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100% Erneuerbar – die grosse Chance für unsere Regionen

Das Thema der diesjährigen SES-Fachtagung in Zürich zog: Knapp 300 Personen füllten den Saal im Zürcher Technopark und liessen sich von verschiedenen Pionierprojekten inspirieren. Denn alle sprechen von der Energiewende, doch existieren unzählige Wege dor

Gemeinsam ist allen: Der unausweichliche Umbau des zentralen nuklear-fossilen Energiesystems bietet Regionen, Gemeinden und Privaten die Chance, ihre Energieversorgung selber in die Hand zu nehmen und so ökonomisch und ökologisch einen Mehrwert für die Region zu schaffen.

Regionale und lokale Strukturen sind treibende Kräfte für eine schnelle Energiewende. Dies betonte Hans-Josef Fell, Mitglied des Deutschen Bundestages und Autor des Erneuerbaren-Energie-Gesetz EEG, anlässlich der Fachtagung. Nicht über internationale Abkommen, sondern über Initiativen «von unten» ist eine auf 100% erneuerbaren Energien basierende Energiezukunft machbar. Gemäss Fell ist dieser Umbau bereits bis 2030 machbar: «Technologisch ist dies kein Problem. Für wirkliche Veränderung brauche es aber starke Ziele, schwache Ziele unterstützen höchstens das alte System». Bruno Abegg von der CIPRA International strich die besondere Bedeutung der Energieautonomie-Pioniere hervor: «Überzeugende, funktionierende Ideen finden leicht Nachahmer», deshalb seien diese Modellregionen so wichtig, so Abegg.

Das virtuelle Kraftwerk

Erneuerbare Energien bringen neue Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel ihr unregelmässig starkes Vorkommen. Einmal bläst der Wind stark, einen Tag später scheint die Sonne und noch später gar nichts mehr. Wie kann diese unregelmässige Produktion mit den Konsumationswünschen der Bevölkerung in Einklang gebracht werden? Ein Beispiel sind die «virtuellen Kraftwerke». Katharina Lesch vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES stellte diese intelligente Idee vor, die unterschiedlichste Stromproduktionsanlagen mit KonsumentInnen aus Industrie und Privathaushaltungen zusammenbringt. Doch dafür braucht es einen Paradigmenwechsel von der Produktionssteuerung hin zu einer Konsumsteuerung. Doch wie funktioniert das in der Praxis? Lesch: «Die Konsumenten spüren es direkt, denn sie haben einen Smart Meter, einen Computer, der ihnen zeigt, wann welche Stromtarife gelten – so können sie ihren Verbrauch optimieren».

210 Schokoriegel für 100 Kilometer

Teresa Karayel, Energiemanagerin beim EU-Projekt SEMS, präsentiert das Beispiel der Verbandgemeinde Weilerbach und zeigt auf, wie es die acht Ortsgemeinden schaffen wollen zu einem «zero emission village» zu werden. Bildung und Sensibilisierung nehmen einen besonderen Stellenwert ein, einfache Botschaften bleiben hängen, wie zum Beispiel: «Ein Auto braucht 210 Schokoriegel auf 100 Kilometer, ein Elektrovelo 1,5». Im Anschluss zeigte Georg Moosbrugger als Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Langenegg, wie in der 1000-Seelen Gemeinde langsam ein Bewusstsein für den Energieverbrauch wuchs. Heute sagt er: «Engagierte Bürger sind unser Kapital und dann muss man unbedingt den regionalen Gedanken vor den globalen stellen».

Wie Regionen ihre Visionen umsetzen

Initiativen aus der Region oder aus der Gemeinde sind wichtig, mindestens ebenso wichtig ist der Anstoss auf übergeordneter Ebene. Dazu gehören beispielsweise eine intelligente Energiestrategie, ein kantonaler Energierichtplan, welche den Gemeinden die nötigen Instrumente in die Hand gibt. Ulrich Nyffenegger, Leiter der Energiefachstelle Bern, zeigt wie das im Kanton Bern umgesetzt wird. Eine andere Perspektive auf denselben Sachverhalt zeigt Lukas Eichenberger, Geschäftsführer und Inhaber Eichenberger Beratung & Unterstützung AG. Er erläutert, wie eine Region in Zusammenarbeit mit innovativen Energieversorgern und Gemeinden viel erreichen kann. Dafür müssen regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. In der Region Bern-Solothurn liegt das grösste Potential bei der Kraft der Sonne, der Gebäudeeffizienz und der Nutzung von Biomasse. In den Bergen hingegen – dies zeigt Roman Betschart, Vorsitzender der Unternehmensleitung der Gemeindewerke Erstfeld – spielt die dezentrale Wasserkraft eine wichtige Rolle. Aber nicht nur die Wasserkraft hat Potential in den Bergregionen. Auch die Sonnenenergie spielt eine tragende Rolle, wie dies Betschart am Beispiel der Urner Gemeinde zeigt. Eine weitere regionale Initiative zeigt Christiane Pietsch anhand dem Energietal Toggenburg. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Informations- und Aufklärungsarbeit sowie die Bewusstseinsbildung.


Auch Organisationen können regionale, dezentrale Energieprojekte anstossen. Dafür stellen Michael Köpfli und Tonja Zürcher die Plattformen «unserstrom.ch» und «Potenzial Check» vor. Erstere ist eine Dienstleistung an Gemeinden und BürgerInnen und präsentieren positive Beispiele im Bereich erneuerbaren Energien und Effizienzmassnahmen. Der Potenzial Check wiederum zeigt das Ausbaupotenzial aller 2'500 Schweizer Gemeinden im Bereich der erneuerbaren Energien.

Auch politisch die richtigen Weichen stellen

Die SES-Fachtagung 2011 zeigt: Der Weg in eine sichere, saubere und wirtschaftliche Energiezukunft führt über regionale Initiativen. Damit Gemeinden und Regionen die vielfältigen Chancen der erneuerbaren Energien und der Effizienz nutzen können, braucht es jedoch klare energiepolitische Signale. Bundesrat und Nationalrat haben das wichtigste Signal bereits gesetzt: Den Ausstieg aus der Atomenergie. Nächsten Montag und Dienstag ist die Reihe an der Umweltkommission des Ständerates. In dreissig Tagen dann obliegt dieser Entscheid abschliessend den 42 Ständerätinnen und Ständeräten. Die SES fordert diese 46 PolitikerInnen auf, Verantwortung zu übernehmen und den Atomausstieg dingfest zu machen.

GastautorIn: Linda Rosenkranz für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /