© FS
© FS

Die Auseinandersetzung um die S1-Lobauautobahn läuft weiter

Umweltorganisationen und BI's zeigen gemeinsam weiteren Verfahrensweg vor und Probleme auf

Wien - Zu einer spannenden Pressekonferenz luden die Umweltorganisationen Forum Wissenschaft und Umwelt (FWU), GLOBAL 2000 und VIRUS gemeinsam mit den Bürgerinitiativen "Rettet die Lobau" und Marchfeld Groß-Enzersdorf ein. Sie zeigten damit das weiterhin offene Rennen um die S1 Lobauautobahn auf, brachten die immensen Probleme des Projekts vor den Vorhand und stellten die Bedeutung der erfolgreichen Abwehr für Klimapolitik und eine Abwehr von Milliardenschulden vor.

Wolfgang Rehm, Sprecher der Umweltorganisation VIRUS, der auch die BI Rettet die Lobau im Verfahren vertritt, fasst die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung zusammen: "Es gibt jetzt zwar einen Bescheid aber auch 2013 war schon einer fertig, dennoch musste das Ermittlungsverfahren fortgesetzt werden. Auf unsere Vorbringen mit insgesamt 21 Gutachten ist die Behörde nicht ergebnisoffen eingegangen. Die Ermittlungen wären zwar auch jetzt nicht abgeschlossen, aber offenbar wurde der politische Druck so groß, dass um jeden Preis ein Bescheid erlassen werden musste. Dementsprechend sieht er aus, nun wird sich die nächste Instanz damit auseinandersetzen". Dringend ans Licht der Öffentlichkeit gehöre weiters die "Geheimsache", mit der im Dunstkreis des bmvit und vom jeweiligen Minister per Dienstanweisung abgesegnet - ein so Rehm "dubioses System von Richtlinien" in Gestalt der so genannten RVS etabliert wurde. Planer, Gutachter und Ministerialbeamte würden sich dabei die nicht frei veröffentlichten, aber von der Behörde als alles entscheidend behandelten Spielregeln ausmachen, mit denen die Projekte erst genehmigungsfähig gemacht werden. "Nur so konnte es etwa geschehen, dass trotz jahrelanger massiver Kritik namhafter Tunnelsicherheitsexperten am Brandschutz des Lobautunnels das Sicherheitsniveau nachträglich reduziert wurde. Man hat die Fluchtwegabstände verdoppelt, um am falschen Platz ein paar Euro zu sparen", kritisiert Rehm. Ein Hauptproblem bliebe weiters die Querung der Grundwasserhorizonte unter dem Nationalpark in keinesfalls dichtem Untergrund aus dem die Großstadt Wien mit Trinkwasser versorgt wird. "Die Untersuchungen waren und sind mangelhaft und die Kritik unserer geologischen Sachverständigen konnte nicht entkräftet werden", so Rehm.

Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt des Forums Wissenschaft und Umwelt (FWU) stellte gleich anfangs klar, dass die Ampel für das Projekt keinesfalls auf Grün steht. Das Vorhaben brauche jedenfalls noch weitere Bewilligungsverfahren bei den Ländern Wien und Niederösterreich im Bereich des Wasser- und Naturschutzrechts in denen im Anschluss ebenfalls Rechtsmittel eingebracht werden können. Im nun lediglich erstinstanzlich abgeschlossenen UVP-Verfahren sei klar gewesen, dass eine Ablehnung des Asfinag-Genehmigungsantrages denkunmöglich ist, solange der Verkehrsminister auch UVP-Behörde ist. "Hier erwarten wir vom neu geschaffenen Bundesverwaltungsgericht, an das unsere Beschwerden gegen den unter anderem dem Bestimmtheitsgebot widersprechenden Bescheid zu richten sind, eine faire, ergebnisoffene und unabhängige Entscheidung" so Unterweger. Kritik des Anwalts kam auch an den Nutzen-Kostenanalysen in denen der volkswirtschaftliche Nutzen von Tunnelbauten Österreich generell überzogen dargestellt werde. Auch für diese Untersuchungen würden die Spielregeln mittels RVS gemacht und auch sonst seien die UVP-Grundlagen fragwürdig. "Die Grundlagen für eine Prüfung der Umweltverträglichkeit der S1... für den Bereich Verkehr basieren überwiegend auf Annahmen und Wunschvorstellungen, die jedoch aktuelle und real nachweisbare Gesellschafts- und Verkehrspolitische Daten zu Verhaltensänderungen außer Acht lassen," zitiert Unterweger die Verkehrswissenschafter Univ. Prof. Dr. Knoflacher und Dr. Frey aus ihrem für das FWU erstellten Gutachten.

DI Christian Hiebaum, er vertritt die BürgerInitiatve Marchfeld -Groß Enzersdorf im UVP Verfahren verwies die immer wiederkehrenden Politikeransagen von einer Verkehrsentlastung durch die S1 ins Reich der Fabel. Wie dem Projekt zu entnehmen sei würden etwa weder die wiederholt ins Spiel gebrachte Südosttangente noch die Esslinger Hauptstraße oder die Stadt Groß Enzersdorf vom Verkehr entlastet, es käme nach den vorgelegten Unterlagen im Gegenteil zu deutlichen Verkehrszunahmen. "Entlastungswirkungen werden dadurch dargestellt, dass künstlich hochgerechnete Verkehrsbelastungen des Bestandsnetzes für ein Prognosejahr konstruiert werden. Aber selbst für diesen Fall kann nicht von einer nachhaltig wirksamen Entlastung gesprochen werden," so Hiebaum. Wie Sachverständige festgestellt hätten, sei es der Projektwerberin bisher nicht möglich gewesen, die Unsicherheiten bei den Verkehrsuntersuchungen und darauf aufbauenden Immissionsberechnungen so in den Griff zu bekommen, dass eine Einhaltung der Grenzwerte nachgewiesen werden kann. "Durch die neue Lärmverordnung des bmvit sind chaotische Zustände entstanden, plötzlich wären eine größere Zahl von Anrainern von unzumutbarer Lärmbelästigung betroffen. Dass S1 und S8 trotz überschneidendem Projektgebiet auch für den Nullplanfall nicht zusammenpassen, spricht für sich und gegen die Qualität der vorgenommenen Untersuchungen", kritisiert Hiebaum.

Mag. Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000 macht die eminente Bedeutung des Verkehrssektors für die österreichischen Klimaschutzbemühungen deutlich: "Die österreichische Regierung hat beim Klimaschutz jahrelang geschlafen. Anstatt, wie vereinbart, die Treibhausgasemissionen einzusparen, hat Österreich die Emissionen sogar erhöht. Es ist völlig verrückt, im Jahr der entscheidenden Klimakonferenz in Paris, wieder Autobahnen zu bauen, anstatt sinnvolle Alternativen umzusetzen, die Mensch und Umwelt wirklich entlasten." Hunderte Millionen Euro wurden bereits in den Zukauf von CO2-Zertifikaten gesteckt und trotzdem ist Österreich nicht auf Kurs, was die Erreichung der Klimaziele bis 2020 betrifft. Dazu gibt es keine Strategie, wie man die Ziele bis 2030 erreichen will, und auch noch keinen Plan, wie wir es schaffen, bis 2050 aus fossiler Energie auszusteigen. "Die Regierung agiert in der Klimapolitik völlig planlos und an allen Ecken und Enden fehlt es an Geld. In dieser Situation ist es völlig unverantwortlich, Milliarden in den Bau einer Autobahn zu stecken. Statt neuen Milliardengräbern brauchen wir Zukunftsinvestitionen in den öffentlichen Verkehr, thermische Sanierung und erneuerbare Energie", so Johannes Wahlmüller abschließend.

Die Organisationen kritisieren, dass ein weiteres Jahr ohne die im Regierungsprogramm vorgesehene Evaluation des Asfinag Bauprogramms verstrichen ist. "Im Interesse der Umwelt und der Staatsfinanzen sollte diese rasch angegangen und die S1 und ihre Satellitenprojekte S8 -"Marchfeldautobahn" und S1-"Spange Seestadt-Stadtstraße" ehebaldigst gestrichen werden", so die Veranstalter unisono.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /