© Gerd Altmann - pixabay.com
© Gerd Altmann - pixabay.com

Auf dem Weg zur neuen Energie- und Klimastrategie

„Grünbuch“ geht online - Startschuss für Einbindung aller Stakeholder - Energiesystem muss sicher, nachhaltig und leistbar sein - NGOs kritisieren fehlende Lösungsvorschläge

Wien -Erstmals haben sich im Dezember in Paris 195 Staaten auf ein ambitioniertes Klimaabkommen geeinigt. Dazu gehört die Reduktion der CO2-Emissionen wie auch der Ausbau Erneuerbarer Energien und das Ziel, die globale Erwärmung langfristig auf unter zwei Grad zu begrenzen.

‘Österreich wird seinen Beitrag leisten und erarbeitet daher eine integrierte Energie- und Klimastrategie. Dabei geht es nicht nur um die politischen Weichenstellungen, sondern auch um die breite Einbindung aller Stakeholder. Wir wollen aus Betroffenen Beteiligte machen", meinen Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner, Umweltminister Andrä Rupprechter, Verkehrsminister Jörg Leichtfried und Sozialminister Alois Stöger.

Als ersten Schritt haben Wirtschaftsministerium und Umweltministerium in Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Verkehrsministerium wie auch Experten ein Grünbuch für integrierte Energie- und Klimastrategie erarbeitet, das nun auf den Ministeriums-Webseiten online steht. Das Papier ist der Startschuss für einen umfassenden Beteiligungsprozess. Es beinhaltet einen Fragenkatalog, den alle Interessierten ab Juli beantworten und somit ihre Meinung einbringen können.

"Da bis 2030 und aufgrund der langfristigen Perspektive bis 2050 grundlegende Weichenstellungen notwendig sind, braucht es einen breiten Dialog. Das Grünbuch schafft die Grundlage für eine faktenbasierte Debatte über die neue Energie- und Klimastrategie. Wir wollen ein sicheres, nachhaltiges und leistbares Energiesystem für eine klimafreundliche Zukunft ", betonen die Minister.

Kritik zum nun veröffentlichten Grünbuch zur Energie- und Klimastrategie kommt von Österreichs größte Umwelt-NGOs, WWF, Greenpeace und Global 2000. Sie sehen darin nur eine längst bekannte Analyse der Energiesituation in Österreich und Gegenüberstellungen von Energieszenarien. Konkrete Lösungsvorschläge werden vermisst. Karl Schellmann, Leiter des Bereiches Klima und Energie beim WWF, Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000 und Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher von Greenpeace fordern: "Dieses existenzielle Zukunftsthema darf nicht im toten Winkel der Regierungsarbeit versanden. Zweieinhalb Jahre Strategiediskussion und noch immer kein Plan - das ist nicht akzeptabel. Die Regierungsspitze muss den Stillstand beenden."

Der Prozess zur Entwicklung einer neuen Energie- und Klimastrategie schleppt sich bereits seit mehr als zwei Jahren durch verwinkelte Gänge der Ministerien und verkümmert in den Schubladen der Ministerbüros. Anfang 2016 wurden deutsche Institute von Wirtschafts- und Umweltministerium beauftragt, um eine Analyse und Fragestellungen für eine Konsultation zu erarbeiten. Dabei liegen jährliche Berichte des Umweltbundesamtes und ein großer Sachstandsbericht zur Klimaforschung bereits seit langem vor. Das in Anlehnung an die EU-Prozesse "Grünbuch" genannte Werk sollte bereits Ende April veröffentlicht werden, nun ist es fertiggestellt.

Problematisch: Derzeit hat Österreich nur Ziele bis 2020. Das greift bei den langfristig wirksamen und dramatischen Klimaveränderungen leider viel zu kurz. Für die Umweltschutzorganisationen liegt hier ein klarer Fall von inakzeptabler Verschleppung eines der wichtigsten Zukunftsthemen vor. "Statt aktiv die notwendigen Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu erarbeiten, drehen sich die Ministerien in unproduktiven Kreisen" so die Vertreter von WWF, Global 2000 und Greenpeace. Hitzesommer, Waldbrände und Frostschäden in der Landwirtschaft sind laute Alarmsignale die nicht überhört werden dürfen. Die Schäden des Klimawandels in Österreich liegen bereits heute bei über einer Milliarde Euro pro Jahr.

Was eine zukunftsfähige Energie- und Klimastrategie braucht liegt für die Umwelt-NGOs klar auf der Hand: Sie haben darum gemeinsam ein Konzept für eine nachhaltige Energiezukunft in Österreich vorgelegt.

Die NGOs fordern von einer Energie- und Klimastrategie:

* Klare Ziele und verbindliche Pläne die sich am Ergebnis der Pariser UNO-Klima-Konferenz orientieren und zum Stopp der Erderwärmung beitragen.

* Ein langfristig verbindlicher Rahmen für die Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft bis mindestens 2050 mit dem Ziel aus fossiler Energie vollständig auszusteigen.

* Ein Konzept das über alle Sektoren und Emissionen koordinierte und aufeinander abgestimmte Maßnahmen enthält.

* Einen ambitionierten Fahrplan der die großen Wirtschaftschancen nutzt die in Energiewende, Gebäudesanierungen, Technologieentwicklung, öffentlichem und elektrifiziertem Verkehr sowie einer Kreislauf- und Reparaturwirtschaft liegen.

* Klare Vorgaben für die Stromwirtschaft innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte zu 100% erneuerbaren Strom zu erzeugen und diese Kriterien auch auf Stromimporte anzuwenden.

Dazu braucht es einen transparenten Entwicklungsprozess an dessen Ende eine verbindliche Österreichische Energie- und Klimastrategie steht. Alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen sollten sich hier einbringen können. Die Positionen und der Entwicklungsprozess müssen via Internet öffentlich einsehbar dokumentiert werden, sowohl Ideenfindung als auch Entscheidungsprozesse müssen klar nachvollziehbar sein. "Da die Ministerien hier nicht einmal ihre selbst gesteckten Zeitpläne einhalten, wäre es hoch an der Zeit dieses Thema zur Chefsache zu erklären und unter die direkte Führung von Bundeskanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner zu stellen. Es braucht hier einen größtmöglichen Konsens statt langjährigem Stillstand.", so die Vertreter von WWF, GLOBAL 2000 und Greenpeace. Gemeinsam fordern die NGOs aber auch Sofortmaßnahmen, denn die Regierung muss alles tun um teure Lehrläufe und Fehlinvestitionen zu vermeiden:

* Das Energie-Effizienz-Gesetz muss wesentlich ambitioniertere Einsparvorgaben erhalten. Das 2020 Ziel muss hier von über 1.000 Petajoule auf 900 Petajoule Endenergieverbrauch gesenkt werden. Es muss auch ein überarbeitetes Methodendokument mit wirklich wirksamen Maßnahmen geben.

* Es muss schnell ein neues Ökostromgesetz mit klaren Ausbauzielen beschlossen werden, die auf einem ambitionierten Pfad zu 100% erneuerbaren Energien bis 2050 und 100% erneuerbarem Strom bis 2030 liegen.

* Ein Zeitplan mit konkreten Schritten für den Abbau der vom WIFO dargestellten mehr als vier Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen muss vorgelegt und umgesetzt werden. Mit der Angleichung der Dieselbesteuerung an den Benzin könnte sofort begonnen werden, das bringt laut WIFO 640 Millionen Euro pro Jahr.

* Die Halbierung der Förderung von thermischen Sanierungen muss sofort zurückgenommen werden. Im Neubau muss das Plus-Energie-Haus zum Standard werden und bei Sanierungen müssen strenge Energiestandards eingehalten werden. Jedes schlecht gebaute Haus bittet die künftigen Bewohner mit hohen Heizkosten zur Kasse.

* Ebenso sollte es einen konsequenten Vorrang für Heizungen mit erneuerbaren Energien geben. Bei Neubauten oder Heizungssanierungen dürfen nur noch solche die erneuerbare Energien verwenden eingebaut werden.

"Eine sinnvolle und durchdachte Klima- und Energiestrategie schafft auch wirtschaftliche Vorteile. Investitionen die zu mehr Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätzen führen und Innovationen, die ein wichtiger Qualitätsfaktor des Wirtschaftsstandortes Österreich sind" sind sich die Vertreter von WWF, GLOBAL 2000 und Greenpeace einig.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /