© Passivhausinstitut/ Wohnanlage Vögelebichl - ein Passivhaus Plus
© Passivhausinstitut/ Wohnanlage Vögelebichl - ein Passivhaus Plus

Nachhaltig Bauen & Sanieren ist nicht wirtschaftlich - oder doch?

Neueste Studien - 7 Fachkommentare von Experten - Tool errechnet optimale Dämmdicke - Kosten für nachhaltiges Bauen gesunken - Wärmeverluste nach Bauteilen uvm

Trotz zahlreicher positiver Studien und Fachmeinungen bleibt es eine vieldiskutierte Frage beim nachhaltigen Bauen und Sanieren: Rechnen sich die baulichen Maßnahmen in Hinblick auf Ökologie und Energieeffizienz auch wirtschaftlich?

Volkswirtschaftliche Notwendigkeit

Wer denkt, der Energieverbrauch in den heimischen Haushalten sinkt aufgrund von Krise und Umweltbewusstsein, irrt: Der klimabereinigte Endenergieverbrauch je Österreicher steigt seit 2012 wieder und lag nach aktuellen Energieberichten 2013 um rund 26 Prozent höher als im Jahr 1995. 2,2 Millionen sanierungsbedürftige Wohnungen oder rund 60 Prozent des gesamten Wohnungsbestands bräuchten eine energieeffiziente Sanierung. Die Sanierungsrate liegt in Österreich seit Jahrzehnten bei etwa einem Prozent, sprich es dauert 100 Jahre, bis der Gebäudebestand komplett durchsaniert ist. Noch dazu machen die thermischen Sanierungen nur einen Teil der Gesamtsanierungen aus. Was ist also wirtschaftlich (und nachhaltig)? Impulse zu nachhaltigem Bauen wie ein Sanierungsscheck der Bundes, der 2013 mit 132,2 Millionen Euro Fördermittel nachhaltige Investitionen von 847 Millionen Euro unterstützt hat und 12.715 Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen hat? Oder durch den Klimawandel drohende Schäden in Höhe von bis zu 8,8 Mrd. Euro jährlich - alleine in Österreich?

Aktuelle Studien belegen Wirtschaftlichkeit

Dass nachhaltiges Bauen und Sanieren zwar eventuell geringfügig mehr kostet kann, aber sich langfristig rechnen kann, belegen neue Studien. Da in den nächsten Jahrzehnten mit höheren Energiepreisen jeder Art zu rechnen ist, sind Gebäudekonzepte mit Schwerpunkt auf Energieeffizienz im Vorteil.

Kosten für nachhaltiges Bauen sinken

Eine Studie der Universität für Bodenkultur Wien hat zudem die Herstellungskosten im Vergleich zum Baustandard Niedrigenergiehaus gegenübergestellt. Das Ergebnis: Die Kosten für nachhaltiges Bauen sinken aufgrund technischer Entwicklungen, zumindest im mehrgeschossigen Wohnbau. Die Autoren einer weiteren Studie "Preisentwicklung Gebäudeenergieeffizienz" stellen fest, dass in den letzten Jahrzehnten viele Bauteile günstiger und hochwertiger geworden sind: "Angesichts der Ergebnisse dieser Initialstudie scheint die These von der "steigenden Energieeffizienz als natürlicher Feind des kostengünstigen Bauens" nicht haltbar zu sein."

Bekenntnis zu Nachhaltigkeit gefordert
"Fakt ist: Ohne Energieeffizienz gibt es kein nachhaltiges Bauen. Es geht nicht mehr darum, ob der Klimawandel stattfindet, sondern nur mehr darum, wie stark oder unvorteilhaft die Konsequenzen daraus sind. Wer CO2 sparen will, baut und betreibt seine Häuser energieeffizient und mit einem möglichst vorteilhaften Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Bereitstellung des Restenergiebedarfs. Wer Gegenteiliges behauptet, stellt sich auf die Seite derer, die schon an der mittelfristigen Zukunft kein allzu großes Interesse zeigen und denen es möglicherweise - wirtschaftlich betrachtet - eher um eine vorteilhafte Gegenwart geht", meint dazu Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut ÖÖI in einem Fachkommentar.

Geringe Mehrkosten bei nachhaltigem Bauen

Aktuelle Studien und jahrzehntelange Baupraxis belegen die Wirtschaftlichkeit bei nachhaltigem Bauen. Lechner: "Im Rahmen zahlreicher von uns und ganz vielen anderen Expertinnen und Experten begleiteter Neubauten und Sanierungen kommen wir zu Investitionsmehrkosten von keinem bis wenigen Prozentpunkten für nachhaltiges, besonders energieeffizientes Bauen. Dabei spielen die verwendeten Materialien für den Hochbau eine weniger wichtige Rolle, als der technische Gebäudestandard. Vereinfacht: Null- und Plusenergie braucht heute (noch!) mehr Geld als Energieeffizienz; Energieeffizienz kostet unmerklich mehr als herkömmliche Stangenware." Und Günter Lang von Passivhaus Austria: "Im Idealfall kann der Passivhaus-Standard zu den gleichen Baukosten errichtet werden, die der Mindeststandard an Baukosten verursachen würde. Es kommt nur auf das Verhältnis zwischen Ausgaben für die thermische Gebäudequalität und für die Haustechnik an. Aber selbst bei Mehrkosten von zwei bis vier Prozent haben sich die eingesparten Energiekosten in wenigen Jahren mehrfach eingespielt. Und dabei sind die volkswirtschaftlichen Einsparungen noch gar nicht in Betracht gezogen."

Neues Online-Tool belegt Wirtschaftlichkeit bei Dämmung

"Immer wieder wird in den Medien auf nicht ganz sachliche Weise gegen Wärmedämmung mobil gemacht: Teuer, nur für die Dämmstoffindustrie vorteilhaft, ineffizient, umweltschädlich, problematisch in der Entsorgung. baubook hat einen ökologischen Amortisations- und Wirtschaftlichkeitsrechner für Bauteile entwickelt, mit dem man selbst transparent überprüfen kann, ob sich eine Dämmmaßnahme rentiert und wie sie sich auf die Umwelt auswirkt. Klar ersichtlich ist aus den vielen Ergebnissen, dass sich Dämmen ökologisch und ökonomisch auszahlt", präsentiert aktuell Bernhard Lipp, Österreichisches Institut für Baubiologie und - Ökologie (IBO), das AWR-Tool. Mit dem Rechner können verschiedene Dämmstärken, Baustoffe, Konstruktionen und Energieträger miteinander verglichen werden. www.baubook.at/awr/

Wirtschaftlich optimale Dämmstärke errechnet
Und noch eines zeigt der Rechner: die ideale Dämmstärke je nach Dämmstoff. Die ökologisch optimalen Dämmstoffstärken liegen meist im Bereich von 50 bis 120 Zentimeter. Ökonomisch betrachtet liegt der Optimalwert zwischen etwa 25 und 50 Zentimeter. Ein Beispiel: Bei mineralischen Wärmedämmplatten betragen die genaueren Optimalwerte ab mindestens 85 Zentimeter (ökologisch) für nicht erneuerbare Primärenergie und 23 Zentimeter (ökonomisch).

Ökologische Transformation

Johannes Kislinger, Innovative Gebäude: "Intelligent eingesetzte innovative Konzepte nutzen, um nachhaltige Lösungen zu finden ist das Ziel. Nicht mehr das Gebäude allein, sein Lebenszyklus und seine Nachnutzung stehen im Mittelpunkt, sondern der gesamte Kontext: Über das Gebäude hinausdenken heißt, globale Zusammenhänge mit seiner persönlichen Einstellung zum Miteinander in Einklang bringen, über die Nachbarschaft und Siedlung hinaus bis hin zu politischen Entscheidungen. Der Konsument bestimmt letzten Endes den Markt und macht damit Politik." Und Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation: "Es geht um einen Transformations-Prozess unseres Wirtschaftssystems weg vom Anspruch auf kontinuierlich mehr, hin zur Identifikation echter Bedürfnisse."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /