Staatschefs einigen sich auf „EU-Klima-Kompromiss“

Richtlinie für Erneuerbare Energien fix- Verwässerung der Klimaziele durch Gratiszertifikate

Brüssel – Auf dem EU-Ratsgipfel haben sich die EU-Staatschefs heute auf das verbindliche 20% Ziel für erneuerbare Energien, das am Dienstag bereits von EU-Ministerrat, der Kommission und dem Europäischen Parlament in der EU-Richtlinie festgelegt wurde, geeinigt. Gleichzeitig wurde eine 100% Versteigerung von Zertifikaten im Energiebereich festgelegt. Die beiden Maßnahmen werden sich für die gesamte Erneuerbare Energieindustrie positiv auswirken.

Ab 2013 wird die österreichische E-Wirtschaft sämtliche Emissionsrechte ersteigern müssen, damit fallen, umgelegt auf die derzeitige Menge von Emissionszertifikaten (11.950.000 t) und mit einem geschätzten Preis von 30 Euro je t mehr als 300 Mio. Euro an zusätzlichen Kosten für die fossile Stromproduktion in Österreich an. Die E-Wirtschaft meint, die Politik müsse die Rahmenbedingungen für eine Zielerreichung Österreichs erst schaffen. "Das ambitionierte Ziel von 34 Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2020 wird für Österreich nur erreichbar sein, wenn im Rahmen eines umfassenden Programms rasch alle Möglichkeiten ergriffen werden, die sich zum Ausbau bieten und zugleich Effizienzprogramme massiv gefördert werden," erklärt die Generalsekretärin des Verbands der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ), Barbara Schmidt in einer ersten Reaktion. Die derzeitigen Bestrebungen des Regulators, die österreichische Erzeugung zu belasten, seien kontraproduktiv, so Schmidt.

Das Engagements der EU wird durch Gratiszertifikate für die Industrie verwässert- nur besonders große Industrien sind vom Emissionshandel betroffen, in Österreich wird wahrscheinlich mehr als die Hälfte wegen sauberer Produktionsstandards Gratiszertifikate erhalten. Eine genaue Festlegung dazu soll erst im Dezember 2009 erfolgen. Gratiszertifikate solle es möglicherweise für die Stahl- ,die Papier- und Zellstoffindustrie, die Aluminium- und die Glasindustrie geben. Sonderregelungen wird es auch für die osteuropäischen Staaten, vor allem für Polen, Bulgarien und Rumänien geben.

"Die EU hat sich selbst zwar als weltweit führend im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, bestätigt,. aber sie verliert durch diese Gratiszertifikate dennoch Glaubwürdigkeit und die Führung im Kampf gegen den Klimawandel. Die CO2-Verringerungen, die von den Staatschefs vereinbart wurden, reichen nicht aus, um die notwendigen Senkungen der Treibhaus-Gase zu schaffen.", meint Christian Kjaer,Geschäftsführer der EWEA der Europäischen Windenergie-Vereinigung.

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat erklärt, dass, die Temperaturen, nicht mehr als 2 ° C über dem vorindustriellen Niveau, steigen dürfen. Daher müssten die Industrieländer ihre Emissionen um 25% bis 40% bis 2020 senken. Das sei so nicht realistisch.

Die heutige Vereinbarung ermöglicht, für mindestens die Hälfte der Reduktionen externe Projekte in Nicht-EU-Ländern zu forcieren. Das bedeutet, dass die inländischen Kürzungen, zu denen Europa verpflichtet ist, nur nahe 8% betragen werden (und sich auf rund 12% erhöhen, wenn eine internationale Vereinbarung im nächsten Jahr in Kopenhagen erreicht wird). Das ist zu weit von den von der Wissenschaft genannten Zielen entfernt.

Leider mutlos und vage

"Der angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise vielleicht wichtigste europäische Gipfel droht mit Kompromissen und vagen Einigungen zu enden. In allen drei zentralen Herausforderungen, Klimapaket, Konjunkturpaket und Lissabon-Vertrag, präsentieren sich die Staats- und Regierungschefs mutlos und unentschlossen." resümiert Johannes Voggenhuber, Europasprecher der Grünen.

Statt die dringend notwendigen Investitionsprogramme in eine entschlossene Strategie einer nachhaltigen ökologischen Modernisierung, die Energiewende, und des Wiederaufbaus einer sozialen Marktwirtschaft zu stellen, bleibt die Verwendung wie auch Aufteilung des 200 Milliarden-Euro-Pakets sehr vage.
"Das Klimapaket wimmelt von faulen Kompromissen. Einigen Staaten ist es grotesker Weise gelungen, das Investitionsprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft und die Politik gegen den Klimawandel als Gegensätze darzustellen, obwohl die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele bestens geeignet wären, in der Wirtschaftskrise Arbeitsplätze, Modernisierung der Infrastruktur und wirtschaftliche Wachstumsimpulse zu setzen", so Voggenhuber. So sollen energieintensive Industrien über 2013 hinaus vom Ankauf von Verschmutzungsrechten befreit bleiben. Mittel- und osteuropäischen Staaten sollen weitere Ausnahmen für ihre extrem verschmutzungsintensiven Kohlekraftwerke erhalten. In einer Art Neokolonialismus werden CO2-Einsparungen in Entwicklungsländern nicht diesen, sondern der europäischen Industrie angerechnet. "Das ist ein fatales Signal für die nächste Verhandlungsrunde für die Weltklimakonferenz in Kopenhagen", so Voggenhuber.


In der Klimapolitik habe Österreich ausschließlich um die Reduzierung der eigenen Ziele und Ausnahmen für die verschmutzungsintensivste Industrie gekämpft. Eine klare ökologische und soziale Ausrichtung des Pakets war kein Thema, meint Voggenhuber.

"Die Lobbies einer veralteten Wirtschafts- und Industriepolitik haben sich voll durchgesetzt und die Wirtschaftskrise dazu missbraucht, das Energie/Klima-Paket der EU völlig zu verwässern", zeigt sich Christiane Brunner, Umwelt- und Energiesprecherin der Grünen, enttäuscht.

Ein Kompromiss - aber Auftrag an alle

"Mit dem nun beschlossenen Klima- und Energiepaket es ist unter denkbar schwierigen Umständen, in einer wirtschaftlich angespannten Situation dennoch gelungen, einen Kompromiss zu finden, bei dem weder der Klimaschutz noch die Wirtschaft zu kurz kommt" , meint Umweltminister Niki Berlakovich zum heutigen Beschluss am Europäischen Rat in Brüssel. " Es wird weiterhin an den EU-Klimazielen festgehalten, ohne damit Arbeitsplätze in unserem Land zu gefährden."

"Das Klima- und Energiepaket ist aber als Auftrag an alle - die Industrie, die Wirtschaft, die Länder und Gemeinden, aber auch jede und jeden einzelnen - zu verstehen. Es gibt nun ein klares Bekenntnis zu den Klimazielen, die zweifelsohne ambitioniert sind. Daher können wir sie nur mit einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung erreichen. Mehr denn je ist nun jeder gefordert einen Beitrag zu leisten", so der Minister.

Das allerletzte Wort ist noch nicht gesprochen, dem Energie/Klima-Paket muss noch bei der nächste Woche stattfindenden Plenarsitzung des EU-Parlaments zugestimmt werden. Große Änderungen sind dennoch wahrscheinlich nicht zu erwarten.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /