Erste Bank – Dritter Teil: Kauft sich die Erste Bank eine Vorlesung?

Eine Ansichtssache von Dr. Gernot Neuwirth

Nun findet also an der Wiener Universität zum ersten Mal eine Lehrveranstaltung statt, an der im Laufe des Semesters nicht weniger als sechs Mitarbeiter ein und desselben Unternehmens zu Wort kommen werden. Noch dazu eines Unternehmens, das als erste österreichische Bank ein grenznahes gefährliches Atomkraftwerk im Ausland mitfinanzieren möchte. (Hauptuni, Dienstag von 16.15 bis 17.45 Uhr). Thema: Die soziale Verantwortung der Unternehmen

Vorlesungsbeginn war der 4. März. Der Berichterstatter war dort:

Der ehrwürdige Hörsaal 47 ist zum Platzen voll, wie oft am Anfang des Semesters. Diesmal aber herrscht gespannte Stimmung schon eine halbe Stunde vor Beginn. Ein Flugblatt zirkuliert, die Erste Bank wird beschuldigt, sich die Vorlesung gekauft zu haben und die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu untergraben. Von der Sache mit den Reaktorblöcken 3 und 4 in Mohovce weiß hingegen kaum jemand, die Medien haben gute (Stillhalte-)Arbeit geleistet.

Vortragende sind diesmal der Dekan, dann der Rektor und dann Andreas Treichl von der Ersten. Wider Erwarten ergeht sich keiner in Schönfärberei, mit Ernst und auch mit Witz wird der fast unmögliche Spagat angesprochen, den ein Unternehmen vollbringen müsste, um den Zielkonflikt zwischen ethischer Motivation einerseits und Gewinnmaximierung oder wenigstens Überlebensfähigkeit andererseits sauber zu lösen. Auch Treichl gibt zu, dass er selbst nicht genau weiß, wo im Fall der Ersten Bank die Grenze zwischen dem Unternehmensziel ‘Corporate Social Responsbility’ und einer bloß publikumswirksamen Marketingstrategie verläuft. Und wider Erwarten berichtet er gleich zu Anfang ausführlich über das bislang verschwiegene ‘Megaproblem’, and dem sich die Erste gerade die Zähne ausbeißt, nämlich die Mohovce-Geschichte.

Die Wortmeldungen am Schluss dieses ersten Termins zielen auf den wirklichen oder vermeintlichen Kauf der Uni durch die Erste ab, auf die wirklichen oder vermeintlichen personellen Überschneidungen zwischen den beiden Institutionen (Rektor im Aufsichtsrat der Ersten), auf die wirklich eklatanten Einkommensunterschiede zwischen Management und Personal in den meisten großen Unternehmen im allgemeinen und zwischen Treichl und seinen Mitabeitern im besonderen. Auch hier kann es wie erwartet keine plausiblen, befriedigenden Antworten geben.

Auf den Appell schließlich, sich aus dem Atomabenteuer in der Slowakei zurückzuziehen, antwortet Treichl nur mit einem freundlichen Lächeln. Auf die spezifische Frage, zu der man ihn noch nach seinem Abgang im Stiegenhaus abfangen kann, nämlich wie die Chancen mit Mohovce stehen, murmelt er ‘guat’. Was natürlich wieder breitesten Interpretationsspielraum zulässt.

Es ist also alles offen, aber jedenfalls ist das wirklich eine einzigartige Lehrveranstaltung: Zum ersten Mal können Studierende sozusagen hautnah Zeitgeschichte erfahren und miterleben, wie sich das sponsernde Unternehmen entscheidet:

Zieht sich nämlich die Erste ohne Wenn und Aber und ohne Hintertüren aus der Finanzierung zurück, dann sind wir wieder dort, wo wir waren, bevor die Atompläne bekannt wurden. Dann sind Skepsis und Kritik an der Vorlesungs-Beteiligung weiterhin legitim, aber zumindest kann man der Ersten nicht absprechen, dass sie sich in Richtung unternehmerische soziale Verantwortung wenigstens bemüht. Beharrt sie aber weiter auf ihren Plänen, dann ist ihr Engagement als schamloser Etikettenschwindel bloßgestellt.

Inzwischen ist auch die wochenlange Stille in den Medien – verursacht möglicherweise durch vorauseilenden Gehorsam gegenüber der wichtigen Inserentin ‘Erste Bank’ - zu Ende. Als Greenpeace wenige Tage nach der Vorlesung die Türe der ‘Erste’-Zentrale am Graben auf eine Stunde zumauerte, waren Zeitungen und Fernsehen nicht mehr zu bremsen.

Auch internationale Organisationen beginnen nun Druck auf die Erste Bank auszuüben. Vielleicht gibt sie bereits nach, während diese Zeilen in den Cyberspace gehen? Schön wär’s.



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GastautorIn: Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /