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AKW-Sicherheitstests verkommen zur Farce

EU-Kommission lässt sich von Atomlobby über den Tisch ziehen

Scharfe Kritik an den gestrigen Beratungen des EU-Energieministerrats über die angekündigten AKW-Stresstests gibt es von Greenpeace. Nach dem Super-GAU im japanischen Fukushima sollten die Reaktoren in der Europäischen Union strengen Sicherheitstest unterzogen werden. Die Atomindustrie blockiert bei der Ausgestaltung dieser AKW-Überprüfungen jedoch jede Form von unabhängiger Expertise, strenger Kriterien oder ausreichender Transparenz. "Die Regeln der AKW-Sicherheitstests werden von der Atomindustrie diktiert. Die EU-Kommission rund um den Atomkraftbefürworter Günther Oettinger, ist offensichtlich bereit sich über den Tisch ziehen zu lassen", kritisiert Niklas Schinerl, Anti-Atom-Sprecher von Greenpeace.

Der Vorschlag der Vereinigung der Westeuropäischen Aufsichtsbehörden für die Sicherheitsüberprüfungen zur AKW-Sicherheit sieht lediglich Untersuchungen für Naturkatastrophen wie Erdbeben, Flutwellen oder extremen Temperaturschwankungen vor. Darüber hinaus gehende Untersuchungen sollen auf freiwilliger Basis stattfinden. Für alle Überprüfungen gilt, dass unabhängigen Fachleuten der Zutritt zu den Atommeilern verweigert wird. "Damit wird das passieren, was zu befürchten war: Die Atomindustrie schickt ein paar Berichte nach Brüssel. Davon wird kein Atomkraftwerk sicherer. AKW-Sicherheitstests die Sinn machen, müssen unter Einbeziehung unabhängiger Experten und transparent stattfinden", so Schinerl und fordert die Beteiligung unabhängiger Wissenschaftler, die zuvor noch für keinen der AKW-Betreiber tätig waren. Nicht nur die Kraftwerksbetreiber selbst, sondern auch atomkritische Staaten wie Österreich oder internationale NGOs müssen für die Nominierung dieser unabhängigen Experten und Wissenschaftler herangezogen werden.

"Die Atomindustrie fürchtet sich offensichtlich vor unabhängigen Untersuchungen und weigert sich ernsthaft mit der Sicherheit der eigenen auseinanderzusetzen. Den Preis für dieses Sicherheitsrisiko zahlen alle Europäer. Ohne unabhängige Experten verkommen die AKW-Stresstest zur reinen Farce", so Schinerl.

Dass die angekündigten Stresstests für europäische Atomkraftwerke nun deutlich milder ausfallen sollen als geplant, kommt für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas einer "Verhöhnung der europäischen Bevölkerung" gleich. "Immerhin geht es hier um die Sicherheit der europäischen Bürger. Es geht um Menschenleben und
Gesundheit. Beide dürfen wegen wirtschaftlicher Interessen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Es braucht Stresstests mit Substanz und keine arketingaktionen", sagte Rudas. Dass sich gerade Frankreich und Großbritannien gegen strenge Stresstests ausgesprochen haben, ist nicht verwunderlich, da sie zu den großen Betreiberländern zählen.

"In dieser Form schadet der Stresstest mehr als er nützt. In den kommenden Monaten wird nun nach und nach jedem Schrott-AKW in Europa ein 'bestanden' ins Zeugnis gestempelt, mit dem die Kraftwerksbetreiber zukünftig jegliche Kritik im Keim ersticken werden", kritisiert Christiane Brunner, Umweltsprecherin der Grünen.
Die Grünen kritisieren die Tests als reine Augenauswischerei, denn die Auswirkungen eines Terrorangriffs oder menschliches Versagen werden beim Stresstest nicht berücksichtigt. "Oberste Priorität bei der Überprüfung der europäischen AKW muss die Sicherheit der BürgerInnen sein und nicht der Wunsch, den AKW eine weiße Weste zu bescheinigen", kritisiert Brunner.

"Umweltminister Niki Berlakovich war vom ersten Moment an für harte AKW-Stresstests, die diesen Namen auch verdienen und entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen, sollte ein AKW den Test nicht bestehen", stellt ÖVP-
Umweltsprecher Hermann Schultes klar. "Die Staats- und Regierungschefs haben leider keine Verbindlichkeit der Stresstests festgelegt. Das muss dringend korrigiert werden", so der ÖVP- Umweltsprecher, und weiter: "Zudem haben Stresstests auch die Frage zu beantworten, wie ein Land im Ernstfall mit einem atomaren Notfall umgeht, welche konkreten Maßnahmen dann ergriffen werden und ob diese auch geeignet sind."

Sicherheit und Lebensqualität der Menschen müssen an oberster Stelle stehen und Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.

"Wir brauchen keine Stresstests. Wir kennen die Risikoreaktoren, von denen derzeit die größte Gefahr ausgeht und fordern die sofortige Stilllegung dieser Zeitbomben", fordert Brunner. Alle Siedewasserreaktoren vom Typ Fukushima, alle AKW in Erdbebengebieten (z.B. Krsko/Slovenien), alle AKW ohne Schutzhülle (z.B. die grenznahen AKW Mochovce, Bohunice/Slowakei, Dukovany/Tschechien, Paks/Ungarn) und alle AKW, die älter als 30 Jahre sind, müssen sofort kontrolliert runtergefahren werden.


"Bei den Stresstests für Atomkraftwerke handelt es sich nur um groß angekündigte und fragwürdige Sandkastenspiele, ohne mehr Sicherheit für die Menschen zu bringen", kritisiert BZÖ-Energiesprecher Abg. Mag. Rainer Widmann.


Als "völlig inakzeptabel" bezeichnet der Vizepräsident der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, dass die EU-Kommission nun versucht sei, dem Druck jener Staaten mit den meisten Atomkraftwerken in Europa nachzugeben und die AKW-Stresstests abzuschwächen. Energie-Kommissar Oettinger habe dem EU-Parlament klar zugesagt, dass er vor der Festlegung der Tests das Parlament anhören werde. Und dieses werde strenge Stresstests einfordern, so Swoboda, stv. Mitglied im Energieausschuss. "Außerdem ist es wichtig, dass diese Tests vor allem dort angewendet werden, wo besondere Gefahrenmomente festzustellen sind. Dass dies insbesondere für das Atomkraftwerk Krsko gelten muss, habe ich bereits im letzten Plenum des Europäischen Parlaments eingefordert", betont der EU-Abgeordnete.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /