Deutschland: Gendiagnostik-Gesetz tritt in Kraft

Es bleiben empfindliche Lücken

Berlin - Am 1. Februar tritt in Deutschland das Gendiagnostik-Gesetz (GenDG) in Kraft. Es regelt erstmals in Deutschland den Umgang mit Gentests. Welche dieser Tests aber genau unter die Schutzbestimmungen des Gesetzes fallen werden, ist noch unklar.
Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk erklärt: ‘Wir sehen deutlichen Nachbesserungsbedarf im Bereich des Datenschutzes und bei der Berücksichtigung von Patientinneninteressen. Wir kritisieren, dass die humangenetische Beratung gegenüber der psychosozialen Beratung privilegiert wird. Ein Versagen des Gesetzes ist zudem, dass ausgerechnet die so genannten Life Style-Gentestangebote nicht geregelt werden, deren Aussagewert auch von Genetikern als höchst problematisch eingestuft wird.’

Nach jahrelanger Debatte hat der 16. Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Koalition (CDU/CSU/SPD) und der FDP am 24.4.2009 den Regierungsentwurf für das GenDG verabschiedet. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, den Umgang mit Gentests zu regeln, vor Diskriminierung zu schützen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu sichern. Diese Ziele werden nur begrenzt erreicht, wie das Gen-ethische Netzwerk in Einklang mit Sozialverbänden kritisiert. Einige Details stehen in eklatantem Widerspruch zu den proklamierten Schutzrechten; zudem steht zu befürchten, dass letztere unter der neuen Bundesregierung ausgehöhlt werden.

Forschungsfreiheit vor Datenschutz: Das Gesetz klammert ausdrücklich die Verwendung genetischer Proben und Daten für Forschungszwecke aus seinem Geltungsbereich aus und sanktioniert damit die bestehende Grauzone in der Forschungspraxis: Es bleibt Kliniken, anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen überlassen, ob sie Patienten informieren und um Zustimmung bitten, beispielsweise wenn ihre genetischen und krankheitsrelevanten Daten in Biobanken gespeichert werden.
Psychosoziale Beratung im Hintertreffen: Das Gesetz schreibt nun zwar erstmals eine sachkundige Beratung vor einem Gentest vor. Die Beratung soll aber ausschließlich von Ärzten und Ärztinnen, insbesondere Humangenetikern und Humangenetikerinnen durchgeführt werden. Die Bundesregierung geht damit nur unzureichend auf die Forderung von Frauen- und BehindertenvertreterInnen ein, die besondere Lage von Frauen in der Schwangerschaft zu bedenken und psychosozial orientierte und unabhängige Beratungsangebote zu stärken.
Diskriminierung von MigrantInnen: Der § 17, Absatz 8 des GenDG nimmt Menschen mit Migrationshintergrund von den Schutzbestimmungen aus: Ausländerbehörden dürfen in Angelegenheiten des Familienachzugs DNA-Tests einfordern, und Strafbehörden dürfen ohne Einschränkung auf die anfallenden Daten zugreifen. Das GenDG schafft damit ein Sonderrecht, das sich auf eine biologistische Familiendefinition stützt und in eklatantem Widerspruch zum seit 2008 geltenden Familienrecht steht. Gegen diese diskriminierende Regelung hat das Gen-ethische Netzwerk e.V. (GeN) zusammen mit PRO ASYL und dem Deutschen Anwaltverein scharf protestiert.
Keine Transparenz: Eine vom Bundesgesundheitsministerium berufene ‘Gendiagnostik-Kommission’ soll Details des Gesetzes regeln. Sie wird entscheidende Weichen stellen: Welche Gentests werden letztlich unter die Schutzbestimmungen des Gesetzes fallen? Wie wird Beratung in der Praxis aussehen? Werden Rechte von PatientInnen gewahrt, etwa im Rahmen genetischer Reihenuntersuchungen? Die Interessen derjenigen, die das Gesetz schützen soll, werden in dieser Kommission allerdings nur mangelhaft vertreten: Nur drei von achtzehn Mitgliedern vertreten VerbraucherInnen, PatientInnen und Behinderte. Es dominieren ‘Sachverständige’ aus Medizin und Biologie, deren Diskussion noch dazu hinter verschlossenen Türen stattfindet. Der Durchsetzung säkularer Standes- und Berufsinteressen steht also kaum etwas im Wege.
Uta Wagenmann, Mitarbeiterin des Gen-ethischen Netzwerks, ist eine der für die Verbraucherverbände berufenen Vertreterinnen. Sie wird in der Gendiagnostik-Kommission dafür einstehen, dass die Interessen der Betroffenen gewahrt bleiben.

Mängel müssen behoben werden

Das Gen-ethische Netzwerk fordert Bundesregierung und Bundesgesundheitsministerium auf, die Mängel des Gesetzes umgehend zu beheben.

Das heißt:
- die Nutzung genetischer Proben und Daten für Forschungszwecke umgehend und im Einklang mit den im GenDG vorgesehenen Schutzrechten gesetzlich zu regeln,
- das Beratungsprivileg von HumangenetikerInnen und humangenetisch fortgebildeten ÄrztInnen insbesondere in der Schwangerschaftsberatung durch eine umfassende soziale Beratung zu ersetzen,
- die Sonderbehandlung von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben und Paragraf 17, Abs. 8 GenDG ersatzlos zu streichen sowie
- die Stellung der PatientInnen, VerbraucherInnen und Behinderten in der Gendiagnostik-Kommission paritätisch zu stärken und Transparenz der Arbeit des Gremiums zu gewährleisten.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /