Sanierung oder Neubau?

Eine Ansichtssache von Architekt Gerald Gaigg

‘Energieeffizientes Bauen wird zur Überlebensfrage der Menschheit’ So bündig und knapp bringt es Sir Norman Foster, einer der bekanntesten zeitgenös-sischen Architekten auf den Punkt: Gebäude benötigen in etwa die Hälfte der weltweit verbrauchten Energie und liegen damit weit vor der Industrie und dem Verkehr. Wenn wir angesichts der gegenwärtigen Diskussion über den Klimawandel die Treibhausgase reduzieren wollen, kommt deshalb der Verbesserung der Energieeffizienz unseres Gebäudebestandes eine entscheidende Rolle zu.

Nach Meinung des ehemaligen Chefs der Weltbank, Sir Richard Stern werden ohne entschlossenes Handeln unserer Regierungen für die Weltwirtschaft die Folgen des Klimawandels den schwarzen Freitag des vergangenen Jahrhunderts und die nachfolgende Depression in den Schatten stellen.

Welche Möglichkeiten haben wir nun, diesen Szenarien entgegenzuwirken, die unser Leben in den Grundfesten erschüttern? Mit der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie auf nationaler Ebene ist der erste Schritt gesetzt, das Energieausweisvorlagegesetz wurde vom österreichischen Parlament beschlossen. Für Neubauten sind ab 01.01.2008 und für Bestandsbauten ab 01.01.2009 Energieausweise bei Verkauf und Vermietung nachzuweisen.

Fraglich bleibt, wie viel Zeit uns bleibt, bis uns im sprichwörtlichen Sinn des Wortes die Luft ausgeht. Von den Zielvorgaben der Treibhausgasemissionen sind wir weit entfernt, anstatt 13%, - das entspricht 1,4 Mio. To CO2 - einzusparen, haben wir den angepeilten Ausstoß um 37 % überschritten. Strafzahlungen aus Brüssel stehen an und werden unsere Wirtschaft zusätzlich belasten.

Der Gesetzgeber ist so neben der Einführung des Energieausweises gefordert, über das Bau- und Raumordnungsrecht und die Wohnbauförderung weitere Impulse zu setzen, die eine rasche Verbesserung der Energieeffizienz unseres Gebäudebestandes bewirken.

Welches Potential darin versteckt liegt, zeigen uns die Daten des österreichischen statistischen Zentralamtes: 2001 hatte Österreich 3.315.347 Hauptwohnsitze mit 299.636.000 m² Nutzfläche, Tirol 257.916 Hauptwohnsitze mit 23.895.400 m² Nutzfläche. Bei einer Verbesserung der Energieeffizienz um den Faktor 4, das entspricht einem durchschnittlichen Heizwärmebedarf von ca. 50 kWh/m²a statt bisher 210 kWh/m²a könnten 4,8 Milliarden Liter Heizöläquivalent eingespart werden, in Tirol wären das 380 Millionen Liter. Beim mittelfristig wirtschaftlicherem Passivhausstandard gar 5,9 Milliarden Liter, in Tirol 470 Millionen Liter.

Bildlich gesprochen: 197.000 Tanklastzüge weniger für die Beheizung der Hauptwohnsitze Österreichs, 15.700 weniger in Tirol. Stoßstange an Stoßstange aneinandergereiht wäre das immerhin eine Tanklastzug-Schlange von 2.955 km Länge, der Tiroler Anteil beträgt dabei allein 236 km. Mit diesen Maßnahmen könnten jährlich 3 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, eine notwendige Größenordnung zur Erreichung der Klimaschutzziele.

Und das gilt wohlgemerkt nur für die Effizienzsteigerung der Hauptwohnsitze, Zweitwohnsitze, öffentliche und gewerbliche Gebäude sind dabei gar nicht eingerechnet!

Mit einer umfassenden Sanierungsoffensive könnte nicht nur die Wertschöpfung in Österreich gesteigert, und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern auch der Abfluss österreichischen Kapitals in jene Länder, die uns Energie liefern, reduziert und unsere Abhängigkeit verringert werden.

Das finanzielle Volumen für die thermische Sanierung der Hauptwohnsitze liegt dabei ausgehend von Sanierungskosten von 550 Euro je m² Wohnfläche hochgerechnet bei 165 Milliarden Euro, allein die anfallende Mehrwertsteuer brächte dem österreichischen Fiskus 33 Milliarden Euro.

Demgegenüber stehen - auf den aktuellen Ölpreis umgerechnet – jährliche Energiekosteneinsparungen von 4,13 Milliarden Euro gegenüber, welche ebenfalls der heimischen Wirtschaft und auch unserer Außenhandelsbilanz zugute kommen. Und wieder muss darauf hingewiesen werden, dass dabei Zweitwohnsitze, öffentliche und gewerblich genutzte Gebäude unberücksichtigt sind, das mögliche Einsparpotential also noch viel höher anzusetzen ist.

Aus all den vorgenannten Gründen muss somit die Frage gestellt werden, warum wir nicht umgehend eine umfassende Sanierungsoffensive starten, so die heimische Wirtschaft ankurbeln, zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und ganz nebenbei auch noch Strafzahlungen nach Brüssel vermeiden.

GastautorIn: Architekt Dipl.-Ing. Gerald Gaigg für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /