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Deutschland: Atomausstieg zu langsam

Ausbau der Erneuerbaren Energien ist halbherzig

Berlin- Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist der gestrige Beschluss des Bundeskabinetts zum Atomausstieg halbherzig. ‘Der Atomausstieg dauert viel zu lange, er wird der Neubewertung des atomaren Risikos nach der Katastrophe von Fukushima nicht gerecht. Wenn der Großteil der Atomkraftwerke erst um das Jahr 2020 abgeschaltet wird, muss die Bevölkerung viele weitere Jahre mit der ständigen Gefahr schwerer atomarer Störfälle leben. Hinzu kommen die wachsenden Atommüllberge, für die es bis heute kein Endlager gibt’, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Der Umweltverband appellierte an die Oppositionsparteien, den Regierungsbeschluss nicht mitzutragen. ‘Wir können und müssen schneller aussteigen, es darf keinen faulen Kompromiss zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung geben’, sagte Weiger. Er bemängelte auch die weiter mögliche Umkehrbarkeit des von der Bundesregierung beschlossenen Ausstiegsfahrplans.

Enttäuscht äußerte sich der BUND-Vorsitzende zu den anderen Gesetzen, die ebenfalls im Kabinett beschlossen wurden: ‘Trotz der Stilllegung mehrerer Atommeiler soll der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland bis 2020 lediglich soweit erhöht werden, wie dies schon vor dem Ausstieg geplant war. Dieses Ziel reicht nicht aus. Hinzu kommt, dass der Bundesregierung jede Idee fehlt, den Stromverbrauch in Deutschland drastisch zu reduzieren’, sagte Weiger.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz müsse sich das Ziel von mindestens 45 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2020 setzen. Erforderlich sei ein entschlossener Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme sowie einer dezentralen Stromversorgung unter anderem mit Windenergieparks in Bürgerhand. Die Energiepolitik in Deutschland dürfe nicht darauf hinauslaufen, erneut vor allem Großstrukturen zu fördern. Der BUND forderte zudem ein Sofortprogramm für mehr Stromeffizienz, das mit einer Milliarde Euro ausgestattet werden solle. Erforderlich sei außerdem eine klare Positionierung seitens der Bundesregierung, welche neuen fossilen Kraftwerke gebaut werden sollten.

‘Der Klimaschutz verbietet den Zubau von Kohlekraftwerken und der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien braucht schnell flexible Gaskraftwerke. Die Bundesregierung muss endlich im Sinne des Klimaschutzes handeln und den Neubau von Kohlekraftwerken verbieten’, sagte Weiger.

Zeitgleiche Projektionen an allen neun noch laufenden Atomreaktoren, damit protestierten
Greenpeace-Aktivisten gestern am frühen Morgen gegen die Atompolitik von Schwarz-Gelb. Der Grund: Entgegen ihrer Ankündigung ‘so schnell wie möglich’ aus der Atomkraft auszusteigen, will die Bundesregierung heute beschließen, den Ausstieg erst bis 2022 zu vollenden. Die Aktivisten projizieren den Namen des jeweiligen AKWs und das eingeforderte Abschaltdatum an den Reaktor oder Kühlturm der jeweiligen Kraftwerke. Die Umweltschutzorganisation fordert den gestaffelten Ausstieg vorzuziehen und schon bis 2015 abzuschließen und aus der Risikotechnologie Atomkraft auszusteigen.

‘Merkels Ausstieg bis 2022 ist ein Ausstieg im Schneckentempo. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, die verbleibenden neun Reaktoren noch bis zu elf Jahre lang laufen zu lassen,’ sagt Tobias Münchmeyer, Energie-Experte bei Greenpeace. ‘Jeder Tag Atomkraft ist einer zu viel. Merkel ignoriert die Empfehlung der Ethik-Kommission, so schnell wie möglich auszusteigen. Sie muss die volle politische Verantwortung für jeden Atom-Unfall übernehmen, der sich nach 2015 aufgrund ihrer Verschleppung des Ausstiegs in einem deutschen Atomkraftwerk ereignet."

Zu wenig gelernt aus Fukushima

Drei Monate nach dem dreifachen Super-GAU in Fukushima ist die Situation im japanischen Atomkraftwerk immer noch nicht unter Kontrolle. Vorgestern war im havarierten japanischen Atomkraftkraftwerk Fukushima ein erneuter extremer Anstieg der Radioaktivität gemessen worden. ‘Während die Strahlung in Fukushima noch zunimmt, schaltet Merkel schon wieder einen Gang zurück. Von Atomausstieg 'so schnell wie möglich' ist gar nicht mehr die Rede’, so Münchmeyer.

Greenpeace kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung in weiteren Punkten: In der geplanten 13. Novelle des Atomgesetzes soll keine Klausel vorkommen, die einen früheren Atomausstieg erlaubt, sollten Fortschritte in der Energiewende dies zulassen. Außerdem soll das Gesetz die Rückholbarkeit von Atommüll nicht zwingend vorschreiben. Damit widersetzt sich die Regierung gleich mehrfach den Empfehlungen der Ethik-Kommission.

‘Mit dem Gebot der Rückholbarkeit hat sich die Ethik-Kommission de facto für die Aufgabe des Standortes Gorleben ausgesprochen, denn ein Salzstock eignet sich von allen für Endlager erwogenen Wirtsgesteinen am schlechtesten für eine Rückholung. Die Bundesregierung will auch diese Empfehlung einfach ignorieren. Das ist nicht akzeptabel’, so Münchmeyer.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /