© Thommy Weiss / pixelio.de
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Verblasster Schrecken"

Von Hubert Patterer

Graz (OTS) - Furcht und Schauder waren in den Tragödien der klassischen Dichtung nie nutzlos. Der Schrecken, der die Zuschauer erfasste, sollte zu Erkenntnis und Läuterung führen. Ein Jahr nach Fukushima erhebt sich die Frage, ob die Kaskade jener Schicksalsschläge eine ähnliche Katharsis auslöste. Was ist von der inneren Erschütterung geblieben? Hat sie zu einer Neubewertung des Risikos atomarer Kraftwerke geführt, zu jener Energie-Wende, die man lautstark ausrief?

Die Statistik sagt Nein. Neue Reaktorblöcke entstehen nicht nur in den Schwellenländern, auch Europa macht unbeirrt weiter. Die deutsche Schubumkehr fand kaum Nachahmer. Das Innehalten währte so kurz wie die Umerziehungs-Pose des offiziellen Österreich, das sich endlich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnte, groß tat und klein beigab.

Der globale Schrecken aus dem Vorjahr ist verblasst. So schnell wir durch die Wucht der Bilder erhitzen, so rasch senkt sich die Temperatur, wenn sich Affekt und Anteilnahme neuen Brennpunkten zuwenden. Wie eine Gefühlshummel fliegt der Medien-Nutzer von einem Weltschauplatz zum nächsten. Jahrestage sind da wichtige Widerhaken.

Die Erinnerung durchkreuzt das Kalkül derer, die in der Atom-Energie Brüche scheuen.
Das Unglück von Fukushima hat die Mythen, mit denen die Atomenergie begründet wurde, brachial demoliert. Dass diese "absolut sicher" und "technisch beherrschbar" sei, dieser Kernsatz aus dem Katechismus der Befürworter, ist ohne Scham nicht mehr buchstabierbar. Die Risiko-Berechnung erfolgte unter Missachtung einer wesentlichen Variablen, des Einflusses der Naturgewalt. Die Beherrschbarkeit hat sich als Trugbild erwiesen wie die Beteuerung, Atomenergie sei billig. Die Kostenrechnung ließ die Folgeschäden im Fall eines Unglücks außer Acht. Das Leid hat keinen Buchungskreis. Das Ausmaß der Zerstörung von Lebensraum und Wohlstand in Japan ist so unermesslich wie die Furcht der Delogierten, denen niemand sagen kann, wann die unsichtbare Verstrahlung zur sichtbaren Krankheit wird.

Die Energie-Wende muss von unten kommen, oder sie bleibt fern. Zarte Zeichen lassen hoffen. In Japan ist die Mehrheit erstmals gegen neue Meiler. Früher bezog man den Stolz aus ihnen. Selbst in China nimmt die Zustimmung ab. Es sind Signale einer Ausnüchterung. Sie muss auch in den Wohlstandsgesellschaften stärker einsickern. Die Energie-Wende kann nur gelingen, wenn die Wende im Kopf und in der Lebensführung glückt. Das Anti-AKW-Pickerl ist schnell geklebt, die eigenen Mobilitäts- und Wohlstandansprüche zu hinterfragen, ist die härtere
Übung.

Rückfragehinweis:

Kleine Zeitung


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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /