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Haus- und Gartenpestizid-Einkaufstest: Handel kommt Informationspflicht bei gefährlichen Pestizide nicht nach

HobbygärtnerInnen werden über Gefahren der Pestizide und Schutzmaßnahmen nicht informiert. Gesetzeslücke: Bienengefährliches Fipronil in Haushaltspestiziden enthalten. Neuer Folder „Gärtnern ohne Gift“ gratis erhältlich.

Linz/Wien, - Auch nach dem gesetzlichen Aus für die Selbstbedienung werden gefährliche Pestizide in Österreichs Baumärkten, Gartencentern und Lagerhäusern an KonsumentInnen ausgehändigt, ohne dass auf die Risiken für Gesundheit und Umwelt hingewiesen wird. Das ergab ein neuerlicher nachfassender Pestizid-Einkaufstest, den die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit dem oberösterreichischen Umwelt-Landesrat Rudi Anschober von März bis Mai dieses Jahres durchführte. Leider hat sich die Situation seit dem Vorjahr nicht verbessert:

Bei 36 der 40 Testeinkäufe - bei 90%! - wurde den TesteinkäuferInnen das gewünschte Pestizid ausgehändigt, ohne auf Gefahren und gesetzliche Auflagen oder Schutzvorkehrungen hinzuweisen.

In 65% der Testeinkäufe wurde selbst auf Nachfrage nicht auf Gesundheitsrisiken bzw. vorgschriebene oder empfohlene Schutzkleidung aufmerksam gemacht.

In 40% der Testeinkäufe wurde auch auf Nachfrage nicht auf die gesetzlichen Wartefristen zwischen dem Spritzen und dem Verzehr von Obst und Gemüse aufmerksam gemacht.

Die Bienengefährlichkeit bzw. das Verbot, bestimmte Insektizide auf blühende Pflanzen zu spritzen, wurde nur in einem von elf Fällen angesprochen.

"Unser Einkaufstest macht deutlich, dass trotz Gesetzesänderung der Kontakt zwischen Verkäufer und Kunde sich de fakto auf das Aushändigen der Ware beschränkt", kritisiert DI Dr. Helmut Burtscher, Umweltchemiker von GLOBAL 2000. "Durch die Missachtung der gesetzlichen Beratungspflicht wird aber ein nicht akzeptables Risiko für Tiere, Gewässer und vor allem auch für die menschliche Gesundheit in Kauf genommen!"


Chemikalien bergen Risiken für Menschen, Bienen und Umwelt

Neben den unterschiedlichen ökologischen Risiken haben alle vier für unsere Testeinkäufe ausgewählten Pflanzenschutzmittel eines gemeinsam: bei ihren Inhaltsstoffen handelt es sich um potentiell hormonell wirksame Chemikalien, die im Verdacht stehen, schwerwiegende gesundheitliche Langzeitfolgen wie Fortpflanzungsstörungen, Brust-, Hoden- und Prostatakrebs sowie Entwicklungs- und Verhaltensstörungen zu verursachen, insbesondere wenn der sich entwickelnde Fötus während der Schwangerschaft diesen Chemikalien ausgesetzt ist.


DI Dr. Burtscher: "Dass solche Pestizide überhaupt noch am Markt sind, ist schon deshalb eine Schande, weil das EU-Parlament schon 2009 beschlossen hatte, hormonell wirksame Chemikalien als Pestizidwirkstoffe zu verbieten. Dass diese Pestizide aber an HobbygärtnerInnen verkauft werden, ohne auf Gesundheitsrisiken und nötige Schutzmaßnahmen hinzuweisen, muss als fahrlässige Gesundheitsgefährdung eingestuft werden."


Vollkörperschutzanzug empfohlen – aber kein Hinweis darauf

So wird laut Pflanzenschutzmittelregister des Bundesamts für Ernährungssicherheit den Landwirten für das Spritzen des Insektizids "Epigon Neu" der Firma Kwizda-Agro das Tragen eines Vollkörperschutzanzugs mit Schutzbrille inklusive Atemschutz nahegelegt. Unseren TesteinkäuferInnen wurde dasselbe Mittel mehrfach kommentarlos ausgehändigt. Auch nicht auf Nachfrage wurde das Tragen von Schutzkleidung empfohlen. Bemerkenswert ist, dass die Beratungsqualität in den Raiffeisen Lagerhäusern, woher ja auch Landwirte ihre Spritzmittel beziehen, die Beratung ähnlich fehler- und lückenhaft war wie in den Gartencentern.


Die Vollzugs- und Kontrollpflichten in Bezug auf die Einhaltung der Bestimmungen der Pflanzenschutzmittelverordnung 2011 liegen beim Bundesamt für Ernährungssicherheit. "Die politische Letztverantwortung hierfür trägt Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Der Minister muss die durch den Einkaufstest von GLOBAL 2000 aufgedeckten Missstände, die zu einer Gefährdung von Mensch und Umwelt führen, beenden", fordert Burtscher.


Gesetzesänderung 2015: Ausbildung für das Verkaufspersonal und KundInnen notwendig

Ab dem Jahr 2015 muss das Verkaufspersonal einen sogenannten Sachkundenachweis - eine Bescheinigung einer absolvierten Ausbildung oder Schulung - erbringen, um die KundInnen über Verwendung, Risiken, Lagerung und Entsorgung von Pflanzenschutzmitteln zu informieren. Es muss dafür in den Geschäften auch ausreichend Personal zur Verfügung stehen. Profiprodukte dürfen dann nur mehr an KundInnen verkauft werden, die ebenfalls einen Sachkundenachweis besitzen und entsprechend geschult sind.


Gesetzeslücke: bienengefährliches Fipronil in Haushaltspestiziden noch immer enthalten

Nicht zuletzt hat unser Testeinkauf eine Gesetzeslücke offenbart, die zu folgendem absurden Umstand führt: Fipronil, ein Pestizidwirkstoff, der aufgrund seiner Gefährlichkeit für Bienen im Vorjahr von der EU-Kommission weitgehend verboten wurde und in Österreich von Landwirten nicht mehr eingesetzt werden darf, ist in zahlreichen Haushaltspestiziden zur Bekämpfung von Ameisen und anderen Insekten immer noch enthalten. Da es sich hierbei nämlich um ein sogenanntes "Biozid" handelt, das im Haushalt und nicht zur landwirtschaftlichen Produktion verwendet wird, greifen hier die europäischen und österreichischen Gesetzesänderungen nicht. Diese beziehen sich nämlich auf das Pflanzenschutzmittelgesetz. "Das führt zu der Situation, dass das Pestizid Fipronil, das aufgrund seiner Bienengiftigkeit von der EU verboten wurde und von den österreichischen Erdäpfel-Bauern dieses Jahr nicht mehr eingesetzt werden darf zeitgleich von HobbygärtnerInnen in Baumärkten gekauft und in den Gärten ausgestreut werden kann. Diese Gesetzeslücke muss unbedingt geschlossen werden", so Burtscher.

Neuer Folder "Gärtnern ohne Gift – Tipps für mehr Artenvielfalt im Garten"

Den Umstand, dass oft in den letzten Jahrzehnten in manchen Gärten pro Quadratmeter mehr Pestizide als in der angrenzenden Landwirtschaft verwendet wurden, möchten GLOBAL 2000 und Oberösterreichs Landesrat Rudi Anschober ändern. Rudi Anschober: "Um die HobbygärtnerInnen auf die Gefahren von Pestiziden und anderem Gift in ihrem Garten aufmerksam zu machen, einfache biologische Alternativen zu geben bzw. die natürlichen Abläufe aufzuzeigen, haben wir für sie den Folder 'Gärntnern ohne Gift – Tipps für mehr Artenvielfalt im Garten' zusammengestellt". Denn auch Hausmittel wie Kräuteraufgüsse mit Brennnesseljauche, Knoblauch gegen Läuse oder Kaffeesatz als Dünger sind hochwirksam – und sind weniger risikoreich. Generell ist das Ziel der oberösterreichischen Umweltpolitik mit der oberösterreichischen Pestizidstrategie, den Einsatz von Pestiziden mittelfristig deutlich zu verringern.

Testbericht

Den Testbericht "Haus- und Gartenpestizide im GLOBAL 2000 Einkaufstest" finden Sie unter https://www.global2000.at/haus-und-gartenpestizide-einkaufstest


Folder "Gärtnern ohne Gift – Tipps für mehr Artenvielfalt im Garten"

Die Broschüre ist ab sofort gratis unter www.anschober.at erhältlich.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /