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Pestizidhersteller wegen fahrlässiger Umweltgefährdung verurteilt

Polizeiliche und gerichtliche Aufarbeitung vorbildlich / Strafrahmen für Umweltdelikte zu gering

Das Strafverfahren gegen den Pestizidhersteller GAT wurde mit einem noch nicht rechtskräftigen Schuldspruch gegen die Geschäftsführung der Firma beendet. Das Strafausmaß beschränkt sich auf eine bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 360 Tagessätzen, das sind Euro 16.000.-. GLOBAL 2000 hatte das Verfahren während der vergangenen drei Jahre als Privatbeteiligter begleitet.

Im Jahre 2004 war es beim Pestizidhersteller GAT im Bezirk Wiener Neustadt durch ein technisches Gebrechen an einem Abwasserrohr zum Austritt von erheblichen Pestizidmengen ins Erdreich und Grundwasser gekommen. Aus Gründen, die aus Sicht von GLOBAL 2000 im Gerichtsverfahren allerdings nicht befriedigend geklärt werden konnten, wurde in den Folgejahren das kontaminierte Grundwasser, soweit bekannt, nie auf Pestizide gescreent. Stattdessen wurden auf behördliche Anordnung ausschließlich Untersuchungen auf einen chemischen Summenparameter, den sogenannten AOX, vorgenommen. Der AOX ist allerdings so unempfindlich, dass er erst ab einer zumindest 50-fachen Überschreitung des Pestizidgrenzwerts im Grundwasser anschlägt. So konnte sich die Grundwasserkontamination fünf Jahre lang ’unentdeckt” im bedeutendsten österreichischen Trinkwasserreservoir, der Mitterndorfer Senke, ausbreiten und bis zur Gemeinde Pottendorf vordringen, wo viele Menschen jahrelang unwissentlich kontaminiertes Wasser tranken.

Aufgeflogen ist die massive Grundwasserkontamination in Wiener Neustadt eher zufällig im Jahr 2009 aufgrund einer Anzeige der AGES wegen Verstößen gegen das Pflanzenschutzmittelgesetz, die zu einer polizeilichen Durchsuchung des Firmengeländes führten. Der vom niederösterreichischen Landeskriminalamt beigezogene unabhängige Sachverständige, DI Dr. Helmut Effenberger, zeigte sich in seinem Gutachten von den am Firmengelände vorgefundenen Zuständen schockiert: Die gesetzwidrige Lagerung von gefährlichen Pestiziden im Freien einerseits, sowie die gesetzwidrige Lagerung großer Mengen hoch entzündlicher Flüssigkeiten bildeten zusammen laut Sachverständigengutachten ein explosives Gemisch, das im Falle eines Chemieunfalls zu einer bis nach Wien reichenden Giftwolke hätte führen können. Beanstandet wurden auch zahlreiche Undichtheiten, die zu einem Pestizideintrag ins Grundwasser führen konnten. Die vom Sachverständigen vorgenommenen Untersuchung des Grundwassers konnten 27 Pestizidwirkstoffe nachweisen und führten schließlich – 5 Jahre nach dem Störfall von 2004 – zur Einleitung von effektiven Sanierungsmaßnamen.

GLOBAL 2000 – Umweltchemiker Helmut Burtscher meint dazu: "Sehr auffallend sind die Parallelen zu der aktuellen Grundwasserkontamination in Korneuburg durch die Firma Kwizda, wo ebenfalls Trinkwasser kontaminiert wurde, weil die Behörde es jahrelang verabsäumte, das kontaminierte Grundwasser auf Pestizide zu screenen.’

Helmut Burtscher sieht dieses erstinstanzliche Urteil gegen GAT zweigeteilt: ’Als vorbildlich bewerten wir die gründliche kriminalistische Aufarbeitung der Ursachen und Auswirkungen der Schadstoffeinträge ins Grundwasser. Dies war Grundvoraussetzung für die Einleitung effektiver Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen sowie für die Beweisführung vor Gericht und letztendlichen Klärung der Schuldfrage. Enttäuschend für GLOBAL 2000 und zahlreiche geschädigte Anrainer ist der niedrige Strafrahmen, der nach wie vor in Österreich für Umweltdelikte üblich ist. Denn Hauptursache für die Grundwasserverschmutzung war nach Erkenntnis des Gerichtes die gesetzeswidrige Lagerung gefährlicher Pestizide im Außenbereich der Firma. Diese stand aber in direktem ursächlichem Zusammenhang mit der Vervielfachung des Jahresumsatzes zwischen 2004 und 2009. ’Die Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichten der GAT Millionenzuwächse auf Kosten der Umwelt und auf Kosten hunderter Menschen, die heute Angst haben, weil sie selbst und ihre Kinder jahrelang pestizidbelastetes Wassser getrunken haben. Die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von 360 Tagessätzen, also im konkreten Fall von 16.000.- steht hierzu in keinem Verhältnis. ’Umweltdelikte werden in Östereich nach wie vor als Kavaliersdeikte behandelt. Wenn sich daran nicht bald etwas ändert und Umweltverbrechen sich weiterhin lohnen, geht das auf Kosten der Zukunft unserer Kinder” warnt Helmut Burtscher.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /