© Grüne Steiermark- Proteste an der Schwarzen Sulm
© Grüne Steiermark- Proteste an der Schwarzen Sulm

Schwarze Sulm: Bauarbeiten wurden begonnen

Proteste gegen heutigen Baubeginn- Österreichs Steuerzahlern drohen 60 Millionen-Strafe

Die Schwarze Sulm ist ein 83 Kilometer langer Nebenfluss der Mur und als Natura 2000 Gebiet nach der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen. Außerdem ist die Sulm Österreichs erstes Flussheiligtum. Die vom Kraftwerk betroffene Hang- und Schluchtstrecke weist 45 schutzwürdige Biotope auf, die vielen unter strengem Schutz stehenden Tier- und Pflanzenarten wie etwa dem höchst gefährdeten Steinkrebs, Heimat bieten. In einem Natura 2000 - Gebiet wie der Schwarzen Sulm, darf die Gewässerqualität nicht verschlechtert werden. Seit Jahren wird dort um die Errichtung eines Wasserkraftwerks rege debattiert.

Grund dafür ist ein Wasserrechtsbescheid, der in der ersten Instanz positiv ausgestellt wurde, mit Begründung des überwiegenden öffentlichen Interesses am Kraftwerksbau. 2009 wurde dagegen von der Wasserwirtschaft (ebenfalls Landesregierung Steiermark) berufen und der Bescheid wurde damals behoben. Dann gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH), vor den die Kraftwerkserrichter gezogen waren, deren Beschwerde recht: Die steirische Wasserrechtsbehörde kann danach nicht gleichzeitig am Verfahren als Behörde und auf der anderen Seite als Partei beteiligt sein. Damit war der alte Bescheid wieder in Kraft. Aufgrund dieser Formalfehler im Wasserrechtsgesetz verfügen die Projektwerber Peter Masser und Alfred Liechtenstein über derzeit noch gültige Baubescheide. Seit heute 8.30 Uhr lassen sie im steiermärkischen Schwanberg an der Sulm die Bagger auffahren. Im Gegensatz zur Politik, allen voran Landeshauptmann Franz Voves und Landesrat Gerhard Kurzmann, wie der WWF meint, schläft jedoch die Zivilgesellschaft nicht: "Der überwiegende Teil der naturinteressierten Bevölkerung und das Lebensministerium lehnen dieses Kraftwerk ab, und nun sollen wir dafür auch noch Bußgelder in Millionenhöhe an die EU zahlen", ist Arno Mohl vom WWF über den heutigen Baubeginn empört. Gemeinsam mit lokalen Betroffenen, Grundbesitzern und Naturschützern des Umweltdachverbandes, sowie den Grünen und dem Arbeitskreis für den Schutz der Koralpe, protestiert der WWF daher heute vor Ort auf der Baustelle. Aufgrund der Proteste mussten die ersten Rodungsarbeiten wieder eingestellt werden und ruhen derzeit.

Der überstürzte Baubeginn kann wohl nur damit begründet werden, dass die naturschutzrechtliche Genehmigung für dieses Kraftwerksvorhaben Ende Juli 2013 ausläuft. "Als Akt der Verzweiflung soll wohl nun rasch mit Bauarbeiten begonnen werden, damit diese Genehmigung nicht verfällt", vermutet Christoph Walder, WWF-Wasserkraftexperte. Denn derzeit läuft neben einem EU-Vertragsverletzungsverfahren auch noch die Überprüfung der wasserrechtlichen Genehmigung nach Paragraph 21 a WRG durch das Land Steiermark. "Landeshauptmann Franz Voves soll endlich der Meinung des Umweltministers folgen und das Kraftwerk laut Wasserrecht ablehnen", fordert der WWF.

"Wenn der Landeshauptmann nicht handelt, bleibt nur eine Möglichkeit, um die Strafzahlungen aus Brüssel von Österreich fernzuhalten: Nikolaus Berlakovich muss den Wasserrechtsbescheid selbst aufheben, um schweren volkswirtschaftlichen Schaden von Österreich abzuwenden", so Walder. Denn Österreich drohen Bußgelder in der Höhe von 60 Millionen Euro pro Jahr, wenn der Europäische Gerichtshof die Republik wegen der Nichteinhaltung von EU-Richtlinien verurteilt. Umweltminister Berlakovich könnte dies verhindern, indem er den Paragraph 68 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) zur Anwendung bringt, um den Genehmigungsbescheid aufzuheben.

Umweltdachverband an LH Voves und LR Kurzmann: Warum setzen Sie nicht die Weisung der obersten Wasserrechtsbehörde um?

"Mit großer Besorgnis vernehmen wir, dass die Projektwerber Peter Masser und Alfred Liechtenstein nun tatsächlich mit dem Bau eines Kraftwerks an der Schwarzen Sulm begonnen haben", meint Gerhard Heilingbrunner, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes, entsetzt.

"Umweltminister Berlakovich hat nun zum zweiten Mal Landeshauptmann Voves schriftlich aufgefordert, betreffend die wasserrechtliche Bewilligung des geplanten Kraftwerkes Schwarze Sulm ein § 21a Verfahren durchzuführen. Dieses Überprüfungsverfahren dient dazu, in rechtskräftige Bescheide einzugreifen, falls die öffentlichen Interessen nicht hinreichend geschützt sind. «Dass dies in dieser Causa der Fall ist, liegt klar auf der Hand. Die Schwarze Sulm liegt in einem Natura 2000-Gebiet, ist eine der wenigen letzten verbliebenen freien Flussstrecken im sehr guten ökologischen Zustand und damit eine der hochwertigsten Schluchtstrecken Österreichs. Dieses Flussjuwel darf nicht für ein Kleinwasserkraftwerk, das bei einer max. Leistung von 4.92 MW bloß 4.750 Haushalte versorgen kann, geopfert werden!" betont Heilingbrunner.

"Landeshauptmann Franz Voves und sein Wasserlandesrat Kurzmann sind jetzt am Zug und müssen nun das bereits eingeleitete Überprüfungsverfahren nach § 21a Wasserrechtsgesetz rasch und zügig durchführen Damit kann in den rechtskräftigen Wasserrechtsbescheid eingegriffen werden, weil das Interesse am Erhalt eines so besonderen Naturjuwels, wie der Schwarzen Sulm, nicht hinreichend geschützt ist. Mögliche Maßnahmen, die im 21a Wasserrechtsüberprüfungsverfahren gesetzt werden können, umfassen nicht nur zusätzliche Auflagen, wie die Projektwerber fälschlich darstellen, sondern gehen bis hin zur dauernden Untersagung der Wasserbenutzung! Damit kann ein solches Überprüfungsverfahren sehr wohl das Pokerspiel um die Schwarze Sulm verhindern", sagt Heilingbrunner und appelliert an die steirische Politik: "Handeln Sie jetzt und nutzen Sie jede Chance zum Schutz dieses einzigartigen Naturerbes. Entscheiden Sie sich für den Erhalt dieses Flussjuwels bevor es die Bagger zunichtemachen!"
"Es scheint beiden Politikern klar zu sein, dass der Bau den europarechtlichen Vorgaben widerspricht. Klar ist auch, dass bei einer Verurteilung durch den EuGH der Rückbau der bereits gesetzten Maßnahmen die Folge wäre. LH Voves und LR Kurzmann wollen damit nur sich selbst aus der Schusslinie nehmen, um schadenersatzrechtlichen Ansprüchen, die die Konsenswerber offenbar gegen Sie anzumelden drohen, fadenscheinig auszuweichen. Aber sie pokern hier mit hohem Einsatz: Immerhin ist ihr nunmehriges Nichthandeln nicht nur weisungswidrig, sondern diese Vorgangsweise widerspricht auch offenkundig der ständigen Judikatur des EuGH und führt mit Sicherheit zu schadenersatzrechtlichen Ansprüchen aus dem Titel Verletzung von Europarecht. Weiteres möchte ich vorerst gar nicht kommentieren", so Umweltdachverbandspräsident Heilingbrunner an die beiden zuständigen Mitglieder der Landesregierung.


Die Grünen brachten das Thema Sulm diese Woche noch einmal in den Landtag ein, deren Klubobfrau Sabine Jungwirth nannte die zuständige steirische Landesregierung eine "Umweltverbrecher-Regierung" und warf der Landesregierung vor, die Köpfe einfach in den Sand zu stecken und nichts zu tun, um das Naturjuwel zu retten.

Sie wollen, dass Voves und Berlakovich ihr Weisungsrecht in Anspruch nehmen: Voves soll Landesrat Kurzmann eine diesbezügliche Weisung geben, Berlakovich Voves, denn: ‘Nur durch die rasche Erteilung solcher Weisungen können irreversible Schäden im Natura 2000 Gebiet und auch ein drohender schwerer volkswirtschaftlicher Schaden abgewendet werden!’ so Jungwirth: ‘Stoppen Sie die Naturzerstörung, stoppen Sie dieses Projekt!’

Klar ist für die Grünen auch, dass der heutige Protest nicht der letzte sein wird: ‘Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um dieses Naturjuwel zu retten!’


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /