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Umweltgesetzgebung: Keine Aufweichung des UVP-Gesetzes!

Appell an E-Wirtschaftsverband, IV und WKÖ, die Blockade für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz in UVP-Verfahren zu beenden - Protestplattform www.stopp-bevorzugten-kraftwerksbau.at

Demnächst soll die Regierungsvorlage zum UVP-Gesetz im Ministerrat beschlossen und noch vor der Sommerpause im Parlament behandelt werden. "Der E-Wirtschaftsverband, die IV und die WKÖ torpedieren vorgesehene UVP-Prüfkriterien zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz und lobbyieren dafür, alle Verfahren im Bereich der Wasserkraft als vereinfachte Verfahren abzuführen. Wir wehren uns gegen eine solche Aufweichung dieses Gesetzes", sagt Dr. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands. "Nachdem jetzt die Festsetzung eines öffentlichen Interesses für einen bevorzugten Kraftwerks- und E-Leitungsbau vorerst gefallen ist, ist außerdem jeglicher Versuch, dieses öffentliche Interesse nunmehr in das UVP-Gesetz hineinzuschummeln, fehl am Platz und wird seitens der Umwelt- und Naturschutzverbände entschieden abgelehnt", meint Heilingbrunner weiter.

"Werden beispielsweise alle Verfahren im Bereich der Wasserkraft als vereinfachte Verfahren abgeführt, hätten die NGOs keine Möglichkeiten mehr, bis zum Verwaltungsgerichtshof zu gehen. Das wäre ein Freibrief für die EVUs, Österreich mit Kraftwerken zuzupflastern. Die längeren Verfahrenszeiten werden derzeit durch die strengen Sicherheitsvorschriften bzw. durch das Unvermögen der Unternehmen selbst verursacht - und sind nicht auf die angeblich zu rigiden Umweltvorschriften zurückzuführen", erklärt Dr. Johannes Gepp, Vizepräsident des Naturschutzbund Österreich.

Schigebiete: Verwässerung der UVP-Bestimmungen widerspricht Alpenkonvention

Die Verwässerung der UVP-Bestimmungen für Schigebiete kurbelt die Wettbewerbsspirale an. "Projektwerber errichten oft ohne Durchführung einer UVP ein großes Schigebiet - was die alpine Umwelt extrem beeinträchtigt. Eine weitere Lockerung für Eingriffe in Schutzgebiete steht im Widerspruch zur Alpenkonvention. Die für Schigebietserweiterungen festgelegten, inakzeptablen Schwellenwerte müssen stark nach unten revidiert werden", bekräftigt Dr. Christian Wadsack, Präsident des Oesterreichischen Alpenvereins.

Zusätzlich trachtet die Seilbahnwirtschaft nach weiteren Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren. "Seilbahnunternehmen wollen in bisher unerschlossene Räume vordringen und machen dabei nicht einmal mehr vor Schutzgebieten Halt. Es ist ein Anschlag auf die Natur und den Ökotourismus, dass die für Schutzgebiete relevanten UVP-Bestimmungen in der beabsichtigten Novellierung noch erschließungsfreudiger gemacht werden sollen", ergänzt Reinhard Dayer, Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Österreich.

Umweltschutz und Bürgerbeteiligung nach hinten gereiht?

"Das Österreichische UVP-Gesetz setzt internationales Recht und insbesondere EU-Richtlinien nicht ausreichend um. Der aktuelle Entwurf einer Novellierung behebt dabei nur notdürftig die allergröbsten Mängel", sagt Dr. Reinhold Christian, Präsident des Forum Wissenschaft & Umwelt, und fordert eine grundlegende Reform, die von Anfang an alle internationalen Vorgaben erfüllt.


Das Wirtschaftsministerium wollte den "bevorzugten Kraftwerks- und E-Leitungsbau" in das ElWOG einschleusen. "Damit sollen künftig sämtliche Strom- und Gasleitungsprojekte durchgepeitscht werden. Rechte der AnrainerInnen, der lokalen Bevölkerung, der Umwelt und des Naturschutzes werden massiv beschnitten. Mit Ausnahme der Industriellenvereinigung gibt es nur negative oder indifferente Stellungnahmen dazu - Kritik kommt nicht nur von den NGOs, sondern beispielsweise auch von den Bundesländern Niederösterreich und Salzburg, ebenso vom Lebensministerium.

Dank breiten Protests hat der Wirtschaftsminister vorerst seine Pläne auf Herbst verschoben", erklärt Heilingbrunner.

Klimaschutz versus Naturschutz - der falsche Weg

"Die Vorgaben der WRRL stecken der Wasserkraftnutzung zwar enge Grenzen, doch legen die Anforderungen des Klimaschutzes die Wasserkraftnutzung bis zu einem bestimmten Grad nahe. Dieses Spannungsverhältnis darf nicht durch Außerachtlassung der WRRL und der Naturschutz-Richtlinien gelöst werden. Klimaschutz darf nicht gegen Naturschutz ausgespielt werden!", sagt Dr. Günther Kräuter, Präsident des Arbeiter-Fischerei-Verbandes.
Eine Generalsanierung der Umweltverträglichkeitsprüfung fordert auch die Umweltorganisation VIRUS. Sprecher Wolfgang Rehm: " Der Wunsch nach einer Art Diplomatenspur auf Basis eines nicht näher definierten öffenlichen Interesses lenkt davon ab, dass die UVP bereits jetzt zur Genehmigungsautomatik verkommen ist."

So würden die UVP-Behörden nahezu ausnahmslos auch die Durchfallskandidaten unter den Vorhaben weiter durchschieben. "Bei angeblich fertigen Projekten, die aufgrund schlechter Projektierung oft mehr als ein Jahr brauchen, um allein die Vollständigkeitsprüfung zu absolvieren, dauert das entsprechend lange .Es ist höchst unfair, dann die noch gar nicht mitwirkungsfähigen Verfahrensparteien für lange Verfahrensdauern verantwortlich zu machen, obwohl diese erst nach langen Verzögerungen überhaupt die Unterlagen zu Gesicht bekommen.", so Rehm.

"Es ist eine Zumutung, dass Minister Berlakovich, anstatt sich der Verbesserung dieses an sich wichtigen Instruments der Öffentlichkeitsbeteiligung zu widmen, nun seine Zeit verschwenden muß, um die indiskutablen Begehrlichkeiten aus dem Wirtschaftsministerium sowie von Organisationen wie der Industriellenvereinigung und dem VEÖ abzuwehren," zeigt sich Rehm empört.

Wie die UVP-Praktiker von VIRUS betonen, geraten nicht selten Projektwerber im Verfahren bei der Rechtfertigung eines "öffentlichen Interesses" in argen Argumentationsnotstand. Hier sollte offenbar der Entfall der Notwendigkeit, dieses Interesse überhaupt angemessen zu begründen, Abhilfe schaffen - zunächst in einem "Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz" ,nach dessen Scheitern nun per Reklamation im UVP-Gesetz selbst. "Damit wird nicht nur die UVP verstärkt zur schiefen Ebene, mit solchen Festlegungen sind auch andere weitreichende Konsequenzen, etwa Enteignungsmöglichkeiten bei Hochspannungsleitungen verbunden," gibt Rehm zu bedenken.

Für VIRUS zwingende Voraussetzung einer seriösen Diskussion von öffentlichem Interesse wäre das Vorliegen ernstzunehmender Strategien in den Bereichen Energie, Verkehr, Klima und Industriepolitik. Diese würden jedoch weder existieren, noch wären solche Strategien absehbar.

GLOBAL 2000 und WWF: kein Kniefall vor der Wirtschaft!

Auch die Natur- und Umweltschutzorganisationen WWF und GLOBAL 2000 schlagen Alarm. "Wir benötigen ein verbessertes Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, welches diesen Namen auch verdient. Stattdessen wollen sich Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer ein Gesetz bestellen, das BürgerInnenbeteiligung und Umweltschutz weiter einschränkt, indem beliebige Energieprojekte 'im öffentlichen Interesse' ungeprüft durchgewunken werden können - gerade so, als wäre wachsender Energiebedarf ein Naturgesetz", empört sich Heinz Högelsberger, Energiereferent von GLOBAL 2000.

"Wirtschaftsminister Mitterlehner forciert die Aufweichung der Errungenschaften des Umweltschutzes in Österreich mit einer Vehemenz, die ihn eindeutig zum Betonier-Minister stempelt", erklärt Andreas Wurzer, Stv. Geschäftsführer des WWF Österreich. "Die Diskussion um eine zukunftsweisende Umwelt- und Energiepolitik verkommt bereits im Vorfeld zur Farce wenn die Interessen der Industrie und der E-Wirtschaft einseitig durchgepeitscht werden und der Umweltschutz komplett ausgehebelt wird", sind sich WWF und GLOBAL 2000 einig.

Für die Umweltschutzorganisationen ist diese Vorgangsweise gleich zwei Mal undemokratisch: Einerseits werden mit der geplanten Novellierung des UVP-Gesetzes BürgerInnen- und Anrainerrechte verletzt, andererseits ist es skandalös, dass ganz bestimmte Interessensvertretungen ungeniert versuchen, ein für sie maßgeschneidertes UVP-Gesetz durchzuboxen, welches nicht im Interesse einer demokratischen Mehrheit ist.

GLOBAL 2000 fordert außerdem eine stärkere Verankerung des Klimaschutzes in UVP-Verfahren. Obwohl das Erreichen des Kyotoziels für Österreich völkerrechtlich verbindlich ist, wird dieses Problem in jedem einzelnen UVP-Verfahren konsequent ignoriert. "Ein wesentliches Element einer verbesserten UVP müsste also die Klimaverträglichkeitsprüfung sein. Es müsste untersucht und geklärt werden, ob und wie das jeweilige Projekt zu den KlimaschutzzielenÖsterreichs passt", schlussfolgert Högelsberger. Bei großen klimarelevanten Vorhaben - wie Straßenbauprojekten, Ausbau von Flughäfen, fossilbefeuerten Kraftwerken usw. - muss die Alternativenprüfung (verschiedener Verkehrsträger bzw. Brennstoffe) bzw. andere Lösungsmöglichkeiten im Mittelpunkt stehen.

Der WWF warnt: In Zukunft könnte, falls die geplante Novelle so in Kraft tritt, bei strittigen Kraftwerksprojekten per Weisung des Wirtschaftsministers "öffentliches Interesse" festgestellt und auf eine Anhörung naturschutzfachlicher Einwendungen verzichtet werden. "Wenn Umweltminister Berlakovich den Ausgleich von Wirtschafts- und Umweltinteressen ernst nimmt, darf er eine solche UVP-Aushebelung nicht zulassen", appelliert Wurzer an Berlakovich.

Protestplattform www.stopp-bevorzugten-kraftwerksbau.at

"Wir haben eine Online-Unterschriftenkampagne gestartet. Mehr als 1.200 Unterschriften binnen weniger Tage zeigen den breiten Protest gegen dieses Steinzeitgesetz. Wir werden am Ball bleiben, Unterschriften sammeln und appellieren an Mitterlehner, den Anschlag auf die BürgerInnenrechte und auf den Umwelt- und Naturschutz abzublasen!", sagt Heilingbrunner.

Online-Unterschriftenkampagne: www.stopp-bevorzugten-kraftwerksbau.at

Wirtschaftsminister: weiterhin Verhandlungen

Das Wirtschaftsministerium dementiert. In einer Presseaussendung ist nachzulesen: "Das Wirtschaftsministerium hat nie eine Einschränkung der Bürgerbeteiligung gefordert, auch keine Veränderung im Ablauf der Verfahren oder etwa im Instanzenzug. Sämtliche Auflagen und Umweltstandards bleiben gleich und werden nicht abgeschwächt."
Das Wirtschaftsministerium will lediglich das öffentliche Intessesse an Versorgungssicherheit verankern, das im Übrigen auch der Verwaltungsgerichtshof und der Umweltsenat in ihrer Judikatur anerkennen. Es soll künftig gleichwertig zu den anderen bestehendenöffentlichen Interessen des Umweltschutzes, des Wasserrechtes, des Denkmalschutzes, der Landesverteidigung etc. berücksichtigt werden."

Man befinde sich mit dem Umweltministerium weiterhin in konstruktiven Verhandlungen über die UVP-Novelle und sei überzeugt, dass in dieser für Österreich so wichtigen Materie in den nächsten Tagen eine Einigung erzielt werden wird.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /