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Wien setzt auf das Passivhaus

18 geförderte mehrgeschoßige Wohnbauten mit 1500 Wohnungen, 4 Studentenwohnheime und zahlreiche Einfamilienhäuser in Passivhaus-Standard machen Wien zu einem Vorreiter in Sachen Energieeffizienz im Wohnungsneubau

Wien, - Weitere 20 Projekte mit insgesamt 2500 Wohnungen stehen kurz vor Baubeginn oder sind geplant. Auf dieser Grundlage will die IG Passivhaus Ost Wien als Welthauptstadt des Passivhauses etablieren. In absoluten Zahlen ist Wien das bereits.

Für DI Johannes Kislinger, Obmann der IG Passivhaus Ost, nimmt die Bundeshauptstadt in Fragen energieeffizienten Bauens eine Sonderstellung unter allen europäischen Metropolen ein: ‘Die Besonderheit in Wien sind die vielen energetisch ausgezeichneten, großvolumigen Wohnbau­projekte. In allen Stadterweiterungsgebieten setzt Wien auf Passivhaus-Standard – wie bei der Seestadt Aspern oder Eurogate im 3. Bezirk. Damit ist das Passivhaus in der Breite angekommen, es ist State-of-the-art im Wohnungsneubau.’ Damit will Kislinger aber nicht eine bestimmte Technologie festschreiben. Der IG Passivhaus Ost geht es um eine Denkhaltung, die eine ständige Weiterentwicklung nicht nur ermöglicht, sondern geradezu herausfordert.

Passivhäuser machen Wohnen leistbarer

Vizebürgermeisterin Mag.a Maria Vassilakou, als amtsführende Stadträtin verantwortlich für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung, unterstreicht die Bedeutung energieeffizienten Wohnbaus und verweist auf das rot-grüne Regierungsübereinkommen und den Stadtentwicklungsplan STEP 2015. Vassilakou: ‘Wien zieht immer mehr Menschen an. Bis 2035 wird die Stadt über 2 Millionen EinwohnerInnen haben. Es ist unsere Aufgabe, möglichst gesunden, leistbaren und ökologischen Wohnraum für alle Wienerinnen und Wiener bereitzustellen.’ Auch das Thema Energieeffizienz von Gebäuden ist im rot-grünen Regierungsprogramm festgeschrieben. Vor allem im Bereich der Büro- und Gewerbegebäude soll Energieeffizienz stärker betont, das Hochhauskonzept durch klare Energie- und Stromeffizienzziele ergänzt werden, so Vassilakou.

Ein großes Potential zur Steigerung der Energieeffizienz liegt in der schonenden Erneuerung historischer Stadtgebiete und traditioneller Siedlungsachsen wie etwa dem Wiental, dem Gürtel und der Inneren Stadt. Durch thermische Sanierung inklusive Fenstertausch kann der Energieverbrauch solcher Gebäude um bis zu 70 Prozent reduziert und die Wohnqualität gleichzeitig spürbar erhöht werden, wie anhand mehrerer Projekte bereits nachgewiesen ist.

Neben Flächenwidmungsplänen, Förderungen und Vergaberichtlinien braucht es dafür verantwortungsbewusste Planer und qualifizierte Gewerbebetriebe. Deshalb ist es ein wesentliches Ziel der IG Passivhaus Ost, noch mehr Planende und Ausführende als Mitglieder zu gewinnen, den Informationsaustausch zu intensivieren, weitere Schulungen anzubieten und damit einen hohen Qualitätsstandard sicherzustellen. Kislinger: ‘Beim Passivhaus müssen gute Planung und hochwertige Ausführung Hand in Hand gehen. Die Bautechnik hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt, aber wir wollen immer noch besser werden.’

Studierende als Marken-Botschafter des Passivhauses

Wie erfolgreich das Zusammenspiel von Bauherr, Planer und Gewerbe funktionieren kann, zeigt eine Reihe von Passivhaus-Leuchtturmprojekten der OeAD Wohnraumverwaltungs GmbH, einer 100%-Tochter der OeAD-GmbH. Sie verwaltet in Wien zurzeit 2350 Heimplätze, österreichweit in allen Universitätsstädten 3550. Diese OeAD-Gästehäuser stehen internationalen Studierenden und GastforscherInnen der Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von vier Monaten beherbergt die OeAD-WV somit etwas mehr als 10.000 internationale Gäste pro Jahr.

‘Mit dem 2011 errichteten OeAD-Gästehaus in der Gasgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk verfügen wir über fünf Häuser mit mehr als 800 Heimplätzen in Passivhaus-Standard, vier davon allein in Wien’, erklärt Mag. Günther Jedliczka, Geschäftsführer der OeAD Wohnraumverwaltungs GmbH und Vorstandsmitglied der IG Passivhaus Ost. ‘Bei den bereits erwähnten vier Monaten Aufenthaltsdauer haben rund 2500 internationale Studierende und GastforscherInnen die Möglichkeit, ein Passivhaus ganz persönlich zu erleben.’ Sie alle gehen an ihre Heimat-Universitäten zurück und sind damit wichtige Markenbotschafter für das Passivhaus.

Mit der 2011 gegründeten, weltweit einzigartigen Sommeruniversität ‘Green Building Solution’ trägt die OeAD-WV GmbH darüber hinaus auch in Ausbildung und Lehre zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Passivhaus-Standards bei. Jedliczka: ‘Wir nützen alle unsere Möglichkeiten, um Wien als Weltstadt des Passivhauses zu positionieren.’ Mit dem intensiven Einsatz von Photovoltaikanlagen wie im Wohnheim Gasgasse will sein Unternehmen künftig auch mehr Energie selbst produzieren und so langfristig das Ziel des Nullenergie- oder sogar Energie-Plus-Hauses verwirklichen.

ARWAG mit sechs Jahren Erfahrung im Passivhaus-Standard

Das erste der von der OeAD beauftragten StudentInnenheime wurde 2005 in der Molkereistraße im 2. Wiener Gemeindebezirk von der ARWAG errichtet. Es bietet Wohnplätze für 278 Gäste, und deren Feedback ist sehr, sehr positiv. Da es sich um ein Pilotprojekt handelte, wurden Bauphase und Betrieb von einer intensiven Evaluierung begleitet, die Ergebnisse fließen in Nachfolgeprojekte ein. Eines dieser Nachfolgeprojekte ist der ‘Wohnpark Lissagasse’ in Wien 3, den die ARWAG Anfang 2012 an seine 150 Mieter übergeben wird. Das dritte Passivhaus der ARWAG ist im Stadium der Bauvorbereitung: ein möbliertes Appartementhaus mit 96 Wohneinheiten in Wien 12.

ÖSW sieht Passivhaus-Standard als Wettbewerbsvorteil

Auf mehrjährige Erfahrung mit Passivhäusern kann sich auch das Österreichische Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft ÖSW berufen. Im Auftrag der OeAD-WV GmbH errichtete das ÖSW mit dem Studentenwohnheim in der Kandlgasse 30 das erste mehrgeschoßige Passivhaus im 7. Wiener Gemeindebezirk und wurde dafür 2008 mit dem Klimaschutzpreis KLIP 7 ausgezeichnet. Im Frühjahr 2011 hat das Kärntner Siedlungswerk, eine Tochtergesellschaft des ÖSW, das erste mehrgeschoßige Passivhaus Kärntens an seine Mieter übergeben. Die Errichtung des dritten mehrgeschoßigen Wohngebäudes in Passivhaus-Standard wird demnächst in Angriff genommen: ein nutzerfreundliches, sogenanntes ‘Passivkomforthaus’, das im Rahmen des Projektes EUROGATE in Wien verwirklicht wird.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /