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Neuerlicher Anschlag auf Umweltverträglichkeitsprüfung!

Umweltdachverband und Landesumweltanwälte schlagen Alarm - Verkehrsministerium will seine UVP-Bescheide jetzt selbst überprüfen!

Wien - Bis dato gab es in Österreich bei UVP-Verfahren über Autobahnen und Hochleistungs-Bahnstrecken keine Berufungsmöglichkeit, eine zweite unabhängige Instanz mit umfassenden Prüfungsrechten war nicht vorgesehen. Der VwGH hat deshalb vor Kurzem entschieden, dass es künftig auch punkto Autobahnen und Eisenbahnstrecken eine Berufungsmöglichkeit an den Umweltsenat geben soll, wie das seit 1995 bereits in allen anderen UVP-Verfahren der Fall ist. In zwei richtungsweisenden Erkenntnissen hinsichtlich der Angerschluchtbrücke und des Brenner Basistunnels stellte der VwGH fest, dass der Umweltsenat diese Funktion übernehmen solle, wies die Beschwerden in den Anlassfällen zurück und forderte die Verfahrensparteien auf, beim BMVIT eine Berufung an den Umweltsenat einzubringen.
Doch: «Verkehrsministerin Doris Bures will davon nichts wissen! Sie will den im Umweltministerium angesiedelten unabhängigen Umweltsenat - die einzige unabhängige Berufungsbehörde mit unabhängigen RichterInnen - umgehen. BM Bures will diese Prüfungskompetenz via Novelle des UVP-Gesetzes und ohne Begutachtungsverfahren einem so genannten Infrastruktursenat zuschanzen, einer neuen Berufungsbehörde, die in ihrem eigenen Ministerium angesiedelt sein soll. Bures will sich damit ein Kontrollgremium zur Überprüfung ihrer eigenen Bescheide im eigenen Haus schaffen, um UVP-Verfahren für milliardenschwere Infrastrukturprojekte, die die SteuerzahlerInnen finanzieren müssen, rasch durchzuwinken. Das ist ein Skandal und eines Rechtsstaates unwürdig. Geht dieser ungeheure Anschlag auf die Umweltverträglichkeit durch, was folgt als nächstes? Ein Energieausbausenat für den Bau von 380 KV-Leitungen und Großwasserkraftwerken?», sagt Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes.

Umweltauswirkungen von Infrastrukturvorhaben müssen von ExpertInnen geprüft werden
«Der wesentlichste Bestandteil und Aufwand eines UVP-Verfahrens ist die systematische Prüfung eines Vorhabens hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Umwelt. Dazu sind umfassende Untersuchungen und ExpertInnen-Gutachten erforderlich. Der VwGH kann in einem UVP-Verfahren eine Entscheidung erster Instanz nicht umfassend überprüfen, insbesondere nicht die Richtigkeit der gutachterlich festgestellten Umweltauswirkungen. Ein Infrastruktursenat, der weder unabhängig, noch auf die Umweltauswirkungen fokussiert ist, kann dieser Aufgabe nicht gerecht werden», erklärt Norbert Hörmayer von der Wiener Umweltanwaltschaft.

Änderung der Rechtslage europarechtlich geboten


«Faktum ist, dass die österreichische Rechtsordnung in den genannten Fällen dem übergeordneten EU-Recht widerspricht. Der Bundesgesetzgeber ist daher aufgefordert, eine wirksame und effektive Lösung zu finden. Anstatt aber dem vom VwGH aufgezeigten und sinnvollen Weg über den unabhängigen Umweltsenat zu folgen, arbeitet das BMVIT hinter verschlossenen Türen im Alleingang an der Einrichtung eines im eigenen Ministerium angesiedelten Infrastruktursenats. In Zeiten von Verwaltungsvereinfachungen und Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung eine neue Sonder-Behörde trotz Vorhandensein einer bereits spezialisierten Berufungsinstanz einzurichten und diese im selben Ministerium anzusiedeln, welches als erste Instanz entscheidet, ist gegenüber der von Eisenbahnen und Bundesstraßen betroffenen Bevölkerung mehr als bedenklich. Im Zusammenspiel mit der Beschränkung des Zugangs zum VwGH und der rückwirkenden Zuständigkeit bis ins Jahr 2005 zurück muss nicht nur von einem Anschlag auf das UVP-Recht gesprochen werden, sondern vor allem auch von einem Anschlag gegen den Rechtsstaat und die betroffene Bevölkerung! Gleichzeitig würde mit der Umsetzung dieser Novelle die von der Bundesregierung geplante Verwaltungsreform zur Farce», betont Markus Pointinger von der Landesumweltanwaltschaft Salzburg.

Umweltsenat ist bewährtes Kompetenzzentrum


Nach dem vorliegenden Papier soll der Infrastruktursenat künftig rückwirkend über alle Eisenbahn- und Bundesstraßenvorhaben urteilen und dafür zuständig sein. «Der unabhängige Umweltsenat hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in UVP-Verfahren und deren effizienter Abwicklung. Wir appellieren an die Bundesregierung und insbesondere an Umweltminister Niki Berlakovich, diesen Plan abzulehnen, dem aufgezeigten Weg des VwGH zu folgen und in einer Regierungsvorlage zur Änderung des UVP-Gesetzes den Umweltsenat als einheitliche Berufungsinstanz für alle UVP-Verfahren - auch für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken - zu verankern», so Heilingbrunner, Hörmayer und Pointinger abschließend.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /