Verleihung des nationalen Umweltpreises „Trophée de femmes 2009“

Drei Frauen im Kampf für die Natur: Erfolgsgeschichten von der Nordsee bis nach Indien

Stuttgart - Die Umweltstiftung ‘Fondation Yves Rocher’ zeichnet im Jahre 2009 erneut drei Frauen aus Deutschland mit dem Umweltpreis ‘Trophée de femmes’ aus. Ilse Köhler-Rollefson, Brigitte Peter und Ingrid Kröncke werden jetzt für ihr außergewöhnliches Engagement im Umwelt- und Naturschutz geehrt. Insgesamt winken den Preisträgerinnen Preisgelder in Höhe von 18.000 Euro.

"Das langjährige Engagement der Umweltstiftung Yves Rocher für weltweiten Natur- und Umweltschutz ist vorbildlich und motivierend, damit wird ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung geleistet", so Umweltministerin Tanja Gönner des Landes Baden-Württemberg anlässlich der Preisverleihung im historischen Marmorsaal in Stuttgart.

‘Wir wollen mit dieser Auszeichnung Frauen ehren, die sich nachhaltig für die Natur engagieren und die sich beispielhaft für Umweltschutz einsetzen – ob national oder weltweit’, erläutert Aurelia Carré von der Umweltstiftung ‘Fondation Yves Rocher’. Es ist beeindruckend, mit welcher Leidenschaft sich Frauen für die Umwelt und das Gemeinwohl einsetzen’, fügt sie hinzu.

Aus rund 50 Bewerbungen hat die Jury drei Frauen als Preisträgerinnen ermittelt. Die Jury - bestehend aus Vertretern der Umweltstiftung ‘Fondation Yves Rocher’, dem ‘Institut de France’ und bedeutenden Medienpartnern - legte einen besonderen Schwerpunkt auf Frauen, die Menschen für ihre Sache motiviert haben.

1. Preis „Trophée de femmes 2009“ an Ilse Köhler-Rollefson: 10.000 € „Unterstützung der Hirtenvölker als Hüter der biologischen Vielfalt in Indien”

‘Die Wandertierhaltung gilt in Entwicklungsländern als rückständig und viele Regierungen arbeiten ihr entgegen’, sagt Ilse Köhler-Rollefson. ‘Dabei sind es gerade die Wanderhirten, die einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz in ökologischen Randgebieten wie Wüsten leisten. Sie ziehen weiter statt zu überweiden, und erhalten so die biologische Vielfalt von Flora und Fauna’, beschreibt die Tierärztin. Ilse Köhler-Rollefson unterstützt weltweit Hirtenvölker als Hüter der biologischen Vielfalt.
Auslöser für das Engagement von Ilse Köhler-Rollefson war eine Begegnung mit Kamelhirten im indischen Rajasthan vor mehr als 20 Jahren. Sie berichteten über ihre schwierige Situation und es stellte sich heraus, dass das Grundproblem der Hirten der Verlust ihrer traditionellen Weidegründe war. Durch kommerziellen Ackerbau und bei der Einrichtung von Naturschutzgebieten wird den Nomaden automatisch ihr Weiderecht entzogen und somit ihre Lebensgrundlage. Ilse Köhler-Rollefson gründete 1992 die ‘Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft e.V.’, mit der sie sich vor allem in Indien für eine offizielle Anerkennung der Rolle von Hirten beim Erhalt der biologischen Vielfalt engagiert. ‘Hirtenkulturen gelten als Bewahrer wichtigen Wissens über den schonenden Umgang des Menschen mit der Natur’, weiss die 55-jährige. Die periodische Beweidung ist oft Voraussetzung für die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt. Wenn nicht beweidet wird, breitet sich Gestrüpp aus, was die Vermehrung vieler Pflanzenarten verhindert. Die Folge ist die Veränderung des Ökosystems einer Jahrtausende alten Kulturlandschaft. So kann sich zum Beispiel die Akazie nicht mehr ausbreiten, die aufgrund ihrer Dürreresistenz ökologisch sehr wichtig ist. Auch bodenbrütende Vögel wie z.B. Kiebitze sind betroffen. Ilse Köhler-Rollefson macht deutlich, dass Wüstenregionen nur durch Beweidung nachhaltig genutzt werden können. Denn auch die Nutzung durch Ackerbau ist nicht nachhaltig. Sobald das Wasser für die Landwirtschaft versiegt, liegen die Flächen brach, was wiederum zur Bodenerosion führt. Ilse Köhler-Rollefson arbeitet intensiv daran, ein Umdenken bei Behörden und Politikern zu erreichen. Sie setzt sich mit ihrer ‘Liga für Hirtenvölker’ am Rande von internationalen Veranstaltungen ein, vernetzt gleichgesinnte Organisationen und unterstützt diese international in der Erarbeitung politischer und rechtlicher Regelwerke. Die engagierte Hessin hat mit ihrer Arbeit Erfolg. Sie hat die indische Partnerorganisation LPPS dabei unterstützt, eine Änderung der indischen Gesetzeslage zu Gunsten von mobilen Tierhaltern zu erwirken. Die Regierungen von 109 Ländern erkannten im Rahmen des ‘Interlaken Prozesses’ in 2007 die Rolle von Hirten bei der Erhaltung der natürlichen Ressourcen ausdrücklich an. Darüber hinaus konnten Weiderechte vor Gericht erstritten werden, ebenso die Vermarktungsrechte für Kamelmilch.

2. Preis „Trophée de femmes 2009“ an Brigitte Peter: 5.000 € - „Schutz der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten“

‘Die Unechten Karettschildkröten gelten als die ältesten Geschöpfe der Erde’, erklärt Brigitte Peter. ‘Es sind die einzigen im Mittelmeerraum brütenden Meeresschildkröten und sie sind massiv vom Aussterben bedroht’, fügt sie hinzu.

Brigitte Peter engagiert sich seit 1981 im Bereich des Artenschutzes, insbesondere für den Schutz von Meeresschildkröten. Während einer Urlaubsreise nach Indonesien wurde sie unfreiwillige Zeugin einer Massenschlachtung von Meeresschildkröten. Direkt vor Ort auf Bali konnte sie nicht eingreifen, aber zurück in Deutschland blieb sie nicht tatenlos und beschloss, das grausame Gemetzel öffentlich zu machen. Durch ihre Beharrlichkeit erreichte sie ein Importverbot für alle Meeresschildkröten-Produkte nach Deutschland und weitere Handelsbeschränkungen, die bis heute bestehen. Ihr Engagement im Artenschutz zog weltweite Kreise. Brigitte Peter gründete 1986 die ‘Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V.’, deren Geschäftsführerin sie seither ist. Sie setzt sich mit ihrer Aktionsgemeinschaft für den Schutz von Meeresschildkröten ein, aber auch zur Rettung weiterer Arten, wie beispielsweise bedrohter Krokodile, Nashörner, Elefanten, Kakadus und Weißstörchen. In den vergangenen Jahren konnte sie Projekte in Sri Lanka, Griechenland und der Türkei durchführen. Derzeit engagiert sich Brigitte Peter mit ihrer Aktionsgemeinschaft für ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt im türkischen Anamur, einer Küstenstadt mit 40.000 Einwohnern. ‘Einer der wichtigsten Nistplätze der Meeresschildkröte Caretta Caretta, auch Unechte Karettschildkröte genannt, wird durch ein riesiges Tourismus-Projekt gefährdet,’ sagt Brigitte Peter. Ein Grund zum Eingreifen für die Markgröningerin. Am zwölf Kilometer langen Strand von Anamur am südlichsten Punkt der Türkei organisiert sie Strandwächter, die die Gelege der Unechten Karettschildkröte schützen. Rund 250 km von Antalya entfernt, hat sich die Stadt Anamur in den letzten Jahren zu einem beliebten Ferienziel entwickelt. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist der Strand bei Anamur der bedeutendste Niststrand der vom Aussterben bedrohten Caretta Caretta. Die etwa 1,50 Meter langen und 130 Kilo schweren Tiere kommen in den Sommermonaten zur Eiablage an die Strände. Sie vergraben ihre Eier und wandern dann zurück ins Meer. Die 57-jährige ist selbst vor Ort, um die Tiere zu schützen und einen naturverträglichen Tourismus zu etablieren. Sie hat freiwillige Helfer mobilisiert, die nachts am Strand Patrouille laufen und die Stellen markieren, an denen ein Muttertier seine Eier ablegt. Nach 28 bis 30 Tagen schlüpfen pro Gelege rund 60 bis 80 Carettas. Auch die Bevölkerung vor Ort bezieht Brigitte Peter in das Projekt mit ein und arbeitet so an einem nachhaltigen Tier- und Umweltschutz.

3. Preis „Trophée de femmes 2009“ an Ingrid Kröncke: 3.000 € - „Mariner Umweltschutz in der Nordsee“

‘Durch den Klimawandel verändern sich die Lebensgemeinschaften am Meeresgrund’, erläutert Ingrid Kröncke. ‘Diese Veränderungen haben viele Einflüsse auf die Umwelt, unter anderem auf das marine Ökosystem, die Artenvielfalt und die Wasserqualität’, führt sie aus. Ingrid Kröncke hat sich der Untersuchung des Meeresbodens verschrieben.

Die Meeresbiologin Ingrid Kröncke erforscht seit 25 Jahren die Ökologie der Lebensgemeinschaften am Meeresboden, dem sog. Benthos. Ihr Forschungsgebiet ist das Wattenmeer, die gesamte Nordsee und verschiedene Gebiete der Tiefsee. Mit der Erfassung der Gegenwartsbedingungen für Flora und Fauna im Meer gewinnt sie Kenntnisse über die Vergangenheit ebenso wie Prognosen für die Zukunft. Ingrid Kröncke hat die Auswirkungen der steigenden Verschmutzung der Nordsee mit Nähr- und Schadstoffen auf die Lebensgemeinschaften am Meeresboden untersucht, ebenso den Einfluss der Bodenfischerei auf das Leben am Meeresboden. Die Nordsee ist im Wandel. Dieser Wandel vollzieht sich sowohl auf Grund menschlicher als auch natürlicher Einflüsse.

Ihre Forschungsergebnisse dienen dem praktischen Umweltschutz. So konnte sie nachweisen, dass bei der Erhöhung der Deiche am Jadebusen bei Wilhelmshaven die Verwendung von Schlick des Deichvorlandes einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt hat und somit naturschutzgerecht und nachhaltig ist. Die Wilhelmshavenerin hat sich darüber hinaus intensivst mit den negativen Auswirkungen der Schleppnetzfischerei auf das Ökosystem beschäftigt. Bei der Schleppnetzfischerei werden große Netze über den Meeresboden gezogen, die den Boden permanent umwühlen und die dort lebenden Tiere stören. Während kleine, angepasste Arten zunehmen, sterben langlebige Arten aus. Fischarten wie Scholle und Seezunge sind bedroht, auch Schellfisch und Kabeljau werden beeinflusst. Durch ihren Einsatz verhindert sie eine Überfischung und damit ein Aussterben bedrohter Tierarten, indem sie die Festlegung der Fischfangquoten maßgeblich beeinflusst. In den letzten Jahren konzentriert sich Ingrid Kröncke auf klimatisch bedingte Veränderungen im Benthos, die aufgrund des Anstiegs der Wassertemperatur immer rasanter ablaufen. Die Entwicklungen sind gravierend, denn mit einer um 1,1 Grad gestiegenen Durchschnittstemperatur verändert sich das ganze Nahrungsnetz in der Deutschen Bucht. Weitere wichtige Themen, denen sich die 49-jährige verschrieben hat, sind die Verbesserung der Wasserqualität der europäischen Küstengebiete und der Zusammenhang zwischen Biodiversität und Klima. So trägt Ingrid Kröncke zum Verständnis der Prozesse im marinen Ökosystem bei und damit zur nachhaltigen Nutzung der Nordsee.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /