Schwere AKW-Unfälle in der Schweiz: Wer muss bezahlen?

Die Allianz «Stopp Atom» weist auf die grossen Mängel sowohl des bestehenden als auch des geplanten Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG) hin

Bern- Überhaupt von der Versicherbarkeit der Folgeschäden durch AKW-Störfälle auszugehen, sei angesichts der ungeheuren Kosten für die Steuerzahlenden blosse Augenwischerei, sagte der britische Experte für Sicherheitsfragen bei Atomkraftwerken, John H. Large, in Bern.

Die letzten Monate haben gezeigt, dass auch heute beim Betrieb von Atomkraftwerken mit gravierenden Störfällen gerechnet werden muss. Eine realistische Risikokalkulation und die Klärung der Haftung sind daher zentral.

Gemäss geltendem Bundesgesetz haften AKW-Betreiber nur bis zu 1 Milliarde Franken für mögliche Schäden durch Störfälle. Dies ist angesichts der potenziellen Schadenssumme von bis zu 4’300 Milliarden Franken ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Atomindustrie muss so nur für einen Bruchteil des von ihr potenziell verursachten Schadens aufkommen. Für den Rest haften die Steuerzahlenden. Zwar wird mit der geplanten Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG) die Haftung geringfügig erhöht; die AKW-Betreiber werden aber immer noch viel zu wenig in die Pflicht genommen.

Der Ständerat wird voraussichtlich in der Wintersession (3. bis 20. Dezember 2007) über die Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG) entscheiden.

«Der Bundesrat unterliess es jedoch abzuklären, mit welchen Schadensbildern und Schadensausmassen man rechnen müsste, falls in einem schweizerischen Atomkraftwerk ein schwerer Unfall eintritt. Damit fehlt jetzt dem Parlament die sachliche Grundlage für eine informierte und umsichtige Neuregelung der Atomhaftpflicht», stellt Leo Scherer von Greenpeace Schweiz klar und fragt: «Wie soll es die Höhe der Versicherungspflicht bestimmen, ohne genaue Kenntnisse zu haben über das Ausmass der Schäden, die zu decken sind?»

In seiner Analyse kommt der unabhängige britische Atom- und Sicherheitsexperte John H. Large zum Schluss, dass die Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG) den legitimen Anspruch der Bevölkerung nicht erfüllt, dass die AKW-Betreiber im Schadensfall für alle entstehenden Kosten aufkommen müssen. «Selbst eine Verdoppelung der zurzeit zur Verfügung stehenden 2,25 Milliarden Franken für einen AKW-Schadensfall hätte keinen nennenswerten Einfluss auf die Folgekosten, die der Allgemeinheit daraus entstünden», so Large.

Die Allianz «Stopp Atom» erwartet deshalb bestimmt, dass der Ständerat die Atomhaftpflicht-Vorlage an den Bundesrat zurückweist und diesen auffordert, das Schadenspotenzial von den möglichen mittleren, schweren und sehr schweren nuklearen Unfällen in schweizerischen Atomkraftwerken konkret zu ermitteln.
Weiter fordert die Allianz «Stopp Atom»:

1. Schluss mit der indirekten Subventionierung der hochriskanten Atomenergie durch die faktische Übernahme von bis zu 99 Prozent der Atomrisiken durch Staat und Steuerzahler.

2. Die AKW-Betreiber müssen für die möglichen Schäden vollumfänglich selber aufkommen.

3. Soweit die Schadensdeckung nicht vom Privatversicherungsmarkt garantiert werden kann, sind die AKW-Betreiber dafür verantwortlich zu machen, mit eigenen Nuklearschadens-Fonds für volle Deckung zu sorgen.

4. Für AKW-Neubauten muss die volle Schadensdeckung ab dem ersten Betriebstag garantiert sein. Für bestehende AKW ist diese Garantie nach einer kurzen Übergangsfrist zu erbringen.

Die Allianz «Stopp Atom» ist der Zusammenschluss der Schweizer AKW-Gegnerinnen und -Gegner. Am 28. August 2007 gegründet, sind ihr inzwischen über zwanzig Organisationen beigetreten. Mit der Medienkonferenz bezieht die Allianz «Stopp Atom» zum ersten Mal dezidiert und sachbezogen Stellung gegen die Produktion von Atomstrom.

An der Medienkonferenz nahmen neben John H. Large Jürg Buri, Präsident der Allianz «Stopp Atom» und Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES), Leo Scherer von Greenpeace Schweiz

Mitglieder Allianz «Stopp Atom»

Aargau gegen AKW, Alternative Liste Zürich, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, ContrAtom, Ecologie libérale, Fokus Anti-Atom, Frauen für den Frieden Schweiz, Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst, Greenpeace Schweiz, Grüne Bewegung Uri, Grüne Partei der Schweiz, INCOMINDIOS Schweiz, Junge Grüne, JUSO Schweiz, KLAR! Schweiz, MNA, NWA (Nordwestschweizer Aktionskomitee gegen Atomkraftwerke), oeku Kirche und Umwelt, Ökozentrum Langenbruck, PSR / IPPNW, Schweiz, Schweizerische Energie-Stiftung (SES), Schweizerischer Friedensrat SFR, Sortir du nucléaire, SP Schweiz, SSES (Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie), VCS Verkehrs-Club der Schweiz, WWF Schweiz, Pro Natura


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /