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Surrealistischer Symposiumstag über die Internationale Atombehörde

Surrealistisch, weil: am 18. September hielt das Forum Wissenschaft und Umwelt ein Symposium zur Zukunft der IAEA ab und zugleich das Institut für Zeitgeschichte eines zur Vergangenheit der IAEA.

Beide Veranstalter wussten nichts voneinander und der Berichterstatter erfuhr nur durch Zufall von diesem Zufall.

Surrealistisch auch, dass die Programme zufällig so angesetzt waren, dass der Berichterstatter zwischen den Veranstaltungen hin- und herpendeln und weitgehend beide besuchen konnte, mit Ausnahme der kleinen Demo, die das Forum zusammen mit anderen NGOs vor der IAEA in der UNO-City abhielt.

Surrealistisch auch, weil bei der Podiumsdiskussion des ansonsten weitgehend objektiven Instituts für Zeitgeschichte ein Mitglied des Panels, und zwar ein Vertreter des nuklearen Establishments, es nicht lassen konnte, Propaganda zu betreiben .

Man solle die ungelösten Probleme doch nicht so ernst nehmen, die können doch künftige Generationen lösen, die werden wohl hoffentlich auch so gescheit sein wie wir (Zwischenruf aus dem Publikum: Die müssen viel, viel gescheiter sein als wir, wenn der Planet überleben soll ...). Und dann stellt er einen uralten, aber für viele Zuhörer neuen Mythos vor, die Transmutation, wo die langlebigen Anteile des Atommülls durch Bestrahlung in kurzlebige verwandelt werden. Daher müsste der Müll nicht Jahrmillionen, sondern nur Jahrtausende bewacht werden.

Surrealistisch, weil der Energieeinsatz und die Kosten einer solchen nicht existierenden Schildbürgertechnik astronomisch wären.

Und surrealistisch, weil all jener Atommüll, der fein in Luft, Wasser und Boden verteilt ist, ja zuerst eingesammelt werden müsste, bitte wie denn?

Surrealistisch schließlich, weil der Erfinder dieses Mythos, Nobelpreisträger Carlo Rubia, das Heil der Menschheit längst in der Sonnenenergie sucht.

Surrealistisch auch der Gegensatz zwischen den beiden Symposien, während in dem historischen zumindest die Vertreter der Atomlobby immer noch von einer zwar verlangsamten, aber weiterhin unaufhaltsamen Weiterverbreitung der Atomkraftwerke träumen, träumt das Forum Wissenschaft und Umwelt bereits von der Umwandlung der Atombehörde in eine Sicherheits- und Ausstiegsbehörde, ein Gedanke, der der IAEA wohl noch total unrealistisch vorkommen muss. So wie seinerzeit die Verhinderung der Inbetriebnahme von Zwentendorf ...

Aber die IAEA wird sich irgendwann von ihrer unvereinbaren Doppelrolle verabschieden müssen: Überwachung der Atomindustrie einerseits und Propagandainstrument andererseits, das ist vielen Beobachtern schon längst ein Dorn im Auge. Als das Problem beim historischen Symposium angeschnitten wird, versichern die beiden der IAEA nahestehenden Panelteilnehmer treuherzig, von Propaganda hätten sie eigentlich nie viel gemerkt. Und so reduziert sich denn auch der "Knebelvertrag", der der Weltgesundheitsorganisation WHO die Veröffentlichung von Studien nur erlaubt, wenn sie die IAEA vorher zensuriert hat, auf ein harmloses Kooperationsübereinkommen. In Wirklichkeit wird angeblich enormer Zensurdruck auf die WHO ausgeübt. Insbesondere sollen die Opferzahlen verschiedener Atomkatastrophen gewaltig nach unten redigiert worden sein.

Abgesehen von den beiden Gästen aus der Atomlobby war das Institut für Zeitgeschichte sehr bemüht um eine objektive, unaufgeregte Veranstaltung. Die jungen Historiker beleuchteten u.a. die Euphorie der Frühzeit, die Kontroversen um den Standort der neugegründeten Atombehörde (die Amerikaner waren gegen Wien, die Russen drängten auf Wien als Kompromiss), und die angeblich friedlichen Atomexplosionen als Test für Kanalbauten und Abbau von Bodenschätzen. Die wurden dann abgebrochen, weil diese Bodenschätze kontaminiert worden wären. Freilich auch viele Menschen, aber das war nicht der Grund des Abbruchs. Und immerhin konnte sich Indien bei einer absolut friedlichen Testexplosion ausreichend Know-how holen, um später die atomare Rüstungsspirale mit Erzfeind Pakistan anfahren zu können. Auch die Protestbewegungen ab den Sechzigerjahren wurden historisch aufbereitet sowie die Kontroversen um die wahren Folgen von Tschernobyl (1986) und Three Mile Island (1979).

Auch beim Forum-Symposium ging es ruhig zu. Einigkeit herrschte darüber, dass sich bei der IAEA einiges grundlegend ändern muss. Aber zunächst steht noch die Sisyphusarbeit der Information der Öffentlichkeit bevor ...



Am Rande der Forumsveranstaltung erfährt der Berichterstatter noch eine Groteske, und zwar über Guiness:

Ist das Buch der Rekorde offen für Interventionen?

Das längste Transparent der Welt war ein oder zwei Jahre lang das der Salzburger, Oberösterreicher und Tschechen, die 1993 auf über zehn Kilometern Stoff die Nichtinbetriebnahme von Temelin forderten. Nach einigen Jahren verschwand die Eintragung aus dem Guiness Buch der Rekorde und wurde später durch eine neue ersetzt, ein nur drei Kilometer langes Transparent irgendeiner Firma, mit harmlosem Inhalt ....

Gernot Neuwirth

GastautorIn: Univ.-Lektor i.R. Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /