© Martin Konzet
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Grüne wollen Klima-Fußabdruck für Produkte und Dienstleistungen

Anschober und Brunner präsentierten bei Bundeskongress Zukunftsthesen "Raus aus dem Öl"

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Graz- Beim gestrigen ersten Tag des grünen Bundeskongresses stand die "grüne Energierevolution" im Mittelpunkt. Als Gastreferent beeindruckte Hermann Scheer mit gewohnt pointierten und brillianten Argumentationen für eine notwendige Energiewende.

Die Grünen fordern eine verpflichtende Kennzeichnung des Klima-Fußabdrucks von Produkten und Dienstleistungen ab 2011. Mittelfristig soll dieser "CO2-Fußabdruck", der angibt, wie klimafreundlich oder -schädlich ein Produkt ist, auch als Maßstab für mehr Kostenwahrheit herangezogen werden.

Diese Idee, die von Eva Glawischnig bereits im Vorfeld des Bundeskongresses präsentiert wurde, ist Kern des Thesenpapiers "Raus aus dem Öl", das h von der Grünen Umweltsprecherin Christiane Brunner und dem oberösterreichischen Umweltlandesrat Rudi Anschober präsentiert und zur Diskussion gestellt wurde.

"Die Häufung von Naturkatastrophen im Jahr 2010 und die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko machen den dringlichen Handlungsbedarf in der Energiepolitik deutlich. Wir erleben den ersten Klima-Gau. Darauf gibt es nur eine Antwort: wir müssen raus aus dem Erdöl", meint Brunner. Der Ölpreis wird in den kommenden Jahren auf über 200 US-Dollar explodieren, wenn die Weltwirtschaft wieder anspringt. Das Maximum der globalen Ölförderung dürfte bereits überschritten sein, die Förderung kann mit der steigenden Nachfrage nicht mehr mithalten. Wird das "schwarze Schmiermittel der Weltwirtschaft" knapp und teuer, gerät der Wirtschaftsmotor ins stottern. "Wenn nicht gegengesteuert wird, bewegen wir uns sehenden Auges auf die nächste Weltwirtschaftskrise zu. Steigende Arbeitslosigkeit und Armut würden die Folge sein", warnt Anschober.

"Eine echte Ökologisierung des Steuersystems ist ein Schlüssel beim Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Klimaschädliche Energieträger wie Öl, Gas, Kohle sollen höher, der Faktor Arbeit niedriger besteuert werden. Das schafft Arbeitsplätze und lässt den Haushalten am Ende des Monats mehr Geld im Börsel", erklärt Brunner. Die Kennzeichnung des Klimafußabdrucks ist eine Weiterentwicklung der Grünen ökologisch-sozialen Steuerreform. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will eine solche Klimakennzeichnung. Mittelfristig könne eine Klimasteuer auf Produkte und Dienstleistungen beim Umsteuern helfen und die regionale Wirtschaft stärken. "Das Holzspielzeug aus dem Waldviertel wird günstiger, das Plastikspielzeug aus China teurer. Das schafft Grüne Arbeitsplätze in Österreich", sagt Brunner.

"Die Alternativen zum Öl stehen längst bereit. Die Sonne wird Erdöl als Energiequelle Nr. 1 ablösen", ist Anschober überzeugt. "Ein kompletter Umstieg auf erneuerbare Energieträger ist möglich. Oberösterreich hat diesen Weg bereits eingeschlagen. Bis 2030 sollen Strom und Wärme komplett auf Ökoenergie umgestellt werde. 16.000 Arbeitsplätze sichert die Grüne Energiewende in Oberösterreich bereits heute. Das Modell Oberösterreich könnte auf ganz Österreich ausgedehnt werden. Dazu fehlen aber entsprechende Rahmenbedingungen auf Bundesebene", kritisiert Anschober.

"Ölkonzerne sollten mitzahlen bei der Energiewende, dazu sollte eine Steuer auf Gewinne der Ölkonzerne eingehoben und zweckgebunden werden", fordert Brunner. Weitere dringend notwendige Maßnahmen auf Bundesebene: ein neues Ökostromgesetz, eine Klimaschutzmilliarde für die Wärmedämmung und ein wirksames Klimaschutzgesetz.

Die Grünen werden das Konzept des Klima-Fußabdrucks in den kommenden Wochen mit ExpertInnen diskutieren und in Folge einen konkreten Vorschlag ins Parlament einbringen.
Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig übt heftige Kritik an der deutschen Regierung, die plant, die deutschen Atomkraftwerke im Schnitt 14 Jahre länger am Netz zu lassen. "Das ist ein sicherheits- und umweltpolitisches Fiasko und hat nur einen Zweck: Die deutschen Atomkonzerne kassieren über 100 Mrd. Euro an zusätzlichen Gewinnen. Die Regierung Merkel hat sich der Profitgier der deutschen Atomkonzerne unterworfen." Dem ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der neben seinem Job als Nationalratsabgeordneter seit April 2010 im Aufsichtsrat des deutschen Atomkonzerns RWE werkt, wirft Glawischnig politische Korruption vor, weil er persönlich von den skandalösen deutschen Atomplänen profitiert. "Schüssel schneidet als RWE-Aufsichtsrat gehörig mit am deutschen Atom-Deal. Sein Gehalt steigt mit den Gewinnen des Atomriesen. Die gewinnbeteiligten RWE-Aufsichtsräte können durch Merkels Kniefall vor der Atomlobby mit Jahresgagen von 300.000 Euro rechnen", kritisiert Glawischnig, die Schüssel aus diesem Grund zum sofortigen Rücktritt als Abgeordneter auffordert. Von Kanzler Faymann und Vizekanzler Pröll fordert Glawischnig überdies, scharfen Protest bei der Regierung Merkel einzulegen - eine entsprechende Resolution wurde vom Grünen Bundeskongress beschlossen.

Glawischnig erinnert an die dramatischen Naturkatastrophen des heurigen Sommers: "Die Katastrophen in Pakistan und Russland waren nur die Spitze des Eisbergs: weite Teile der Erde erlebten Hitzewellen, Rekordtemperaturen und Flutkatastrophen. 2010 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Was wir heuer erleben ist der erste Klima-Gau." Die Grüne Bundessprecherin beklagt, dass es Europas Politikern binnen weniger Stunden möglich sei, 8400 Milliarden Euro zur Rettung des Bankensystems bereit zu stellen aber: "Wenn 20 Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren, Tausende sterben, fließen Hilfsgelder spät und spärlich. Menschliche Schicksale scheinen weniger zu wiegen als Banken." Sie fordert eine ausreichende Finanzierung des Klimaschutzes. "Das Geld ist da, es wird nur falsch investiert. Genau jene Summe, die wir jährlich für den globalen Klimaschutz benötigen, 550 Mrd. Euro, wird weltweit für die Subventionierung fossiler Energieträger ausgegeben. "Es muss Schluss sein mit der Subventionierung von Öl, Gas und Kohle."

Eine Gesellschaft ohne Erdöl - Österreich als Modellregion

"Was das steirische Mureck, das burgenländische Güssing oder Oberösterreich schaffen, können wir in ganz Österreich schaffen: Österreich kann Modellregion für Europa und die Welt sein und vorzeigen, dass eine Gesellschaft ohne Erdöl möglich ist. Das ist mein zentrales politisches Ziel." meint Glawischnig.

Sie spricht sich für eine grundlegende Ökologisierung der Wirtschaft aus. "Ich schlage ein neues Steuerungsinstrument vor: den CO2-Fußabdruck. Dieser "Klimarucksack" gibt an, wie viele Treibhausgasemissionen von einem Produkt über den gesamten Lebenszyklus verursacht werden. Der Klima-Fußabdruck bringt die Wahrheit über die Klima-Freundlichkeit oder -Schädlichkeit von Produkten und Dienstleistungen ans Tageslicht, macht diese messbar und vergleichbar. Deswegen sollte es eine verpflichtende Kennzeichnung des Klima-Rucksacks von Produkten und Dienstleistungen geben. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will diese Informationen, um bewusste, klimafreundliche Kaufentscheidungen treffen zu können."

In einem zweiten Schritt soll dieser Klima-Fußabdruck auch für Kostenwahrheit sorgen. Glawischnig: "Regionale Produkte aus erneuerbaren Rohstoffen werden dadurch günstiger, Produkte, für deren Produktion und Transport viel Erdöl zum Einsatz kommt, teurer. Die Holzeisenbahn aus dem Waldviertel oder der Steiermark wird im Spielzeuggeschäft weniger kosten, das Plastikspielzeug aus China mehr. Regionales Biogemüse wird günstiger, importierte Glashausparadeiser teurer."

Für Glawischnig ist das nicht nur ein Umwelt-Vorschlag: "Klima-Kostenwahrheit macht regionale, biologische, aus heimischen Rohstoffen und mit geringen Transportwegen hergestellte Produkte und Dienstleistungen günstiger. Das nützt der Regionalwirtschaft, schafft Arbeitsplätze in der Region, das ist ein grünes Wirtschafts- und Beschäftigungsprogramm. Wenn Produktpreise die Klima-Freundlichkeit oder -Schädlichkeit abbilden, wird den KonsumentInnen ein mächtiges Instrument in die Hand gegeben: sie selbst können sich täglich für Klimaschutz entscheiden und der Bundesregierung den Weg weisen. "



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /