzstoffen (Mais und Weizen) ist kritisch zu hinterfragen. Zu forcieren ist daher die Geothermie, Windkraft und - wenn die Wirtschaftlichkeitsgrenze erreicht ist - auch die Photovoltaik.

o Bessere Nutzung von Holz durch Kraft-Wärme-Kopplung

Zu mehr Energieeffizienz gehört laut Sima auch, die Brennstoffausnutzung insbesondere für bestehende Biomassekraftwerke zu erhöhen, da der Holzmarkt zunehmend von Verknappung und damit Preissteigerung bei Holz gekennzeichnet ist. "Hier muss es in einer neuen Novelle gelingen, die Wärmeauskopplung so zu berücksichtigen, dass kein finanzieller Verlust gegenüber der bisher angewandten reinen Stromproduktion entsteht", stellt Sima klar. Man darf Anlagen, die so betrieben werden, dass der Brennstoff besser ausgenützt wird, nicht finanziell bestrafen, so wie es bisher der Fall ist.

Die Stadt Wien spricht sich zudem für die Definition strenger Kriterien in einem Ökostromgesetz hinsichtlich der Förderung bestehender Biogasanlagen aus. Demzufolge sei eine individuelle Prüfung aller Anträge notwendig, zugleich dürfen Unterstützungen nur als Zwischenlösung streng befristet für das Jahr 2008 gelten.

Industrie bevorzugt - Haushalte belastet

Brauner spricht sich strikt gegen eine überproportionale Mehrbelastung der Haushalte aus, während der Beitrag der Industrie gedeckelt wird.

"Gerade die Industrie hatte und hat erhebliche wirtschaftliche Vorteile durch die Liberalisierung des Strommarktes, während die Haushaltskunden kaum Preisvorteile lukrieren konnten", so Brauner. Zusätzlich erhält die Industrie auch schon jetzt Rückvergütungen aus der Energiesteuer, die ebenfalls den Haushaltskunden vorenthalten werden. Nicht zu vergessen sei hier auch, dass bereits in derÖkostromnovelle 2006 eine erhebliche Entlastung der Industrie durchgeführt wurde und es daher überhaupt keinen Anlass gibt, hier noch weitere Schritte zu setzen.

Im Gegensatz zu einer Deckelung bedürfe es der Festlegung eines angemessenen Beitrags der Industrie, nicht zuletzt deshalb, weil ein weiterer Ausbau von erneuerbaren Energieträgern erhebliche Investitionen und Innovationen auslöst, die vielen Industriebranchen nützen. Die Entwicklung von neuen Technologien kann von der Industrie gut genutzt werden, um entsprechende Exporterfolge zu erzielen.

Für die Stadt Wien ist im Rahmen der Debatte um die Novellierung der Ökostromnovelle auch zentral, gleichzeitig weitere Maßnahmenpakete vorzulegen, z. B. ein Leitungsausbaugesetz für Nah- und Fernwärmenetze, das auch Kälteleitungen umfassen sollte. Das Ziel sollte sein, dass Nah- und Fernwärmenetze um 5 % pro Jahr weiter ausgebaut werden. Die dafür notwendigen Investitionen der Branche belaufen sich auf rund 170 Mio. EUR. Bei einer Förderquote von 35 % wäre der Fördermittelbedarf mit 65 Mio. EUR pro Jahr abzuschätzen.

Ein derartiges Leitungsausbaugesetz würde CO2-Reduktionen im Ausmaß von 3,4 Mio. Tonnen CO2 auf 25 Jahre ermöglichen. Das ausgebaute Leitungsnetz ist Vorraussetzung für die hohe Effizienz von Kraftwerken - egal ob mit biogenen oder fossilen Brennstoffen befeuert - und kombiniert mit der direkten Biogaseinspeisung eine der wenigen Möglichkeiten, Biogasanlagen auch langfristig abzusichern.

Der Leitungsausbau liefert zugleich eine Grundlage für Fernkälteleitungen und führt damit zur Dämpfung des Stromverbrauchzuwachses, der sich u. a. durch den verstärkten Einsatz von Klimaanlagen ergibt. Die Kombination von Fernwärme und Fernkälte ermöglicht eine ganzjährige Effizienzsteigerung.

"In Sachen Ökostromgesetz muss nach dieser Novelle endlich Ruhe einkehren, die permanenten Debatten um Änderungen verunsichern Anlagenbetreiber enorm und sind für den Ausbau von alternativen Energien in Österreich mehr als kontraproduktiv", meinen Sima und Brauner.

VP-Walter ad Ökostrom: "Sima betreibt Klassenkampf gegen Landwirtschaft"

Kritik an den heutigen Äußerungen der Wiener Stadträtinnen Ulrike Sima und Renate Brauner übt der Landwirtschaftssprecher der ÖVP Wien, Stadtrat Norbert Walter: "Die Wiener SPÖ spricht zwar in Wahlreden gerne von Klimaschutz, machen will sie dafür nichts und kosten darf Klimaschutz offenbar auch nichts." Walter kritisiert speziell die Aussage Simas, dass das geplante Gesetz zur Landwirtschaftsförderung verkomme. "Es ist interessant, dass eine Umweltstadträtin anscheinend gegen die Landwirtschaft und damit gegen jene Menschen macht, die sie eigentlich vertreten sollte. Schließlich sollte sich Politik helfen, die Situation der Betroffenen zu verbessern - auch der Wiener Landwirtinnen und Landwirte, die einen großen Beitrag zum Erscheinungsbild unserer Stadt leisten." Walter betonte, dass mit dem Ökostromgesetz ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werde: "Um die ambitionierten Ziele der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz zu erreichen, sind dezentrale Energieversorgungseinrichtungen wichtig. Jammern über angeblich fehlende Anreize zum Energiesparen helfen hier nicht weiter. Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte Sima sich dafür einsetzen, dass die Stadt Wien in ihrem Einflussbereich endlich Maßnahmen zur ökologischen Energiegewinnung und zur Energieeffizienz setzt", so Walter. "Hier gäbe es gerade im Bereich der öffentlichen Gebäude jede Menge Handlungsbedarf - Stichwort thermische Sanierung. Außerdem fehlt nach wie vor ein Masterplan Energie für unsere Stadt."

Grüne Wien: SPÖ hat Ökostromgesetz mitzuverantworten

Als Chuzpe bezeichnet der Umweltsprecher der Grünen Wien, Rüdiger Maresch, die heutige Kritik der StadträtInnen Sima und Brauner an der Ökostromgesetz-Novelle. "Die SPÖ hat während der schwarz-blauen Regierungsperiode das Ökostromgesetz mitbeschlossen. Statt jetzt darüber zu jammern, wie schlecht die Novelle ist, sollten die beiden Stadträtinnen sich in ihrer Regierungsfraktion dafür einsetzen, dass das Gesetz an sich verbessert wird", so Maresch.

Maresch fordert eine grundlegende Änderung des Ökostromgesetzes nach dem Vorbild des deutschen EEG (Erneuerbare Energien Gesetz). Mit diesem Gesetz konnte die rot-grüne Bundesregierung substantielle Fortschritte bei der Ausweitung der erneuerbaren Energien erreichen. Deshalb braucht es unter anderem eine Abnahmegarantie für Ökostrom, faire Tarife, eine Verlängerung der Förderlaufzeiten auf 20 Jahre und die Konzentration auf Zukunftstechnologien und volkswirtschaftliche Effizienz. "Damit hätte Wien mehr Chancen, Klimaschutzziele zu erreichen", so Maresch.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /