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Papst empfängt Tschernobyl-Liquidatoren

Delegation vertritt mehrere hunderttausend Tschernobyl-Betroffene.

Dortmund/Rom - Papst Franziskus empfängt am Mittwoch, 20. April 2016, aus Anlass des 30. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe in einer Generalaudienz Liquidatoren aus der Ukraine und Belarus. Den Besuch organisiert das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund (IBB Dortmund) gemeinsam mit dem Umweltbüro der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine und mit den römisch-katholischen Kirchen in der Ukraine und Belarus. Begleitet wird die Gruppe durch den römisch-katholischen Erzbischof von Minsk und Mogiljow (Belarus), Tadeusz Kondrusiewicz, den römisch-katholischen Erzbischof von Lwiw (Ukraine), Mieczyslaw Mokrzycki, und weitere hochrangige Vertreter der griechisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kirche aus der Ukraine.

Nach der Reaktorexplosion im AKW Tschernobyl am 26. April 1986 waren bis zu 850.000 Männer und Frauen als Rettungshelfer -- im Russischen "Liquidatoren" -- eingesetzt. Hiervon leben heute noch etwa 300.000 in Belarus und der Ukraine, weitere etwa 250.000 in Russland und anderen postsowjetischen Staaten. Als Soldaten, Feuerwehrmänner und Piloten kämpften sie - teilweise nur mit einem Mundschutz ausgerüstet - unermüdlich bis der explodierte Reaktor wenigstens eine provisorische Schutzhülle erhalten hatte und keine weitere Radioaktivität austreten konnte. Zudem waren Straßenarbeiter, Köche und Menschen mit vielen anderen Berufen in der Sperrzone um den zerstörten Reaktor eingesetzt.

Zur Papstaudienz kommen Liquidatoren, die sich in ihrer Heimat als Leiter von Tschernobyl-Verbänden auf nationaler und regionaler Ebene sowie als einfache Aktivisten für die sozialen und medizinischen Belange der an den Strahlenfolgen leidenden Tschernobyl-Betroffenen einsetzen. Die Delegation vertritt mehrere hunderttausend Tschernobyl-Betroffene.

Während der Europäischen Aktionswochen "Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima", die das IBB Dortmund seit 2012 jährlich organisiert, erzählen Liquidatoren in 13 Ländern über ihren Einsatz am explodierten Reaktor. Die Zeitzeugen halten mit ihren Erzählungen die Erinnerung wach an den bisher größten atomaren Super-GAU und an die lange verschwiegenen Folgen. Ziel ist ein Lernen aus der Geschichte für eine gemeinsame Zukunft in Europa.

Die Würdigung ihrer Arbeit, mit der sie eine schlimmere Katastrophe für ganz Europa verhindert haben, bedeutet den Liquidatoren sehr viel: "Viel zu lange wurde das Ausmaß der Katastrophe für die Ukraine, für Europa und besonders auch für die Liquidatoren verheimlicht und vertuscht, die Betroffenen fühlten sich alleingelassen mit ihren Problemen", sagt Peter Junge-Wentrup, Geschäftsführer des IBB Dortmund und Initiator des Papstbesuchs. "Die Würdigung durch den Papst ist ein wohltuendes Zeichen der Anerkennung."

Am Dienstag macht sich die Delegation auf den Weg: Neben Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz und Erzbischof Mieczyslaw Mokrzycki, reisen die Umweltbeauftragten der griechisch-katholischen Kirche, Wolodymyr Sheremeta und Wolodymyr Misterman, Pawlo Shwartz als Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine und Joachim Sauer, Projektmanager des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, nach Rom.

Begleitet wird die Gruppe von Ljubov Negatina, der Leiterin der weltweit ersten Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw (Ukraine), Dr. Astrid Sahm, die die Ukraine-Arbeit des IBB Dortmund koordiniert, und weiteren Vertretern des IBB Dortmund. Nach der Papstaudienz ist ein Interview in Radio Vatikan geplant. Zudem wird die gesamte Delegation an einem ökumenischen Fürbitte-Gottesdienst in der Kapelle St. Maria Maggiore teilnehmen.

Gefördert wird die Reise durch Renovabis, das Osteuropa-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland.

Über die Europäischen Aktionswochen
"Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima"

Die Europäischen Aktionswochen "Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima" sind ein Projekt des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks in Dortmund (IBB Dortmund) und zahlreicher Partner aus der Tschernobyl- und Umweltbewegung in Europa, in Belarus, in der Ukraine und der Türkei. Im Mittelpunkt stehen Gespräche mit Zeitzeugen aus der Ukraine, Belarus und Japan. Rund um die Jahrestage der Reaktorkatastrophe von Fukushima (11. März 2011) und von Tschernobyl (26. April 1986) planen die Partner Zeitzeugengespräche, Informationsveranstaltungen und Kerzenaktionen zur Erinnerung an alle Menschen, die von der Verstrahlung betroffen sind.


Die Europäischen Aktionswochen "Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima" 2016 stehen unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments.


Die Europäischen Aktionswochen "Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima" werden gefördert durch die Evangelische Landeskirche von Westfalen.


Die Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen werden gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /