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Rio+20: Welch ein Aufwand für so ein mageres Ergebnis!

Wenig relevante Ergebnisse aus entwicklungspolitischer Sicht

Rio de Janeiro- Heute beginnt der offizielle Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der Umwelt- und Nachhaltigkeitskonferenz in Rio. "Zu entscheiden wird es allerdings nichts mehr geben. Ein Aufschnüren der formal am Freitag zu verabschiedenden Abschlusserklärung ist so gut wie ausgeschlossen", berichtet Werner Raza, Delegierter der AG Globale Verantwortung in der offiziellen Regierungsdelegation und Leiter der ÖFSE (Österreichische Forschungsstiftung zu internationaler Entwicklung).

"Trotz vieler schöner Worte und des Eingeständnisses, dass seit der Rio Konferenz von 1992 in vielen Bereichen nur unzureichende Fortschritte, ja sogar Rückschritte, gemacht wurden, trifft das Dokument auf Enttäuschung seitens der hier versammelten Zivilgesellschaft", bedauert Raza. Angesichts der multiplen Herausforderungen durch Umweltkrise, Ernährungskrise, Klimakrise, Wirtschafts- und sozialer Krise enthält das Dokument kaum konkrete Antworten.

Aus entwicklungspolitischer Sicht gäbe es ein paar wenige relevante Ergebnisse, so Ruth Picker, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung: "Das im Vorfeld heiß umstrittene Kapitel zur Green Economy wurde etwas abgeschwächt und konkretisiert. Für die Entwicklungsländer wichtig war hier, dass das Prinzip der gemeinsamen, aber geteilten Verantwortung verankert wird."

Weiters wurde ein Prozess zur Erarbeitung von Nachhaltigkeitszielen beschlossen. Diese Sustainable Development Goals sollen 2015 die Milleniumsentwicklungsziele (MDGs) ablösen. Der Prozess wird bei der UN-Vollversammlung angesiedelt. Es sei zu hoffen, dass dabei ähnlich konkrete Indikatoren verfolgt würden und an der Erreichung der MDGs dennoch mit voller Kraft weiter gearbeitet wird, stellt Picker fest.

"Wir vertrauen darauf, dass es unserem verbleibenden Regierungsvertreter in der österreichischen Delegation - Staatssekretär Waldner - nicht gleichgültig ist, ob auch Österreich einen fairen Beitrag zur globalen Verantwortung leistet. Das wird sich auch an der Höhe des Betrages erkennen lassen, der im nächsten Budget des Außenministeriums für nachhaltige Entwicklung vorgesehen sein wird", so Picker.

Welch ein Aufwand für so ein mageres Ergebnis!

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und das Forum Umwelt & Entwicklung bewerten den bisherigen Verlauf des Rio+20-Gipfels als "noch enttäuschender als ohnehin erwartet". Greifbare Fortschritte für Umweltschutz und Armutsbekämpfung seien in dem jetzt vorliegenden Abschlusstext praktisch nicht auffindbar. Der Text sei ein "Ausdruck alten, überholten Denkens."

"Meeresschutz und der Kampf gegen die Zerstörung der Wälder waren die weißen Flecken von Rio 1992. Zwanzig Jahre später haben die Vereinten Nationen erneut vor einer Handvoll Staaten kapituliert, die daran nichts ändern wollen. Ein beschämendes Versagen", kommentiert Hardy Vogtmann, 1. Vizepräsident des DNR aus Deutschland die bisherigen Ergebnisse.

"Die Staatengemeinschaft konnte sich immerhin dazu durchringen, bis 2015 Nachhaltigkeitsziele aufzustellen. Nur wenn diese Ziele die Grenzen des Naturverbrauchs und Zielmarken für soziale Entwicklung festlegten, hätte Rio+20 eine nachhaltige Wirkung", so Jürgen Reichel, stellvertretender VENRO-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der deutschen Regierungsdelegation. "Denn die Ziele werden auch Folgen für unser Konsumverhalten haben müssen. Wenn wir den Land- und Wasserverbrauch für unsere Produktion oder Ernährung ausrechnen, wird schnell deutlich werden, wie stark Deutschland über seine Verhältnisse lebt."

Das einzige wirklich greifbare Ergebnis von Rio+20 ist eine begrenzte Aufwertung des UN-Umweltprogramms UNEP. Es soll nun eine halbwegs sichere Finanzbasis erhalten, und alle Länder sollen künftig UNEP-Mitglieder sein. "Dafür hätte man keinen Mega-Gipfel in Rio gebraucht, das hätte man problemlos auf einer der alljährlichen UN-Generalversammlungen beschließen können", so Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt & Entwicklung.

Nach Auffassung der deutschen Nichtregierungsorganisationen lag das nicht zufriedenstellende Ergebnis von Rio auch daran, dass die Bremserstaaten sehr selbstbewusst auftraten, aber Vorreiter kaum zu sehen waren. Es sei bedauerlich, dass Bundeskanzlerin Merkel nicht nach Rio kam, wie auch die meisten anderen EU-Regierungschefs durch Abwesenheit auffielen. "Leadership durch Abwesenheit" kann nicht funktionieren. Wenn die EU ihre vielzitierte Vorreiterrolle ernst nehmen will, muss sie die aktuelle Wirtschaftskrise dafür nutzen, endlich den ökologischen Umbau voranzutreiben, statt sich über die überholten Alternativen "Wachstum um jeden Preis" oder "Sparen um jeden Preis" zu streiten.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /