© alleria
© alleria

Ist Fukushima noch immer eine Glaubensfrage??

Offener Leserbrief zum Leitartikel von M.Fleischhacker "Fukushima ist noch immer eine Glaubensfrage" in "Die Presse" vom 10.3.2012

Vorausschicken möchte ich, dass ich als bisher treuer Leser die Inhalte der Presse überwiegend als Bereicherung gesehen habe, auch wenn ich die Sicht der jeweiligen Autoren nicht immer teilte. Offenlegen möchte ich auch, dass ich seit vielen Jahren im Energiebereich tätig bin und sowohl durch das Technik-Studium als auch den Beruf in diesem Bereich geprägt und kein Anhänger welcher Glaubensrichtung auch immer bin.

Im Gegensatz dazu dürfte Herr Fleischhacker kein Verfechter aufwendiger Recherche oder qualitativer Informationsbeschaffung bei unabhängigen Quellen sein, sondern eher ein Anhänger von simplen Annahmen und Glaubenssätzen, wenn er behauptet, dass sich bestätigt sehen muss, wer die "Auswirkungen von Fukushima auf Mensch und Umwelt" für "begrenzt und überschaubar" hielt. Die konkreten langfristigen Konsequenzen übersteigen unser aller zeitliches Erinnerungs- als auch Vorstellungsvermögen (klarerweise auch jenes von Schreiberlingen) sicherlich um Zehnerpotenzen.

Insbesondere die im Artikel von ihm vermittelte "Feststellung", dass "..in der Geschichte der Menschheit keine andere Energieform so wenige Menschenleben gefordert.." hätte wie die Atomkraft, ist nicht nur eine Verhöhnung der tausenden durch ihren Einsatz ums Leben gekommenen Liquidatoren in Tschernobyl sondern auch eine - ja ich muss es so drastich sagen- eine Abscheulichkeit gegenüber den vielen an Krebs und anderen Folgekrankheiten Leidenden und jener, die ihnen noch folgen werden. Ungeachtet dessen wäre Statistik hier ein ungeeignetes Mittel menschliches Leid zu bewerten.

Wenn Herr Fleischhacker, ich gehe nicht so weit Ihn der bewussten Falschdarstellung im Interesse irgendeiner Lobby zu bezichtigen, vielleicht einfach nur eine kontroversielle und interessante Position einnehmen wollte, um den Widerstand der zumeist schweigenden Leser aufszustacheln, so muss ihm Hochachtung gezollt werden. Dies ist ihm, jedenfalls bei mir, eindeutig gelungen.

Sogar so sehr, dass ich künftig, weil mich diese Ignoranz anekelt auf die Kommentare und Glaubenssätze eines Nichtwissenden oder auch nicht wissen Wollenden gerne verzichten werde, und deshalb hiermit mein Presseabo kündige. Ein Medium, das ungeprüft und unreflektiert die Realität derart verzerrt darstellen lässt, ist ohnehin nichts wert.


DI Friedrich Herzog,
Wolkersdorf
ehemaliger "Die Presse"-Leser

Link zum Leitartikel

http://de.wikipedia.org/wiki/Liquidator
http://www.nirs.org/reactorwatch/accidents/chernob_report2011webippnw.pdf
http://www.strahlentelex.de/Yablokov%20Chernobyl%20book.pdf
http://www.gfstrahlenschutz.de/index.html

Nachtrag zu meinem offenen Leserbrief

Mit einem mahnenden Appell ‘an unsere Nachkommen’ haben sich mehr als 20 Liquidatoren in Minsk zum 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu Wort gemeldet:

Der ‘Aufruf an unsere Nachkommen’ im Wortlaut:

Aufruf an unsere Nachkommen

Wir, die Liquidatoren der Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die ‘vergessenen Retter von Europa’, die unter Einsatz unseres Lebens und unserer Gesundheit 1986 den Planeten Erde gerettet haben, wenden uns an Sie.
Die Explosion im vierten Reaktor des AKW Tschernobyl hat unser Leben in zwei Abschnitte geteilt: die Zeit vor der Katastrophe und die Zeit danach. In den letzten 25 Jahren sind in Folge der Katastrophe von Tschernobyl über 200.000 Liquidatoren verstorben; genauso viele sind zu Invaliden von Tschernobyl geworden. Die Erkrankungshäufigkeit von Liquidatoren, ihren Kindern und von Menschen, die in den radioaktiv verseuchten Gebieten leben, schreitet fort.
Die Glocke von Tschernobyl erklang 1986, die von Fukushima 25 Jahre später.
Atomenergie ist eine gefährliche Energiequelle für die Menschheit und die Umwelt.
Wir, die Liquidatoren aus Belarus, Russland, der Ukraine, Moldawien und Litauen bitten Sie inständig, alles von Ihnen Mögliche zu tun, damit Menschen nicht länger leiden – nicht in Tschernobyl, nicht in Fukushima, nicht an irgendeinem anderen Ort auf der Erde und dass niemand nirgendwo mehr unsere Heldentat wiederholen muss.
Minsk, zum 26. April 2011

QUELLE:
Liquidatoren verlesen Appell gegen Atomkraft

Es würde mich freuen, wenn sich jemand für den Beitrag bzw. die Aussagen darin (mit)verantwortlich fühlt und mir, oder auch der Öffentlichkeit, eine Rückmeldung zu meiner Kritik gibt.

Bisher ging diese den verantwortlichen Pressemitarbeitern, wenn ich es so drastisch sagen darf, offensichtlich "komplett am Arsch vorbei"...

und wahrscheinlich ist es ihnen auch privat egal, oder sie haben keine Zeit mehr sich um so unwichtige Dinge zu kümmern.


Mit freundlichen Grüßen,
Fritz Herzog

GastautorIn: Fritz Herzog für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /