Neue Anforderungen an den Netz- und Anlagenschutz

Deutschland: Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 erweitert Vorschriften für die Einspeisung dezentral erzeugter Energie in das Stromnetz

Berlin- Seit 1. Januar 2012 ist in Deutschland die neue Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 in Kraft. Sie schreibt verschärfte netztechnische Anforderungen für den Anschluss von Photovoltaikanlagen und anderen Kleinkraftwerken an das Niederspannungsnetz vor. So muss der Netz- und Anlagenschutz (NA-Schutz) ab einer Leistung von 30 kVA nun unter anderem zentral ausgeführt sein.

Die erneuerbaren Energien liefern bereits rund 20 Prozent der erzeugten Strommenge in Deutschland und beeinflussen damit zunehmend die Netzstabilität sowie -sicherheit. Vor allem der Übergang vom Kleinkraftwerk zum Niederspannungsnetz des Energieversorgungsunternehmens stellt einen sensiblen Bereich dar. Im Fehlerfall muss der dezentrale Erzeuger zuverlässig vom öffentlichen Netz getrennt werden, ohne den Betrieb oder die Qualität zu beeinträchtigen.

Um hier klare Vorgaben zu schaffen, hat das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE/FNN) die Vorschriften für Neuanlagen angepasst. Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 ist seit Anfang 2012 in Kraft und ergänzt die bislang gültige Vornorm DIN V VDE 0126-1-1. Das vorrangige Ziel der neuen Anschlussrichtlinie ist die sanfte Trennung der Anlagen vom Netz in Momenten mit Überfrequenz. So wurde anstatt der bisherigen harten Trennung bei 50,2 Hertz eine stufenlose Leistungsreduktion zwischen 50,2 Hertz und 51,5 Hertz vorgesehen, um zu verhindern, dass zu viele Anlagen gleichzeitig schlagartig vom Netz gehen. Neben diesen Bestimmungen enthält die VDE-AR-N 4105 jedoch auch weitere wichtige Anforderungen, die die Ausführung des NA-Schutzes betreffen.

Aufbau

Der Netz- und Anlagenschutz ist ab sofort bei Anlagen größer 30 kVA zentral auszuführen. Das bedeutet, dass er künftig nicht mehr direkt in den einzelnen Wechselrichter integriert sein darf. Stattdessen muss eine Schutzeinrichtung für die gesamte Anlage am zentralen Zählerplatz installiert werden. Diese Vorschrift betrifft nicht zuletzt die Hersteller von Wechselrichtern, die ihre Geräte nun umrüsten müssen.

Laut VDE-AR-N 4105 umfasst die Schutzeinrichtung den NA-Schutz zur Überwachung der Netzparameter sowie den redundant ausgeführten Kuppelschalter, der im Fehlerfall die Netztrennung durchführt. Zur manuellen Prüfung des Auslösekreises ‘NA-Schutz und Kuppelschalter’ ist am NA-Schutz eine Prüftaste vorzusehen. Als eigenständiges, typengeprüftes Betriebsmittel ausgeführt, verfügt der normgerechte NA-Schutz zudem über einen Konformitätsnachweis sowie eine Plombierung oder einen Passwortschutz.

Schutzfunktionen und Schwellwerte

Der NA-Schutz hat die Aufgabe, die Erzeugungsanlage bei unzulässigen Spannungs- und Frequenzwerten vom Netz zu trennen. Um das zu gewährleisten, muss die Schutzeinrichtung über Schaltschwellen zur Erkennung von Unter- und Überspannung sowie von Unter- und Überfrequenz verfügen, die bei Über- oder Unterschreitung zur Abschaltung führen. Dabei lässt sich die Schaltschwelle für Überfrequenz im Bereich zwischen 50,2 Hz und 51,5 Hz einstellen, wodurch das Gerät auch in nicht regelbaren Erzeugungsanlagen eingesetzt werden kann. Außerdem beinhaltet die Schutzeinrichtung in Erfüllung der Norm einen zusätzlichen variabel einstellbaren Spannungssteigerungsschutz, der einen gleitenden 10-Minuten-Mittelwert misst und zur Überwachung der Netzqualität dient.
Bei Erzeugungsanlagen mit einer Leistung größer als 30 kVA müssen die Spannungsschutzeinrichtungen dreiphasig ausgeführt werden. Die Messung beziehungsweise Berechnung von insgesamt sechs Spannungen ist vorgeschrieben. Sie umfasst sowohl die Messung von drei Spannungen zwischen den Außenleitern und dem Neutralleiter als auch die Messung oder Berechnung der drei verketteten Außenleiterspannungen.

Alle Relais des NA-Schutzes müssen jeweils innerhalb von 100 Millisekunden schalten und in Kombination mit dem Kuppelschalter eine Abschaltzeit von 200 Millisekunden einhalten.

Inselnetzerkennung und Einfehlersicherheit

In der neuen VDE-AR-N 4105 ist für den NA-Schutz auch eine aktive oder passive Inselnetzerkennung vorgeschrieben. Die Abschaltung muss dabei innerhalb von fünf Sekunden erfolgen.

Nach einer Trennung vom Netz ist durch die Schutzeinrichtung zu gewährleisten, dass die dezentrale Erzeugungsanlage frühestens nach einer zwischen 60 und 600 Sekunden wählbaren Zeit zugeschaltet wird.

Als wichtige Anforderung an den NA-Schutz wurde im Zuge der neuen Anschlussregel die Einhaltung der Einfehlersicherheit verankert. Das bedeutet, dass ein einzelner Fehler in der Schaltstelle nicht zum Verlust der Sicherheitsfunktionen führen darf und deshalb alle im Gerät auftretenden Fehler erkannt werden müssen.

Für die zuverlässige Kontrolle durch das Bedienpersonal schreibt der VDE ein Display auf dem Gerät vor. Darauf müssen die Einstellwerte der Schutzfunktionen direkt ablesbar sein. Darüber hinaus wurde definiert, dass die letzten fünf datierten Fehlermeldungen inklusive eines relativen Zeitstempels abgerufen werden können.

VDE-AR-N 4105-konformer NA-Schutz von TELE

Das TELE Überwachungsrelais G4PF33-1 entspricht der neuen VDE-AR-N 4105. Es überwacht die Spannung sowie die Netzfrequenz normgerecht und bietet durch seine zweikanalige Ausführung und die redundante Messung die geforderte Einfehlersicherheit.
Neben der passiven Inselnetzerkennung beinhaltet das Gerät auch eine einstellbare Wiedereinschaltverzögerung und verfügt über ein Display zum Abruf der letzten fünf dokumentierten Fehlerwerte. Zusätzlich zur VDE-AR-N 4105-konformen Version für Deutschland ist der TELE-NA-Schutz auch in verschiedenen Ausführungen für andere Länder erhältlich. Er eignet sich für alle Arten von dezentralen Energieerzeugungsanlagen, wie beispielsweise Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie Wasser-, Blockheiz- oder Biomassekraftwerke.

www.tele-online.com

GastautorIn: Barbara Hinger u. Erwin Hartl, für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /