© Gerd Altmann
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Österreich ratifiziert Pariser Klimavertrag - Ende des fossilen Zeitalters in Sicht?

Österreichische Energie- und Klimastrategie in der jetzigen Form zum Scheitern verurteilt

Österreich hat als dritter EU-Mitgliedstaat das Klimaschutzabkommen von Paris im Nationalrat ratifiziert.

Zur Umsetzung der Klimaschutzziele erarbeitet Österreich unter breiter Einbindung aller Interessensgruppen eine intergierte Energie- und Klimastrategie. Das Wirtschaftsministerium und Umweltministerium haben in Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Verkehrsministerium sowie verschiedenen Expertinnen und Experten ein "Grünbuch für integrierte Energie- und Klimastrategie" erstellt. Seit 6. Juli ist das Papier online und somit offen für einen umfassenden Beteiligungsprozess. Es beinhaltet einen Fragenkatalog, den alle Interessierten beantworten und somit ihre Meinung einbringen können. ‘Ich erhoffe mir eine breite Diskussion, um bei der Ausrichtung der zukünftigen Energie- und Klimapolitik auf einem gesellschaftspolitischen Konsens bauen zu können. Das Ziel der Strategie muss sein, die damit verbundenen Chancen für die Bevölkerung, die Umwelt und die Wirtschaft optimal zu nutzen’, so Umweltminister Rupprechter.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt diesen Schritt, vermisst allerdings entsprechendes Handeln auf der nationalen Ebene. Die Ziele von Paris geben klare Leitlinien vor: Die Erderwärmung soll auf weit unter zwei Grad Celsius begrenzt und die Nutzung fossile Energie bis zum Jahr 2050 beendet werden. Doch konkrete Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, fehlen in der von der österreichischen Regierung vorgeschlagenen Energie- und Klimastrategie gänzlich.

Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher bei Greenpeace Österreich, meint: "Willensbekenntnisse reichen leider nicht aus. Es gibt noch viele akute Baustellen in der österreichischen Klima- und Energiepolitik, allen voran die Energie- und Klimastrategie der Regierung."

Zwei Jahre wurde in Österreich diskutiert bis die Strategie ihren Startschuss erhielt. Im Juni dieses Jahres wurde endlich das sogenannte "Grünbuch für eine integrierte Energie- und Klimastrategie" präsentiert und online gestellt. Dadurch sollten die ÖsterreicherInnen in den Prozess eingebunden und ihre Meinung abgefragt werden, doch genau hier beginnen die Probleme: "Das Grünbuch ist so geschrieben, dass Laien damit nichts anfangen können. Es enthält auch keine Ziele sondern lediglich eine Ist-Zustandsbeschreibung und ist somit zum Scheitern verurteilt. Strategien vorzulegen, ohne zu klären wohin die Reise geht, zeugt von politischer Inkompetenz", kritisiert Pawloff, "Man hätte eigene nationale Vorgaben setzen müssen, die das übergeordnete Ziel von Paris verfolgen." Beispielsweise 100 Prozent Ökostrom bis 2030, oder den vollständigen Ausstieg aus fossiler Energie und die Reduktion der Treibhausgase um 95 Prozent bis 2050. Die Erstellung des "Weißbuchs", welches die Eckpunkte der Strategie enthalten sollte, soll ein weiteres Jahr dauern. 2018 sollen dann die Ergebnisse nach Brüssel kommuniziert werden. "Ein existentielles Thema jahrelang zu verschleppen ist verantwortungslos und zeigt, dass die Politik Klimaschutz nicht ernst nimmt", so Pawloff.

Die Umweltschutzorganisation fordert daher von der Regierungsspitze den Prozess zur Chefsache zu erklären. Bislang wurden das Wirtschaftsministerium und Umweltministerium in Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Verkehrsministerium mit dem Thema betraut. "Die Resorts sind offensichtlich nicht im Stande einen kompetenten, zielgerichteten Prozess zu gestalten. Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner müssen diesen Prozess in die Hand nehmen und klare Ziele in den Vordergrund stellen", fordert Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace.

Endlich Ankick für den Klimaschutz notwendig

"Ich freue mich, dass wir nun als eines der ersten EU-Länder den historischen Klima-Vertrag von Paris ratifizieren. Dieses Abkommen bedeutet, das fossile Zeitalter ist zu Ende", kommentiert die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner, die Beschlussfassung.

"Damit verpflichtet sich Österreich zum Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad - nach Möglichkeit auf 1,5 Grad - zu reduzieren. Das bedeutet den vollständigen Umbau unseres Wirtschafts- und Energiesystems von fossiler auf erneuerbare Energie bis 2050", unterstreicht Brunner.

"Das ist eine große Aufgabe, aber eine noch größere Chance für die Wirtschaft in Österreich - durch neue Jobs in neuen Branchen. Aber es darf kein Tag mehr verloren gehen. Wer in zehn Jahren noch dabei sein will, muss sich jetzt aufstellen." Die Günen haben einen Antrag auf Klima-Sofortmaßnahmen im Parlament eingebracht - etwa die Ökologisierung des Steuersystems oder den Stopp von Förderung fossiler Energien. Außerdem beantragen die Grünen eine umfassende Dekarbonisierungsstrategie bis 2050.

Brunner: "Da die derzeitige Energiestrategie der Regierung die Ziele des Klimavertrags ignoriert, muss das Parlament hier klare Vorgaben machen. Besonders ärgerlich ist, dass die Regierung nicht klar definiert, wie die Öffentlichkeit - also auch Umweltorganisationen - in die Erarbeitung der Strategie eingebunden werden kann."

100 % erneuerbare Energie als Vorgabe für Konsultationsprozess

Industriestaaten wie Österreich, die historisch pro Kopf weit mehr emittiert haben als Entwicklungs- und Schwellenländer müssen eine 100% erneuerbare Energieversorgung in den nächsten 2-3 Jahrzehnten erreicht haben. "Alle Autos, alle LKW, sämtliche Fahrzeuge, die gesamte Industrie wie die Stahl- und Zementindustrie, sämtliche Heiz- und Kühlsysteme und der gesamte Kraftwerkspark Österreichs emittieren im Jahr 2050 kein Gramm fossiles CO2 mehr, werden von Biomasse, Wind-, Solar-, und Wasserkraft angetrieben. Das muss die klare Vorgabe für die Klima- und Energiestrategie sein!" stellt Erwin Mayer von Erneuerbare Energie Österreich klar.

Suggestive Fragen, die diese Klimaschutzvorgaben mit nur scheinbar gleichwertigen Zielen wie Versorgungssicherheit, Leistbarkeit relativieren sind zu vermeiden. "Jede scheinbar erwünschte Antwort im Sinne von weiterem Gebrauch billiger fossiler Energie nimmt mindestens den nächsten 100 Generationen deren Versorgungssicherheit, deren Leistbarkeit von Energie und bürdet ihnen vor allem schwer bezahlbare Klimawandelfolgekosten auf", vergleicht Mayer die wirtschaftlichen Bedürfnisse von jetzigen und zukünftigen Generationen.

Daher braucht es klare ambitionierte Ziele der gesamten österreichischen Bundesregierung zur Reduktion von Treibhausgasen, die dem Prozess der Klima- und Energiestrategie voran gestellt werden. Das bloße Zuwarten auf EU-Vorgaben ist dabei nicht ausreichend, weil auch die EU-Ziele von -40% THG und 27% erneuerbarer Energie bis 2030 nicht annähernd geeignet sind auch nur maximal 2 ° C ausreichend wahrscheinlich zu erreichen, geschweige denn einen Beitrag für maximal 1,5 ° C zu erbringen. Österreich muss in allen Sektoren, auch im EU-Emissionshandelsbereich für Industrie und E-Wirtschaft weit mehr und früher Treibhausgase reduzieren als von der EU vorgegeben. Wie Schweden, Dänemark und andere Staaten zeigen, ist das bei geeigneter Auswahl der richtigen Klimaschutzinstrumente auch mit wirtschaftlichen Vorteilen und sozialer Ausgewogenheit vereinbar.

Daher sollte die Klima- und Energiestrategie Kostenwahrheit einführen und die dafür geeigneten Instrumente wie eine umfassende CO2-Abgabe mit geeigneter Rückführung der Mittel an die Wirtschaft in Form eines Industriebonus, Senkung der Lohnnebenkosten und die Haushalte in Form eines Ökobonus und geringerer Einkommensteuern erarbeiten. Auch IMF-Chefin Lagarde hat das bei Finanz im Dialog vor 2 Wochen Finanzminister Schelling nahegelegt um Ankündigungen Resultate folgen zu lassen.

Notwendig ist dazu eine vollständige Transparenz und Aufdeckung aller privilegierten Einflussnahmen auf die Klima- und Energiestrategie. Die Relevanz des Ergebnisses dieses Prozesses in Form des Weißbuches für die Politik muss von Anfang an geklärt werden. Folgen entsprechende Gesetzesinitiativen? "Zu oft in der Vergangenheit sind Beteiligungsprozesse zu Klimastrategien ohne Umsetzung und ohne Beschlüsse im Parlament versandet", erinnert Mayer an Toronto-, Kyoto- und Energiestrategien der letzten beiden Jahrzehnte.

Dekarbonisierung als Zielvorgabe für die Energie- und Klimastrategie

Karl Schellmann, Leiter des Klima- und Energiebereichs beim WWF, meint: "Wer keine Ziele festlegt, kann auch keine erfolgreiche Strategie entwickeln. Man kann ja keinen Weg suchen, wenn nicht klar ist, wohin man gehen möchte. Ohne konkrete Zielvorgaben für den gerade anlaufenden Prozess zur Entwicklung der neuen Energie- und Klimastrategie wird das Vorhaben scheitern."

An das politische Bekenntnis im Nationalrat anknüpfend fordert der WWF nun auch politisches Leadership durch die Regierungsspitze für eine konkrete Umsetzung der Beschlüsse. "Unser dringender Wunsch ist, dass sich Bundeskanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner als Spitze unserer Regierung diesem Thema persönlich annehmen und damit ein Bündeln aller Kräfte in Österreich erreichen. Die Veränderungen müssen alle Gesellschaftsbereiche durchdringen und konstruktiv gestaltet werden. Die Leitlinien und Zielvorgaben dazu müssen von "ganz Oben" kommen", führt Schellmann weiter aus.

Denn nur durch eine Halbierung des Energieverbrauches und dem naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien bis 2050, sowie wirksame Zwischenschritte, die der neuen Energie- und Klimastrategie als Auftrag mitgegeben werden, kann der Prozess zu einem sinnvollen Ergebnis kommen. Eine zukunftsfähige Politik mit klaren politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ist dringend notwendig, um den Konsumenten und der Wirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu bieten.

Eine Frage des politischen Willens

‘Es ist ein historisches Ereignis, das wir mit dem heutigen Tag ratifizieren’, kommentierte Team Stronach Umweltsprecherin Ulla Weigerstorfer das Weltklimaabkommen von Paris in ihrem Debattenbeitrag, man könne jedoch noch nicht von ‘einer g’mahten Wiesen’ sprechen.

‘Es ist der Beginn eines langen Weges und es müssen noch weitere Schritte folgen’, so Weigerstorfer. Das Übereinkommen von Paris sei eine Frage des politischen Willens, bei dem nicht das Was sondern das Wann im Vordergrund stehe, so Weigerstorfer.

‘Wir alle sind uns bewusst, dass wir jetzt etwas verändern müssen, auch wenn es im zweiten Schritt vielleicht nicht angenehm ist’, betonte Weigerstorfer dem Wollen ein Tun folgen zu lassen. Dieses Abkommen ‘ist eine große Herausforderung, die wir nutzen sollten, auch zu einem Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Umwelt’, mahnte Weigerstorfer.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /