© klimkin auf Pixabay
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Hoffnung im Kampf gegen globale Dürreperioden – AgroBiogel aus Tulln geht in Serienproduktion

Biiologisches holzbasiertes Hydrogel kann Vielfaches seines Gewichtes an Wasser aufnehmen, speichern und kontinuierlich an Böden abgeben.

Der Klimawandel lässt die Temperaturen steigen und Wasser immer knapper werden. Das Tullner Unternehmen Agrobiogel, ein Spin-off der BOKU Wien und des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), hat ein natürliches/biologisches, holzbasiertes Hydrogel entwickelt, das ein Vielfaches seines Gewichtes an Wasser aufnehmen, speichern und über lange Zeiträume kontinuierlich an Böden abgeben kann. Das ermöglicht der Landwirtschaft zukünftig Wasser effizienter nutzen und Dürregebiete mit Wasser versorgen zu können. Agrobiogel geht mit Sommer 2022 mit dem Gel in Serienproduktion, vorerst für den österreichischen Markt. Ein internationaler Launch ist 2023 geplant. Die jetzige Nachfrage übersteigt bereits die Produktionskapazitäten.


Die weltweit kontinuierlich steigenden Temperaturen ziehen eine sich verschärfende Wasserkrise nach sich. Insbesondere in der Landwirtschaft wird Wasser vielerorts ineffizient genutzt. Weltweit verbraucht ca. 70 Prozent der Wasservorräte die Agrarindustrie. Dürreperioden nehmen durch den Klimawandel in weiten Teilen der Erde zu, häufigere Hitzetage führen vielerorts zu Ernteeinbrüchen und starke Regenfälle ziehen ein Auswaschen fruchtbarer Böden und Umweltzerstörung mit sich. Diese anhaltenden Trends gefährden nicht zuletzt langfristig die Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln.

Agrobiogel, acib und BOKU wollen weltweite Wasserkrise verhindern

Das Tullner Start-up Agrobiogel entwickelte in enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der BOKU – Universität für Bodenkultur Wien ein Hydrogel aus nachwachsenden Rohstoffen. „Hydrogele – auch Superabsorber genannt – sind polymere Materialien, die in der Lage sind, ein Vielfaches ihres eigenen Gewichtes an Wasser aufzunehmen und zu speichern und es langsam und kontinuierlich an die Umgebung wieder abzugeben“, erklärt Agrobiogel-CEO Gibson Nyanhongo.

Bei der Technologie von Agrobiogel handelt es sich um ein biologisches, superabsorbierendes Biogel auf Holzbasis, das bei Bioraffinerien als Nebenprodukt anfällt. Damit gliedert es sich nahtlos in eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein. Als Granulat auf die Böden ausgebracht, wird es im Kontakt mit Wasser zu Gel. „Dort verbleibt es über viele Jahre. Tests haben gezeigt, dass es sogar nach drei Jahren noch eine Wasseraufnahmefähigkeit von fast 90 Prozent hat“, erklärt Keith Nyanhongo, Head of Marketing von Agrobiogel.

Nach zwanzig Jahren zerfällt das holzbasierte Granulat zu Humus und verbessert weiterhin die Fruchtbarkeit von Böden. Die Pflanzen bilden größere, stärkere Wurzeln aus und haben dadurch besseren Halt im Boden. Das Gel kann sogar auf sandigen oder losen Böden, z.B. in Wüstengebieten oder in städtischen Zentren für Kulturpflanzen und -bäume, eingesetzt werden und damit Dürren entgegenwirken. Da 80 Prozent der Bauern weltweit auf regenwassergespeiste Landwirtschaft setzen, könnte die Technologie zukünftig außerdem den Verbrauch von Wasser um 40 Prozent als auch den Einsatz von Dünger und Pestiziden maßgeblich reduzieren, was in weiterer Folge Energie- und Arbeitsaufwand bei der Bewässerung und Düngung spart. „Wir konnten zeigen, dass Pflanzen bis zu 52 Tage ohne Gießen überleben“, so Gibson Nyanhongo.

Markteinführung im Sommer 2022

Agrobiogel ist ein Spin-off der BOKU und des acib. Die Idee zu Agrobiogel ist aus der Forschungstätigkeit von Professor Gibson Nyanhongo am Department IFA-Tulln BOKU-Wien entstanden und wurde in weiterer Folge von der BOKU patentiert. Diese hat das Start-up gemeinsam mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) bei der Unternehmensgründung im Jahr 2021 unterstützt. „Das acib trug als enger Projektpartner von Agrobiogel dazu bei, die Entwicklung von Agrobiogel vom Labor zu einem Spin-off-Unternehmen zu beschleunigen, indem es einerseits im Rahmen eines COMET-Projektes finanzielle Unterstützung bot und andererseits als Miterfinder der Technologie wichtige Forschungsansätze bereitgestellte, etwa was die Auswirkungen von Agrobiogel u.a. auf mikrobielle Systeme im Boden betrifft“, erklärt Georg Gübitz, acib-Forscher und Leiter des Department für Agrarbiotechnologie IFA Tulln BOKU Wien. Der Launch der Technologie erfolgt noch im Sommer 2022.

Aktuell produziert das Tullner Start-up nahe Wien bereits mit eigenen Maschinen größere Mengen für den österreichischen Markt. Über Firmenpartner wie dem Salzburger Gartenmarkt-Unternehmen Florissa wird das Hydrogel in 800g-Packungen für Profi- und Hobbygärtner vorerst österreichweit in den Regalen stehen. „Die Nachfrage übersteigt bereits bei weitem unsere Produktionskapazitäten, weshalb wir unsere Produktion und Produktpalette erweitern wollen. Abgestimmt auf verschiedene Anwendungen und Pflanzentypen wollen wir in Zukunft unserem Gel z.B. Nährstoffe beifügen“, verrät Agrobiogel-Marketingleiter Keith Nyanhongo. Interessierte Kunden stammen aus Segmenten der Landwirtschaft sowie der Forstwirtschaft. Auch Vertical Farming für die Begrünung von Autobahntrassen oder Häuserfassaden ist angedacht. „Prinzipiell ist dem Einsatzbereich keine Grenze gesetzt“, erklärt Keith Nyanhongo, der eine internationale Expansion als sehr realistisch sieht. Dann hätte die Technologie das Potenzial, schrittweise eine Wende in der Landwirtschaft herbeizuführen und einen Durchbruch im weltweiten Kampf gegen Dürreperioden zu bieten.



Vielfach ausgezeichnete und geförderte Technologie

Das Start-up wurde während der Gründungsphase vom AWS unterstützt, vom Falling Walls zum besten österreichischen Start-up 2021 gekürt und im April 2022 mit dem Gründerpreis PHÖNIX als bestes Start-up des Landes in der Kategorie „Spin-off“ ausgezeichnet. Weiters erhielt Agrobiogel im Rahmen der erfolgreichen Einreichung zum EIC Accelerator des EU-Forschungsprogramms Horizon Europe der FFG eine Förderung von 3,4 Millionen Euro, wovon 2,4 Millionen Euro Förderanteil sind. Ein Eigenkapital-Einstieg durch den EIC-Fund von einer Million Euro ist geplant, um das Agrobiogel in Zukunft in allen betroffenen Regionen in Europa, aber auch global anbieten zu können.



Martin Walpot


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /