Erste Bank – zweites Gesicht?

Eine Ansichtssache von Dr. Gernot Neuwirth

Die Erste Bank ist wegen ihres Atom-Finanzierungsprojektes ins Gerede gekommen. Allerdings nur in der Szene, weil die Medien nicht einmal über die wochenlangen Demonstrationen vor der Zentrale berichtet haben. Die Erste ist wohl eine zu wichtige Inserentin.

Die Erste hat allerdings wie Vieles noch eine zweites Gesicht. Am sichtbarsten in Form der Tochter ‘Zweite Sparkasse’. Die eröffnet für Personen, die so stark überschuldet sind, dass sie sonst nirgendwo mehr ein Konto bekommen und daher sogar Erlagscheine nur mehr bar und mit 3 Euro Gebühr einzahlen können, doch noch ein Privatkonto. Ohne Überziehungsrahmen, der ja eine Einstiegsdroge zu neuer Verschuldung wäre.

Die Erste hat auch – nach dem Muster der Grameen Bank des Alternativnobelpreisträgers Muhammad Yunus - Anleihen für Mikrokredite für die Ärmsten in den ärmsten Ländern aufgelegt. Der Berichterstatter hat sie ebenso gezeichnet wie die beiden Umweltanleihen, die sie zusammen mit dem WWF emittiert.
Und im laufenden Semester sponsert sie sogar eine Ringvorlesung an der Uni Wien. Zumindest hat man den Eindruck, denn unter den Vortragenden sind nicht weniger als sechs Mitarbeiter der Ersten.

Thema der Veranstaltungsreihe: CSR, Corporate Social Responsibility. Das ist eine Gegenströmung zu der These, die soziale Verantwortung eines Unternehmens liege ausschließlich in der Gewinnmaximierung. Die war vom Ökonomen Milton Friedman formuliert worden, dessen Ansichten Reagan, Thatcher, Bush und KonsortInnen gierig aufsogen. Und der nach dem Fall des Sowjetimperiums die akademische Begründung für den nunmehr ausgebrochenen Turbokapitalismus lieferte. Und der dafür sogar noch den Nobelpreis bekam.

Aber bei einem Unternehmen mit Sozialverantwortung ist alles anders. Die Erste hat sogar einen eigenen CSR-Beauftragten, wie man bei Durchsicht des Vorlesungsplanes entdeckt. Der meint auf telefonische Anfrage, man müsse auch die vielen guten Taten des Unternehmens berücksichtigen, bevor man ein Urteil abgebe. Was hiermit geschehen ist. Allerdings: Wenn sich eine Firma sagen wir einmal stark im Kinderdorf engagiert, Millionen für Kinderdorfhäuser und –mütter spendet, aber im Ausland billige Turnschuhe durch Kinderarbeit produziert – kann man das auch gegeneinander aufrechnen?

Und wie kommt eine österreichische Bank mit CSR-Kultur eigentlich überhaupt ursprünglich auf die Idee, lebensfeindliche Technik nahe Österreichs Grenzen zu finanzieren? Zwar würde ein Rückzug der Ersten bei der slowakischen Regierung wohl nicht unbedingt einen plötzlichen totalen Sinneswandel bewirken, zwar würden sich vielleicht andere Institute beeilen, in die Bresche zu springen - aber wenigstens wäre die Glaubwürdigkeit Österreichs nicht der Lächerlichkeit preisgegeben.

In dem Telefonat hält sich der CSR-Beauftragte bedeckt. Aber wie schon vorher andere Vertreter der Bank sagt er, dass in Sachen Mohovce ein interner Diskussionsprozess im Gange sei. Hinhaltetaktik, meint Maria U., eine in der Szene berühmte engagierte Aktivistin. Misstrauen sei angebracht, die Entscheidung sei wohl schon längst gefallen.

Oder ist doch Hoffnung angesagt? Von dem Verhalten der Ersten wird es jedenfalls abhängen, ob sie als seriöse Partnerin für unsere Geldangelegenheiten anzusehen ist oder als ein Unternehmen, dass unverschämten Etikettenschwindel betreibt. Solange sie sich nicht aus der Mohovce-Finanzierung klar zurückzieht und zwar ohne – etwa über Drittinstitute – den Fuß in der Hintertüre zu lassen, werden die Umweltvereinigungen ihren Druck wohl aufrechterhalten.



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GastautorIn: Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /