© Peter Korrak
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UVP-Novelle: Ein Schritt vorwärts, fünf zurück?

UVP Novelle: Opposition verläßt Umweltausschuß! Positiv: Öffentliches Interesse am Kraftwerksbau nicht im UVP- Gesetz - aber Energieeffizienz und Klimaschutz zu schwach verankert - Schwellenwerte für UVP-Pflicht nach wie vor zu hoch: EU-Beschwerde gepla

Wien - FPÖ, BZÖ und Grüne verließen heute aus Protest die Sitzung des parlamentarischen Umweltausschusses. "Entgegen aller sachlichen Notwendigkeiten", berichtet FPÖ-Umweltsprecher NAbg Norbert Hofer, "haben SPÖ und ÖVP beschlossen, die Novelle des UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung)- Gesetzes nicht im Umwelt-, sondern im Wirtschaftsausschuss zu beraten."

Umweltminister Berlakovich habe die Schuld von sich gewiesen und sich auf den Verantwortungsbereich des Parlaments berufen, erzählt Hofer und meint, die Kompetenzen des Umweltausschusses werden mit Füssen getreten. Man werde das nicht hinnehmen.

"Unglaubliches hat sich heute kurz vor und während der Sitzung des Umweltausschusses abgespielt. Kurz vor Beginn des Ausschusses haben die Oppositionsparteien erfahen, dass die Regierungsparteien planen die Novelle zum UVP-Gesetz nicht im Umwelt-, sondern im Wirtschaftsausschuss zu behandeln", so die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner. "Minister Berlakovich lässt sich damit die Umweltkompetenz nehmen und überlässt die UVP dem Wirtschaftsminister. Wo, wenn nicht im Umweltausschuss soll dieses Gesetz diskutiert werden und was soll im Umweltausschuss überhaupt diskutiert werden, wenn nicht das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz?", so Brunner.

"Die Grünen haben gleich zu Beginn des Ausschusses unseren massiven Protest gegen diese ungeheuerliche Vorgangsweise Vorgangsweise und Beschneidung des Umweltausschusses zur Sprache gebracht", sagte Brunner. "Minister Berlakovich sah kein Problem und auch die VertreterInnen der Regierungsparteien nicht. Daher sind wir - gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien - unter Protest aus dem Umweltausschuss ausgezogen. Ich bin im Umweltausschuss, um dort Umweltthemen zur diskutieren. Wenn wir mit dem für Umweltbelange zuständigen Minister nicht über die UVP-G-Novelle sprechen können, wird dieser Ausschuss zu Farce", so Brunner.

Für Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker stellt dies "einen Sündenfall in der österreichischen Umweltpolitik dar. In einer Nacht-und Nebelaktion die UVP-Gesetzesnovelle beim Dampfkesselbetriebsgesetz 90 Minuten vor Beginn des
Wirtschaftsausschusses seitens der Regierung einzubringen, ist ungeheuerlich", kritisierte Lichtenecker Wirtschaftssprecherin der Kernstücke der österreichischen Umweltpolitik wie die UVP-G-Novelle müssten im Umweltausschuss abgehandelt werden, so Lichtenecker, ansonsten verkommt der Umweltausschuss zum "Wurmfortsatz des Wirtschaftsausschusses".

"Die Opposition und deren Rechte werden umgangen", kritisiert auch BZÖ-Umweltsprecher Abg. Mag. Rainer Widmann. "Das ist ganz klar ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung im Nationalrat", kommentiert Widmann. Der Grund dieser kurzfristigen Vorgehensweise liege auf der Hand: statt die Opposition in die Diskussion einzubinden, werde sie vor vollendete Tatsachen gestellt und ihre
demokratiepolitisch wichtigen Rechte radikal beschnitten.

Vereinfachtes Verfahren: positiv - weitere Schritte notwendig

Angesichts der heute dem Ministerrat vorgelegten UVP-Gesetz- Novelle will auch bei Österreichs Umweltorganisationen WWF, GLOBAL 2000 und Virus nicht so recht Freude aufkommen. Dass NGOs sich künftig auch im so genannten vereinfachten Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof wenden können, wird zwar prinzipiell positiv gewertet, stand jedoch bereits in der letzten Novelle. "Was von den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen nach draußen dringt, verheißt für den Umweltschutz und die EnergiezukunftÖsterreichs jedenfalls nichts Gutes", sind sich die Umweltorganisationen einig. Unter dem Deckmantel der Verfahrensverkürzung werden Mitbestimmungs- und BürgerInnenrechte weiter beschnitten. Die Umweltorganisationen fordern insbesondere die SPÖ auf, das Paket nochmals aufzuschnüren, und für ein UVP-Gesetz zu sorgen, das diesen Namen auch verdient.

Der Entwurf in der derzeitig bekannten Form darf vom Ministerrat so nicht durchgeboxt werden, so die Umweltorganisationen. Die SPÖ muss jetzt einen Kniefall ihres Juniorpartners vor der Wirtschaft verhindern und endlich Flagge für den Umweltschutz zeigen.

"Gerade im Bereich der Wasserkraft werden Projekte wie bislang nach der Salamitaktik in kleine Portionen verteilt, damit sie nicht unter die UVP-Pflicht fallen", kritisiert Andreas Wurzer, Stv. Geschäftsführer des WWF. "Es kann doch nicht angehen, dass Wasserkraftwerke mit einer Engpassleistung von unter 15 Megawatt nicht UVP-pflichtig sind, obwohl sie in Summe das gesamte Gewässernetz Österreichs massiv schädigen!", so Wurzer weiter. "Die UVP-Novelle wird als Instrument missbraucht, um einen Frontalangriff auf Österreichs Flusssysteme zu starten!" unterstreicht er.

Unter dem Deckmantel der Verfahrensverkürzung werden zudem BürgerInnenrechte weiter beschnitten, wenn demokratisch notwendige Mitbestimmungsmöglichkeiten (Schluss des Ermittlungsverfahrens bzw. Entfall der mündlichen Verhandlung, wenn keine Einwände vorliegen) als unnötige bürokratische Hürde verunglimpft werden, die nur die Planungssicherheit behindern. So bleiben Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen von Feststellungsverfahren, in denen die Weichen für umstrittene Projekte gestellt werden, weiterhin ausgeschlossen.

"So konzeptlos, wie derzeit rund um die Wasserkraft geplant wird, geht die Sache nach hinten los. Auch nach mehrfachen Novellen sind Klimaschutz und Energieeffizienz in der UVP nach wie vor kein Genehmigungskriterium - und das trotz der Kyoto-Verpflichtung. Dadurch werden die CO2-Emissionen ansteigen und die Versorgungssicherheit abnehmen", erklärt der Sprecher von VIRUS, Wolfgang Rehm. "Das ist zwar gut fürs Stromgeschäft, widerspricht aber sogar jenem öffentlichen Interesse, das immer wieder reklamiert wurde", so Rehm. Hinter einem "Wasserkraft-Tarnschirm" werde verdeckt, dass bei den Kraftwerksneubauvorhaben Gaskraftwerke dominieren.

Weiters dürfen Autobahnen und Schnellstraßen auch dann weiter gebaut werden, wenn ein Einspruch läuft oder sogar, wenn der UVP-Bescheid aufgehoben wurde, zählt Heinz Högelsberger, Verkehrsreferent von GLOBAL 2000 einen weiteren gravierenden Mangel der UVP-Novelle auf. Gerade in Zeiten von Wirtschafts- und Klimakrise müssten Bauprojekte besonders auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft werden. "Stattdessen rollt man einer rückwärtsgewandten Betoniermentalitiät den Roten Teppich aus", kritisiert Högelsberger.

Umweltdachverband: noch offene Fragen!

"Der Umweltdachverband bewertet den heutigen Regierungsbeschluss zur UVP-Gesetznovelle vorsichtig optimistisch", so Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes. "Für eine endgültige rechtliche Beurteilung müssen wir uns noch den konkreten Gesetzestext der nunmehr beschlossenen Regierungsvorlage im Detail durchsehen", so Heilingbrunner.

Kein bevorrangtes öffentliches Interesse - keine Änderung des Wasserrechtes!

"Wir haben bei weitem nicht alle unsere Vorstellungen durchbringen können. Doch bereits jetzt kann gesagt werden, dass es nicht zur Verankerung des öffentlichen Interesses am Kraftwerksbau oder der Versorgungssicherheit im UVP-Gesetz kommt und dass es auch keineÄnderung des Wasserrechtsgesetzes in Richtung bevorrangten Kraftwerksbau gibt. Dies ist als Umwelterfolg zu verzeichnen", so Heilingbrunner. Ebenso ist als Erfolg zu werten, dass der Bau von Wasserkraftwerken nicht in vereinfachten Verfahren abgewickelt wird. "Die neue Möglichkeit der NGOs in allen vereinfachten UVP-Verfahren jetzt auch die Höchstgerichte anzurufen, ist ein essentieller Fortschritt, der vielen NGOs helfen wird. In diesem Fall hat unser Protest sichtlich gewirkt", ergänzt Heilingbrunner.

Auch bei den kritisierten Verfahrensverkürzungen, der so genannten 4 Wochenfrist, dem Entfall der mündlichen Verhandlung für den Fall, dass es keine Einsprüche gibt oder dass reiner Turbinenaustausch keine UVP-Pflicht auslöst, wenn weder Stauziel noch Wasserabflussverhalten geändert wird, sieht der Umweltdachverband keine ernsthaften Umwelt- bzw. Mitspracheprobleme.

Schwellenwerte für UVP in Österreich unangemessen hoch: EU-Beschwerde kommt

"Die Schwellenwerte, ab denen ein UVP-Verfahren ausgelöst wird, sind in Österreich allerdings viel zu hoch und unangemessen", so Heilingbrunner. Der UWD wird daher - gemeinsam mit den Mitgliedsorganisationen, wie etwa dem Oesterreichischen Alpenverein, noch im Sommer eine EU-Beschwerde zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich einbringen. "Wir haben die entsprechende EU-Beschwerde fast fertig, warten lediglich noch den konkreten Gesetzestext ab, der im Nationalrat beschlossen wird. So sind die Schwellenwerte und die Bestimmungen für den Bau und den Zusammenschluss von Schigebieten inakzeptabel und EU-rechtswidrig und in Österreich nur auf Druck des Landes Tirol zustande gekommen", sagt Heilingbrunner.

Handlungsbedarf bei Klimaschutz und Energieeffizienz

Kritisiert wird seitens des UWD, dass Klimaschutz und Energieeffizienz keine UVP-Prüfkriterien sind. "Bloß Angaben zu den Energiefragen in der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) machen zu müssen, ist eindeutig zu wenig. Hier fordert und hofft der UWD noch auf Nachbesserungen im Nationalrat", so Heilingbrunner.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /