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Elektroautos schaffen neue Jobs in Europa

Bis 2030 rund 110.000 Arbeitsplätze zusätzlich – Weitreichende Verschiebungen entlang der Wertschöpfungskette

"Der Markt für Antriebskomponenten kann sich durch den Trend zur Elektromobilität und die Globalisierung bis 2030 auf 460 Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdoppeln und schafft weltweit 420.000 neue Arbeitsplätze. Das weltweite Wachstum sorgt auch in Europa für Umsatz- und Beschäftigungssteigerungen." so ist in einer neuen Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company nachzulesen, nach der sich das Marktvolumen in Europa bis 2030 auf 170 Milliarden Euro verdoppelt und rund 110.000 zusätzliche Fachkräfte mit Know-how in Chemie und Elektronik benötigt werden. Gleichzeitig ergeben sich dadurch weitreichende Verschiebungen in der Wertschöpfungskette. Hersteller und Zulieferer müssen sich jedoch voerst vom Verbrennungsmotor über den Batterie- und Hybrid- bis zum Brennstoffzellenantrieb alle Technologie-Optionen offenhalten und gleichzeitig ein professionelles Rohstoffmanagement sowie neue "Mechemtronik"-Kompetenz bei den Mitarbeitern aufbauen.

Der Trend zur Elektromobilität wird durch die CO2-Regulierung getrieben. Bei einer sehr strengen Regulierung dürfen Pkw bis zum Jahr 2050 nur noch bis zu 10 g CO2/km erzeugen – und dies nach Well-to-Wheel-Rechnung, das heißt: gemessen von der Energieerzeugung bis zum Auspuff. In diesem Fall dominieren langfristig bis 2050 Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge, für die Kurz- bzw. Langstrecke. Aber auch bei einem milderen Grenzwert von 40 g CO2/km ist sicher, dass das Elektroauto kommt. Bei diesem Grenzwert, der als Basis für die Marktanalysen genutzt wurde, würden Hybrid- und Range Extender-Fahrzeuge – also Antriebe, die Elektro- und Verbrennungstechnik kombinieren – bis 2030 einen Anteil von 35 bzw. 15 Prozent der Neuzulassungen erreichen. "Trotz starker Zuwachsraten bei den Elektrofahrzeugen prägt der Verbrennungsmotor noch lange den Markt", sagt Andreas Tschiesner, Partner im Münchener Büro von McKinsey. Zwar werden 2030 bereits zwei von drei Autos mit einem (zusätzlichen) Elektromotor ausgestattet sein, aber noch immer werden mehr als drei von vier Autos über einen Verbrennungsmotor verfügen.

Diese Verschiebung schlägt sich in einem signifikant höheren Marktvolumen nieder: Bis 2030 wird der Markt für Elektromotorkomponenten doppelt so groß sein wie für Verbrennungsmotorkomponenten, wie die Berater anhand einer detaillierten Modellierung der Wertschöpfungskette in über 60 Komponentengruppen belegen. Verstärkt wird dieser Effekt durch das starke Wachstum in den Schwellenmärkten: China und Indien wachsen dreimal so schnell wie die bisherigen Kernmärkte Europa, Nordamerika und Japan. Beide Trends führen dazu, dass sich der Markt für Antriebstechnologien bis 2030 von 190 auf 460 Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt, unter Berücksichtigung der Umsatzeinbußen bei Verbrennungsmotoren und zu erwartender Produktivitäts-/Preiseffekte.

Der Wachstumstreiber Elektromobilität stellt Hersteller und Zulieferer vor drei Kernherausforderungen: Management von Technologieoptionen, Gestaltung eines professionellen Rohstoffmanagements und Aufbau entsprechender Fähigkeiten bei den Mitarbeitern. "Deutsche Hersteller begründen ihre Stärke auf ihrer Kompetenz in der Mechanik. Jetzt kommt es darauf an, das Portfolio einschließlich der neuen Technologien zu beherrschen", erklärt Andreas Tschiesner. Elektromotoren, Batterien und Thermomanagement sind den Beratern zufolge zweifellos die wachstumsstärksten Komponenten. Einzelne mechanische Komponenten, die von der zunächst wachsenden Komplexität profitieren, wie zum Beispiel Getriebe und Turbolader, werden bis 2020 noch an Umsatz gewinnen. Danach werde die Nachfrage aber signifikant zurückgehen. "Um im Portfolio-Spiel erfolgreich zu sein, müssen sich die Hersteller genau überlegen, in welche Technologien sie investieren und wo sie mit Zulieferern oder Wettbewerbern kooperieren."

Eine weitere Herausforderung wird das Management von Rohmaterial: Für die neuen Komponenten werden zu einem wesentlich höheren Anteil Materialien benötigt, bei denen sich eine Rohstoffknappheit heute schon abzeichnet. Die Nachfrage nach Stahl und Aluminium wird sich bis 2030 fast verdoppeln, die Nachfrage nach Kupfer um das 13fache steigen. Noch höher ist der Bedarf an der seltenen Erde Neodym (120facher Bedarf) und an Lithium (200fache Steigerung). Aber auch Kohlefaserverbundstoffe werden begehrter: "Durch die Massenproduktion und die damit verbundenen Preissenkungen von Kohlefaserkomponenten könnte die Nachfrage jährlich um über 20 Prozent steigen und die heute von der Luftfahrt dominierte Branche in eine Autodomäne verwandeln", erklärt Wolfgang Pointner, Partner im Stuttgarter Büro von McKinsey. Die Automobilindustrie müsse nun ein professionelles Rohmaterialmanagement aufbauen, um die aus der Rohstoffknappheit resultierenden Preissteigerungen auffangen zu können und den Zugang zu den benötigten Rohstoffen auch in Jahrzehnten noch sicherzustellen.

Die dritte Herausforderung schließlich besteht im Aufbau der erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten. Mit dem Trend zur Elektromobilität verschiebt sich das Kompetenzprofil der automobilen Antriebsindustrie von der Mechanik hin zur ‘Me-chem-tronik’: "In zwanzig Jahren wird weltweit der Anteil der Mitarbeiter in der mechanischen Bearbeitung von 80 Prozent auf 60 Prozent gesunken sein", erklärt Nicolai Müller, Partner im Kölner Büro von McKinsey. "Die restlichen 40 Prozent entfallen dann auf Elektroniker und Chemiker." Das gilt auch für Europa: Die 110.000 neuen Fachkräfte, die nach McKinsey-Analysen allein in Europa für die Produktion und Entwicklung von elektrifizierten Antriebssträngen erforderlich sind, werden ausschließlich in den Bereichen Chemie, Kunststofftechnik, Mikroelektronik, Elektrotechnik und Software/IT benötigt. Industrie und Regierung stehen dabei gemeinsam vor der großen Herausforderung, frühzeitig Fachkräfte mit Mechemtronik-Kompetenzen für den steigenden Bedarf auszubilden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /