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Die Kosten der Energiewende – im Vergleich zu „weiter wie bisher“

Rückblick auf einen Fachdialog mit Univ-Prof.in Dr in Helga Kromp-Kolb, Univ.-Prof. Dr. Michael Getzner und Dipl.-Ing. Dieter Drexel

© Getzner, TU Wien
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Kosten der Energiewende

Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer und eine überaus prominente und kompetente Runde von Vortragenden konnte Prof. Dr. Reinhold Christian, Geschäftsführer von Umwelt Management Austria, am 12. Oktober bei der Veranstaltung "Die Kosten der Energiewende – im Vergleich zu ‘weiter wie bisher" erfreut begrüßen. ‘Nach der Diskussion von Notwenigkeit und Grundlagen einer Energiewende sowie der einschlägigen Ziele und Regelungen in der EU und in Österreich kommen wir nun in unserer Veranstaltungsreihe zu wirtschaftlichen Aspekten der Energiewende’, erläuterte Christian. ‘Über die Kosten der Transformation des Energiesystems wird ja viel diskutiert und auch gejammert. Den Nutzen dagegen nimmt man gerne an. Eine bedeutende Frage wird auch sein, wer das zu finanzieren hat – obwohl ich sicher bin, dass das letztlich immer die Allgemeinheit – sei es als Steuerzahler, sei es als Energiekonsument – trifft, genauso wie die Schäden der Fortsetzung des bisherigen Weges.’

Überleben der Menschheit ernsthaft in Frage gestellt

‘Der Klimawandel zählt, neben den fortschreitenden Verlusten der Biodiversität, zu jenen Problemen, die das Überleben der Menschheit ernsthaft in Frage stellen’ warnte Univ-Prof.in Dr in Helga Kromp-Kolb in ihrem einleitenden Referat. Eine Energiewende ist ihrer Meinung nach unausweichlich, um Klimaziele zu erreichen. Bisherige Bemühungen um die wichtige Energieeffizienzsteigerung haben zu wenig gefruchtet: Die Treibhausgase sind weiter angestiegen. Zur Vertiefung ihrer kurzen Darstellung der aktuellen Entwicklung verwies Kromp-Kolb auf zwei aktuelle Publikationen*). Der Treiber dieser Entwicklung sei eindeutig der Mensch – einerseits der übermäßige und stets steigende Konsum, anderseits die große Zahl an Erdenbürgern.

‘Um eine gute Zukunft zu sichern, bedarf es weit mehr als einer Energiewende: es gilt, dem Wachstumszwang zu entkommen und eine nachhaltige Wirtschaft – mit anderen Spielregeln – zu etablieren,’ so Kromp-Kolb.

Kosten, Nutzen, direkten und indirekten Förderungen sowie externen Effekten

Univ.-Prof. Dr. Michael Getzner erläuterte anhand aktueller Beispiele die Zusammenhänge zwischen Kosten, Nutzen, direkten und indirekten Förderungen sowie externen Effekten.

‘Die Kosten der Energiewende werden für Deutschland mit 0,5% des Bruttoinlandsprodukts – das sind etwa 15 Mrd. Euro pro Jahr – beziffert. Dem stehen viele positive volkswirtschaftliche Effekte gegenüber wie z.B. Wertschöpfung und Beschäftigung, Reduktion von Gesundheitskosten, Verminderung von Devisenabflüssen für Energieimporte, Reduktion weiterer negativer externer Effekte (die man auch als indirekte Förderung sehen kann).’ erläuterte Getzner und weiter ‘nach dem World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur zu urteilen werden weltweit fossile Energien weitaus stärker gefördert als Erneuerbare. Einen wesentlich höheren Betrag als die explizierten Förderungen dürften die indirekten Förderungen ausmachen, also Schäden und negative Umwelteffekte, mit denen die Allgemeinheit belastet wird – sei es zur Finanzierung von Schadensreparatur oder -vermeidung, sei es unmittelbar durch die Schadwirkungen.’

‘Den break-even point, an dem der finanzielle Nutzen durch Einsparung von Energiekosten die Kosten des Umbaus des Energiesystems überwiegen wird, wird für Deutschland für den Zeitraum 2030 bis 2035 erwartet,’ so Getzner.

Dass es den Klimawandel gibt, steht außer Streit

‘Dass es den Klimawandel gibt, steht außer Streit. Wir müssen uns alle dieser großen Herausforderung stellen’ stellte Dipl.-Ing. Dieter Drexel, Industriellenvereinigung Österreich, gleich zu Beginn klar. ‘Die Frage ist allerdings, wie man dabei vorzugehen hat.’

In der Folge stellte Drexel eine Reihe von Problemen aus der Sicht der Industrie dar: So sei Gas der wichtigste Energieträger der Industrie und daher sei der gegenüber den USA dreifache Gaspreis in Europa ein besonderes Problem. Eine weitere Verteuerung der Energie würde die Probleme noch wesentlich verschärfen. Auch in der Standortanalyse zeigt Österreich eine zwiespältige Entwicklung. Die Infrastruktur sei top. Die energie- und umweltpolitischen Vorgaben der heimischen Politik in den letzten Jahren schwächen jedoch den Standort, so Drexel.

Weiters bezog sich Drexel auf die globale Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung und hob insbesondere das Beispiel China hervor, das mittlerweile auch mit den Emissionen pro Kopf nahe an europäische Werte herankomme. Wenn sich der für uns gewohnte Lebensstandard global verbreitet, werde das Problem eine neue Dimension gewinnen. Drexel zeigte sich skeptisch, ob die derzeit diskutierten Maßnahmen der Energiewende die richtigen und ausreichend wären. ‘Die Industrie sieht Lösungsmöglichkeiten in erster Linie in Innovationen, die uns neue Möglichkeiten erschließen’ schloss Drexel.

Intensive Diskussion - Ökosteuer notwendig

In der Diskussion wurden zahlreiche Themen konkret angesprochen: Energiepreise, Förderung des Ökostroms, ökologische Steuerreform, Anteile der Energiekosten an den Produktionskosten der Industrie, Fragen der Finanzierung und technischer Maßnahmen von Verkehrswesen bis zur Wärmedämmung.

In ihrem Schlusswort hielt Kromp-Kolb fest, dass der Adressat der zahlreichen diskutierten Maßnahmen und der notwendigen Implementierung wirkungsvoller Strategien nicht die Industrie sein könne, sondern die Politik. Die Industrie sei in ihren Entscheidungen an die aktuellen Rahmenbedingungen und an relativ kurzfristige Überlegungen gebunden, müsse sich aber natürlich dafür einsetzen, dass sich diese Rahmenbedingungen ändern.

Beim Vergleich mit Treibhausgasemissionen Chinas müsse berücksichtigt werden, dass Österreich aufgrund der Importe rund 4 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr dort verursacht.

Schließlich verwies Kromp-Kolb auf die große Dramatik der Entwicklung: Nach Schätzungen werde es Mitte bis Ende dieses Jahrhunderts weltweit ca. 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben.

Drexel ergänzte, dass auch die Industrie der Meinung sei, dass die Ressourcen langfristig teurer und Arbeit finanziell entlastet werden müsse. Zugleich drückte er seine Skepsis aus, dass bei Einführung einer neuen Steuer tatsächlich andere Steuern in dem gleichen Ausmaß reduziert würden.

Zusammenfassend konnte sich Moderator Christian darüber freuen, dass am Podium und im Saal Übereinstimmung dahingehend bestehe, dass Energie und generell Ressourcen teurer, Arbeit aber entlastet werden müsse, um ausreichende finanzielle Anreize für die notwendige Energiewende zu bieten. Das Forum Wissenschaft & Umwelt (Christian, Getzner, Kerschner) hat ein aktualisiertes Konzept für eine Energie– und CO2– Abgabe in die Diskussion der letzten Steuerreform eingebracht. ‘Dieser Vorschlag wurde leider in keiner Weise berücksichtigt’ zeigten sich Getzner und Christian enttäuscht ‘wir werden uns damit konsequent und verstärkt gemeinsam mit weiteren Partnern an die Entscheidungsträger wenden!’


Artikel Online geschaltet von: / wabel /