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Von der Pflanze zur Energie

Über eine ölologische Vereinigung, die nach einer seltenen Pflanze benannt wurde

- Edvard Sequens gibt Antworten auf interessante Fragen (erstmals in der "Stafette" der Zeitung "DENIK" veröffentlicht)


Die "Stafel" der Zeitung "Deník" wird, ähnlich wie in den Stadien bei den Leichtathletikwettbewerben, weitergereicht. Diesmal von Dan Rosesky, dem Hauptkonstrukteur der Tschechischen Schulsegeljacht La Grace, von dem sie Edvard Sequens aus Borovany übernimmt, der in der Umweltorganisation Calla tätig ist.


Fragen: Dan Rosec
Antworten: Edvard Sequens

Edvard Sequens arbeitet für die Umweltorganisation Calla in Budweis.


F: Sie arbeiten für eine Budweiser Umweltorganisation, deren Name etwas fremdländisch klingt, nämlich Calla. Wie kam sie zu ihrem Namen?

A: Diesen Namen erhielt sie von der seltenen Pflanze "ablík bahenní" bzw. lat. "calla palustris" (dtsch. Drachenwurz). Sie wächst auf einigen sumpfigen Flächen, z.B. im Nationalnaturreservat "Brouskv mlyýn" im Flachuferbereich des Flüsschens Stropnice in Südböhmen. An diesem Ort war Calla bereits am Beginn seiner Tätigkeit im Jahre 1991 an eine Reihe von Maßnahmen zur Bewahrung bedrohter Pflanzen- aber auch Tierarten beteiligt.

F: Bei Calla arbeiten Sie aber als Energieberater. Wie sind Sie dazu gekommen?

A: Ich studierte zwar Elektrotechnik. Seit den Studentenzeiten zog es mich aber immer wieder zum Naturschutz hin. Ich habe klassisch in der Bewegung "Brontosaurus" angefangen, wo wir z.B. Bäumchen in der Region Jeseníky (dtsch. "Gesenke", Anm.d.Ü.) ausgepflanzt haben und so weiter. Und weil mich störte, welche Auswirkungen unsere Kraftwerke auf die Umwelt hatten und gleichzeitig geplant war, meiner Meinung nach überflüssigerweise, Temelín zu errichten, zögerte ich nicht, als ich in den 90er Jahren von der Organisation "Děti Země" (dtsch. "Kinder der Erde") angesprochen wurde, ob ich nicht im Rahmen einer Energiekampagne für sie arbeiten möchte. So kam ich schrittweise im Jahr 1997 zu Calla, wo man sich neben dem schon erwähnten praktischen Naturschutz auf Energiefragen spezialisiert hatte.


F: Was kann man sich eigentlich unter der Arbeit eines Energieberaters vorstellen?

A: Wir haben eine Umweltberatung eingerichtet, die Menschen hilft, die eine Situation hinsichtlich der Energieversorgung oder der Energieeinsparung für ihre Wohnung oder Firma verbessern möchten. Unsere Klienten sind auch Gemeinden und ihre Einwohnerinnen und Einwohner, und zwar in den letzten Jahren vor allem jene, die an Orten leben, wo droht, dass ein unterirdisches Lager für Atommüll errichtet wird. Wir bieten ihnen vom Staat unabhängige Informationen und bemühen uns, dass es in unserem Land klare Regeln gibt, mit einem Vetorecht für die Gemeinden, wie das im Ausland bereits existiert und zwar schon bevor man mit irgendwelchen Forschungsarbeiten beginnt. So streben wir auch an, dass die Tschechische Republik eine klare und langfristige Energiewende-Strategie verabschiedet, die ohne Kohle und letztlich auch Atom auskommt.

F: Geht das? Verfügen wir wirklich über derartige Möglichkeiten?

A: Calla gehört zu jenen NGOs, die in Zusammenarbeit mit Experten des Wuppertal-Instituts in Deutschland das Energiekonzept "Chytra energie" (dtsch. "kluge Energie", Anm.d.Ü.) ausgearbeitet haben. Dies ist ein ganz konkreter Plan, wie innerhalb von vier Jahrzehnten das Tschechische Energiewesen umgebaut werden kann und ohne die wirklich schmutzige Kohle und schrittweise auch ohne die immens teure und risikobehaftete Atomenergie auskommen kann. Im Bereich der Energieeffizienz, der Verbrauchsreduktion und der Nutzung von lokal verfügbaren erneuerbaren Energiequellen haben wir gigantische Möglichkeiten. Dieses Konzept schlägt konkrete Instrumente vor, wie die erwähnten Ziele erreicht werden können. Den gleichen Weg haben schon Deutschland und Dänemark eingeschlagen und weitere Länder planen dasselbe.


F: Oft wird gesagt, dass die Ökologen in die Höhlen zurückkehren und mit Fackeln leuchten möchten. Ist das Ihr Ideal?

A: In die Höhlen zurück könnten uns paradoxerweise die Bemühungen all jener führen, die versuchen, alles mit dem Ziel eines schnellen Gewinns ohne Rücksicht auf die Folgen zu erobern und alles zu verbrennen, was uns die Erde anbietet. Unsere Zivilisation basiert auf der Energie aus fossilen Brennstoffen. Laut einigen Szenarien von Experten könnte ein rasches Ende von verfügbarem Erdöl, zusätzlich durch die Auswirkungen der Klimaveränderungen verschlechtert, bewirken, dass kaum ein Fünftel der Weltbevölkerung überleben würde. Nichtsdestotrotz denke ich, dass die Vernunft siegen wird. Und daher bieten wir von Calla auch Alternativen an. Das Ziel ist nicht, dass wir die Errungenschaften der modernen Technik aufgeben, sondern dass wir damit nicht verschwenderisch umgehen und die Abhängigkeit von lokal nicht verfügbaren und erschöpflichen Energiequellen reduzieren.


F: Der Zustand der Verschmutzung des Planeten Erde ist nach einigen Ansichten derart kritisch, dass, auch wenn sämtliche industrielle Produktion augenblicklich eingestellt würde, es dennoch mehrere Jahrzehnte dauern würde, bis wir wieder zu einem Zustand wie am Beginn der Industrieellen Revolution gelangen würden. Ist da etwas Wahres dran?

A: Was die Treibhausgase in der Atmosphäre betrifft, würde das ganz offensichtlich noch länger dauern, wobei deren Verursacher nicht nur die Industrie ist. Wir müssen dazusagen, dass das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC -Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) das noch bewältigbare Limit der globalen Temperaturveränderung auf der Erde mit plus 2 Grad einschätzte. Heute ist bereits klar, dass es nicht gelingen wird, dieses Niveau zu halten, weil die Emissionen weiter zunehmen. Wir können aber die industriellen Erzeugungsprozesse nicht stoppen. Der Weg muss damit eine deutliche Reduktion ihres Energieverbrauchs sein. Zum Beispiel weisen die tschechischen Betriebe aus der Metallbranche im Vergleich mit dem europäischen Durchschnitt wesentlich schlechtere Parameter auf. Die Branche ist übrigens auch deshalb weniger konkurrenzfähig. Und es geht auch um den Ersatz der derzeit eingesetzten Energiequellen, wir müssen weg kommen vom Verbrennen der Kohle.


F: Sie verfolgen sicher die Debatte über den Bau weiterer Blöcke in Temelin. Ist die Öffentlichkeit ausreichend darüber informiert?

A: Leider wird hier meiner Meinung nach auf breiter Ebene eine recht einseitige Kampagne geführt, welche an die 90-er Jahre erinnert. Damals glaubte die tschechische Öffentlichkeit den Politikern und Verfechtern der Atomkraft, dass wir ohne Temelin keinen Strom mehr haben oder dass als Ersatz dafür die Kohlekraftwerke in Nordböhmen abgestellt würden. Die Realität ist, dass die schmutzigen fossilen Energiequellen weiterlaufen und dass Tschechien, weltweit betrachtet, der viertgrößte Stromexporteur ist. Ähnlich ist es mit den geplanten neuen Reaktoren. Ich denke, dass sie nur unsere Abhängigkeit vom starken Konzern CEZ aufrecht erhalten sollen. Wenn es nach dem Entwurf für das staatliche Energiekonzept von Minister Martin Kuba weiter geht, setzt sich dieser Stomexport fort. Und für das sogenannte "Atomkonto" sollen neuerdings die Konsumenten einen ähnlichen Zuschlag bezahlen, wie es ihn heute für die Solarkraftwerke gibt.


F: Und Sie persönlich als Ökologe? Sie fahren jeden Tag von Borovany nach Budweis. Fahren Sie mit dem Zug, dem Auto oder mit dem Autobus? Könnte man von Borovany auch jeden Tag mit dem Rad fahren?

A: Meistens fahre ich mit dem Autobus, manchmal mit dem Zug, mit dem Fahhrad absolviere ich diese Strecke nur ausnahmsweise. Der Verkehr ist deutlich dichter geworden und ich fühle mich auf dieser Straße nicht allzu sicher. Aber ich kenne Menschen, die bis heute diese Strecke regelmäßig per Rad fahren.


F: Unter anderem organisiert Calla auch die sogenannten "Grünen Donnerstage"- Welches Echo haben sie?

A: Calla bemüht sich um eine ökologische Aufklärung. Dazu gehören auch diese "Grünen Donnerstage", also ein Zyklus von Vorlesungen und Debatten mit Gästen zu verschiedensten Umweltthemen. Wir möchten, dass bei diesen "Grünen Donnerstagen" ein unterschiedliches Publikum den Weg zu uns findet. Diesen Zyklus veranstalten wir zusammen mit der Organisation ROSA schon das elfte Jahr und manchmal reichen die Räumlichkeiten in der Galerie "Msíc ve dne" (dtsch. "Mond am Tag") in Budweis gar nicht aus.

Übersetzt aus "eskobud jovicky deník" von Bernhard Riepl


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /