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Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz: leider mit Mängeln!

Nach wie vor Missstände punkto Öffentlichkeitsbeteiligung - Schwellenwerte für UVP-Pflicht nach wie vor zu hoch- Beschwerden an EU-Kommission eingebracht - Öffentliche Konsultation

Wien- Am 23.6.2009 wurde die Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz (UVP-G) im Ministerrat beschlossen. "Damit wurde zwar so mancher Missstand behoben, dennoch sind einige Punkte offen geblieben: Die Schwellenwerte zur Begründung der UVP-Pflicht sind nach wie vor viel zu hoch angesetzt, was u.a.
zur Folge hat, dass in Österreich im europäischen Vergleich nur wenige Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Außerdem ist die Öffentlichkeit bei Einzelprüfungs- bzw. Feststellungsverfahren immer noch ausgeschlossen", sagt Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes (UWD). Der Umweltdachverband brachte deshalb gemeinsam mit dem Oesterreichischen Alpenverein (OeAV) und dem Kuratorium Wald bei der Europäischen Kommission zwei Beschwerden ein.

Schwellenwerte für Vorhaben in sensiblen Gebieten sind eindeutig zu hoch

"Die Schwellenwerte für Vorhaben in schutzwürdigen Gebieten sind generell viel zu hoch angesetzt. Daher ist meist keine UVP erforderlich, was noch intakte Landschaften und sensible Ökosysteme zunehmend in Bedrängnis bringt. Steigender Erschließungsdruck und der Umstand, dass mit der Novelle das Erreichen der Schwellenwerte selbst in schutzwürdigen Gebieten von einer Flächeninanspruchnahme mit Geländeveränderungen abhängig gemacht wird, machen z.B. Projektwerber bei der Errichtung oder der Zusammenlegung großer Schigebiete, die die alpine Umwelt fahrlässig beeinträchtigen, immer skrupelloser",
erklärt Christian Wadsack, Präsident des OeAV.

Schigebietserweiterung Mellau-Damüls: schwerwiegende Eingriffe in den Naturraum

Noch bevor die Novelle in Kraft trat, wurde 2003 für den Zusammenschluss der beiden Schigebiete Mellau und Damüls im Bregenzer Wald die naturschutzrechtliche Bewilligung für vier neue Seilbahnprojekte - Ragazer Blanken, Hohe Wacht-, Elsenkopf- und Gipfelbahn - und Schipisten mit einer Fläche von rund 100 Hektar beantragt, drei Jahre später erteilt. Eine Berufung der Naturschutzanwältin wurde zurückgewiesen, obwohl die Eingriffe in Natur und Landschaft als schwer wiegend eingeschätzt wurden. "Die Durchführung einer UVP unterblieb, da der geforderte Schwellenwert von 20 ha nicht erreicht wurde - von den geplanten 100 ha Pistenfläche galten laut UVP-G nur knapp 13 ha als Geländeveränderung", stellt Peter Haßlacher, Leiter der Fachabteilung Raumplanung-Naturschutz des OeAV (Österr. ALpenverein) fest.

Der OeAV gab ein Gutachten in Auftrag, das bekräftigte, dass das Projekt gegen das Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention verstößt und somit nicht genehmigungsfähig ist. Aufgrund der Nichtdurchführung einer UVP und der Nichtbeachtung der Alpenkonvention brachte ein Vorarlberger Initiativ-Komitee im Juni 2007 beim Beschwerdausschuss des EU-Parlaments eine Petition ein. Im Oktober 2008 bestätigte die EU-Kommission das Vorliegen schwerwiegender Verfahrensfehler. "Ein EU-Beschwerdeverfahren wurde eingeleitet, ein Vertragsverletzungsverfahren steht an", so Haßlacher.

Alpenverein und Umweltdachverband richten Beschwerde an EU-Kommission

Nichtsdestotrotz wurden die Bauarbeiten in Mellau-Damüls fortgesetzt: Drei Seilbahnen und zahlreiche Pisten sind schon fertig gestellt. Mit der Errichtung der Sesselbahn Ragaz soll heuer begonnen werden. OeAV und UWD haben bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen des rechtswidrigen Vollzugs europäischen Umweltrechts eingebracht.

Beteiligungsrecht im UVP-Gesetz nach wie vor als Stiefkind behandelt

Ein weiterer Missstand punkto UVP-G betrifft die Öffentlichkeitsbeteiligung: "Bei vielen Projekten, bei denen schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten sind, ist die
Durchführung einer Einzelfallprüfung vorgesehen, bei der über eine allfällige UVP-Pflicht des Projektes entschieden wird - allerdings unter Ausschluss der betroffenen Öffentlichkeit! Umwelt-NGOs werden demnach nach wie vor bei dieser Feststellung außen vor gelassen - ein Sachverhalt, der klar gegen die Aarhus-Konvention verstößt", so Matthias Pölzer vom Kuratorium Wald. Alpenverein, Umweltdachverband und Kuratorium Wald haben deshalb auch in dieser Causa eine
Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht. "Eine adäquate Öffentlichkeitsbeteiligung und niedrigere Schwellenwerte sind unabdingbar im UVP-G zu verankern - international gebräuchliche Umweltstandards müssen endlich auch in Österreich etabliert werden", fordern Heilingbrunner, Wadsack, Haßlacher und Pölzer unisono.

EU-Kommission plant Änderung der UVP-RL - öffentliche Konsultation ist angelaufen

Die EU-Kommission hat in einem Bericht 20 Umsetzungsjahre der UVP-RL bewertet und in einigen Aspekten Verbesserungsbedarf geortet - z.B. hinsichtlich der Festsetzung der Schwellenwerte durch die Mitgliedstaaten, hinsichtlich der Qualität der UVP-Unterlagen, und v.a. auch punkto Beteiligung der Öffentlichkeit - und plant deshalb eine Änderung der UVP-Richtlinie. Eine öffentliche Konsultation via
Internet ist vor kurzem angelaufen. "Österreich darf sich dabei keinesfalls die Hoffnung machen, dass die Richtlinie aufgeweicht wird, sondern ganz im Gegenteil, viele Kritikpunkte treffen zu 100 % auf Österreich und die UVP-Praxis zu. Auch die jüngste Judikatur des EuGH in Sachen Mitwirkungsrechte der NGOs beim UVP-Feststellungsverfahren gibt Anlass für erhöhten Handlungsbedarf in Österreich. Bis 24. September 2010 besteht die Möglichkeit, via öffentliche Konsultation Verbesserungsvorschläge einzubringen - was wir mit Sicherheit tun werden", versichern UWD, OeAV und Kuratorium Wald.

Öffentliche Konsultation dazu bis 24.9.2010:ec.europa.eu/environment/consultations/eia.htm



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Weitere Infos: Umweltdachverband

Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /