"DER STANDARD"-Kommentar: "Umweltgifte wirken langsam

Aber die Politik mag nicht handeln, wenn es nicht drängt - von Conrad Seidl

Wien - Es liegt etwas in der Luft: Wer in einem Ballungsraum wie Graz, Linz oder Wien lebt, der lebt – statistische Wahrscheinlichkeiten zugrunde gelegt - nicht so lang, wie er eigentlich könnte. Und das hängt mit dem zusammen, was in der Luft liegt, nämlich dem Feinstaub. Dieser belastet die Atemwege. Und er bringt den einen oder anderen um - auch wenn sich selten konkret festmachen lässt, wer genau jene Feinstäube emittiert hat. Es lässt sich auch nicht sagen, dass dieses oder jenes konkrete Rußpartikelchen bei einem bestimmten Kranken Asthma ausgelöst hat. Aber es lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass die hohe Belastung der Atemluft mit Feinstäuben am Krankheitsgeschehen und an der erhöhten Mortalität mit schuld ist.

Es gab Zeiten, da hätte diese Meldung alle Medien bewegt und alle Politiker aufgerüttelt: "Es muss was geschehen" - und es wäre auch etwas passiert. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass ein beachtlicher Teil der Feinstäube durch Fernverfrachtung hierher kommt, können lokale Maßnahmen hochwirksam sein. Wenn von heute auf morgen der gesamte Individualverkehr und sämtliche Einzelofenheizungen stillgelegt würden, gäbe es - allerdings mit Zeitverzögerung - tatsächlich weniger Feinstaub.

Und über viele, viele Jahre gerechnet gäbe es wohl auch weniger Todesfälle, die mit Atemwegserkrankungen zusammenhängen. Für Umweltpolitik verantwortlich zu sein dürfte da nicht sehr lustig sein - schon gar nicht in Zeiten eines Wahlkampfs wie derzeit in Graz. Wäre es verantwortungsbewusst, den Menschen (potenziellen Wählern zumal) das geliebte Auto zu verbieten oder sie gar zum Frieren in der eigenen Wohnung zu verurteilen? Würde das die Gesundheitssituation in entsprechendem Maße verbessern? Und vor allem: Würde man für solche Maßnahmen gewählt werden? Die letzte Frage beantwortet sich von selbst: Nein, für die Abwehr einer potenziellen Bedrohung durch radikale Maßnahmen gibt es keinen Dank der Wähler. Die danken es allenfalls, wenn eine konkrete, akute Gefahr gebannt wird. Aber das ist in der Umweltpolitik derzeit glücklicherweise nicht angesagt: Es gibt keine Katastrophen, nur ungeheuer viele schwer abschätzbare Risiken.

Selbst das, was unter dem Sammelbegriff "Klimakatastrophe" erfasst ist, ist eben kein Katastrophenereignis, sondern eine Ansammlung von Wahrscheinlichkeiten, dass negative bis katastrophale Folgen eintreten werden, wenn nicht massiv gegengesteuert wird.

Für die sogenannte Klimakatastrophe gibt es immerhin eine gewisse Aufmerksamkeit - und Zustimmung dafür, dass etwas dagegen getan werden muss. Mit der wichtigen Einschränkung: Allzu schmerzhaft soll es bitte nicht sein, viel Änderung in unserem Lebenswandel (oder auf unserem Einkaufszettel) wollen wir eigentlich nicht hinnehmen. Das gilt, wie gesagt, beim derzeit populärsten Umweltthema – wobei die Aufmerksamkeit für den Klimawandel andere Probleme wie die Vergiftung von Luft, Boden und Wasser völlig in den Hintergrund treten lässt. Wir werden schleichend vergiftet, aber wir nehmen es hin. Und das tun dann auch unsere Volksvertreter. Wobei auch hier einzuschränken ist: Es sind eben keine akuten Vergiftungen. Wegen einem bisserl Blei im Boden und einem bisserl Feinstaub in der Luft fällt man nicht gleich tot um. Sondern erst später.Aber deswegen wäre es ja angebracht, mittel- und langfristige Programme umzusetzen. Also das Vorsorgeprinzip auszuweiten und zu trachten, dass Schadstoffbelastungen nachhaltig reduziert werden und neue Belastungen erst gar nicht entstehen. Das ist, wenn man es ernsthaft angeht, mit relativ geringem Komfortverlust für die Bürger möglich. Niemand braucht Öfen – wenn (Fern-) Wärme anders organisiert wird. Ähnliches gilt für Autos und Mobilität. Und Maßnahmen gegen Feinstaub ließen sich auch noch als
Maßnahmen gegen Klimawandel vermarkten.

Rückfragehinweis: Der Standard


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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /