© greenpeace- Beim Antiatomgipfel in Wien
© greenpeace- Beim Antiatomgipfel in Wien

Anti-Atomgipfel: Mehrheit der ÖsterreicherInnen will Verbot von Atomstromimporten

Regierung muss Atomstrom-Handel durch "Strom unbekannter Herkunft" und direkten Atomstromimporten gesetzlichen Riegel vorschieben

Heute findet zum zweiten Mal der Anti-Atomgipfel, zu dem das Bundeskanzleramt Vertreter von Regierung, E-Wirtschaft und der Umweltschutzorganisationen Greenpeace und GLOBAL 2000 einlädt, statt. Beim ersten Gipfel im Juli hatte man sich lediglich darauf verständigt, dass die Abgabe von Strom unbekannter Herkunft verboten werden soll. GLOBAL 2000 und Greenpeace fordern aber das gesetzliche Verbot von Atomstromimporten nach Österreich. Das soll in zwei Schritten erfolgen. Erstens: Verbot des Handels mit "Strom unbekannter Herkunft", in dem sich der Atomstrom verbirgt und zweitens: Verbot von direkten Atomstromimporten.

Wie das in der Praxis aussehen soll, erklärt Energieexperte Dr. Reinhard Uhrig von GLOBAL 2000: "Derzeit kommen aus Österreichs Steckdosen - Haushalte und Industrie gesamt - 14,7 Prozent 'Strom unbekannter Herkunft', auch 'Graustrom' genannt, der über Strombörsen gehandelt werden kann. Schritt 1 also: Strom aus österreichischen Steckdosen soll nur noch aus bekannten Quellen stammen, 'Graustrom' von Börsen soll mit Stromnachweisen belegt werden, so wie es das Handelssystem vorsieht." Die Abgabe von nacktem "Strom unbekannter Herkunft" soll demnach im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) verboten werden. Jedweder anderer Strom - bis auf Atomstrom - kann wie bisher auf Börsen zugekauft werden. Dass dies geht, bestreitet kein Jurist - ein Satz im Gesetz, der hier ein Schlupfloch öffnet, muss geändert werden. Damit wird die Intention der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie der EU (lückenlose Kennzeichnung des Stroms für EndverbraucherInnen) endlich umgesetzt.

Schritt 2: "Es genügt nicht, Graustrom zu verbieten, denn die Möglichkeit auch direkt von potentiellen Atomstromanbietern Atomstrom zu importieren, bliebe damit erhalten - es kann lediglich nicht mehr versteckt werden. Damit Österreich wirklich atomstromfrei wird, muss also explizit die Abgabe von Atomstrom an Österreichs Stromkunden verboten werden", ergänzt Jurrien Westerhof, Energieexperte von Greenpeace. Dass dies juristisch umsetzbar ist, haben GLOBAL 2000 und Greenpeace mit nationalen und internationalen Rechtsgutachten belegt: jeder EU-Mitgliedsstaat hat die freie Wahl seiner Energieträger - und somit auch die Wahlfreiheit, auf Atomstrom zu verzichten. "An den Kosten kann es nicht scheitern, denn diese würden sich auf 13 Cent bis 1,95 Euro pro Haushalt pro Jahr beschränken. Wenn man sich die seit 2000 enorm gestiegenen Profite der Stromunternehmen ansieht, ist dieser Preis mehr als überschaubar", stellt Uhrig klar. "Schon jetzt ist sichtbar, dass Stromlieferanten, die keinen Atomstrom im Mix haben, damit gar nicht teurer sind - im Gegenteil".

Diese geforderten Gesetzesänderungen wären immens wichtig im Kampf gegen die Errichtung von neuen Atomkraftwerken. Durch diese Maßnahmen kann Österreich der Atomindustrie den Geldhahn zudrehen, Investoren werden abgeschreckt und die Finanzierung neuer AKW wird erschwert. "Die österreichische Regierung muss endlich die Chance wahrnehmen, nicht nur in Sonntagsreden gegen die Atomkraft aufzutreten, sondern wirklich die schmutzigen Atomstrom-Geschäfte in Österreich zu stoppen", fordern die Vertreter von Greenpeace und GLOBAL 2000.

Umweltdachverband: Anti-Atomgipfel muss Atom-Geschäfte des VERBUNDs stoppen!

Der Umweltdachverband stellt dazu drei Forderungen an Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger : Einen Ministerratsbeschluss zum "AUS für Atomstromhandel des VERBUNDs", eine öffentliche Kennzeichnung von Pumpstrom und Schluss mit "grauen Batterien" bzw. die Einführung eines Strompickerls.


"Die Bundesregierung muss endlich Schluss mit der unverantwortlichen Stromhandelspraxis heimischer Energieversorger im öffentlichen Mehrheitseigentum machen. Insbesondere die staatliche Verbundgesellschaft verkauft über ihre Dumping-Tochter Verbund Sales GmbH billigen Graustrom und handelt selbst an den internationalen Strombörsen mit schmutzigem Strom. Damit steht das staatliche Unternehmen an der Spitze der Atomstromhändler unter den heimischen Energieversorgern. Der Anti-Atomgipfel muss die Entscheidung für einen Ministerratsbeschluss für den Ausstieg aus dem Atomstromhandel der Verbundgesellschaft bringen. Solange der Verbund nicht atomstromfrei ist, bleibt jedes politische Atomstromausstiegsszenario ein Lippenbekenntnis. BM Mitterlehner als Eigentümervertreter der Republik Österreich könnte dies, im Gegensatz zu einem absoluten Atomstromimportverbot, als Mehrheitsaktionär mit einer einzigen Aufsichtsratsitzung erledigen", wiederholt Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, die längjährige Forderung des Umweltdachverbandes.

Besonders in den Speicherseen der alpinen Pumpspeicher steckt jährlich eine Strommenge, die 55 % der Jahresproduktion eines Reaktorblocks des AKW Mochovce entspricht. Die Marketing-Slogans von "sauberer Wasserkraft" und "grünen Batterien" sind damit schändliche Öko-Schmähs. Denn der für den Pumpvorgang verwendete Strom wird großteils an den internationalen Strombörsen zu Dumpingpreisen eingekauft, ein Faktum, das der Verbund sagt Proschek-Hauptmann. Der Umweltdachverband fordert daher eine Kennzeichnungs- und Veröffentlichungspflicht der Stromzusammensetzung von Pumpstrom für alle Speicherkraftwerke in Österreich. "Pumpspeicher dürfen nicht mit schmutzigem Atom- oder Kohlestrom betrieben werden. Durch den Pumpvorgang gehen bis zu 25 % der eingespeisten Energie verloren, was den schmutzigen Strom noch schmutziger macht. Der Beiname "grüne Batterien" ist nur für Pumpstrom aus 100 % zertifizierten erneuerbaren Energien gerechtfertigt. Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger müssen beim Anti-Atomgipfel Nägel mit Köpfen machen und festlegen, dass Pumpspeicher umgehend atomstromfrei werden und mittelfristig ausschließlich mit Erneuerbaren zu betreiben sind", verlangt Proschek-Hauptmann.

UWD fordert Einführung eines Strompickerls "Der Stromkennzeichnungsbericht 2011 weist 5,6 Tonnen radioaktiven Abfall aus, der unserem Strom unbekannter Herkunft zuzurechnen ist. Doch niemand will den schmutzigen Strom gekauft haben. Die KonsumentInnen müssen in Zukunft wissen, mit welchem Strom Produkte und Leistungen, die sie in Anspruch nehmen, produziert werden. Mit der Einführung eines Strompickerls, das klar macht, welchen Strommix ein Geschäft oder Betrieb bezieht, ist eine wirklich umfassende Stromkennzeichnung rasch und unbürokratisch umsetzbar. Der Anti-Atomgipfel muss auch hier die Weichen stellen", erklärt Proschek-Hauptmann.
"Der konstruktive Weg, der von einer breiten Allianz aus Bürgerinnen und Bürgern, NGO, Parlament und Bundesregierung begonnen wurde, wird heute in den Verhandlungen mit Vertretern von Regierung, E-Wirtschaft, Vertretern der Erneuerbaren Energie sowie Umweltschützern seine Fortsetzung finden", zeigt sich SPÖ-Umweltsprecher Hannes Weninger im Vorfeld des Gipfels zuversichtlich.

Der österreichische Weg für eine Energiewende und das hartnäckige Auftreten für den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie finde auch breiteste Unterstützung in der Bevölkerung: "Zahlreiche Gemeinden haben sich in Petitionen an das österreichische Parlament gewandt, in denen sie eine konsequente Anti-Atompolitik Europas fordern und die Energiewende in Österreich unterstützen und forcieren wollen. Anliegen und Inhalt dieser Petitionen werden wir auch im Nationalrat am Mittwoch nochmals ausführlich debattieren", so der SPÖ-Umweltsprecher.

Weninger betont, dass es gelingen müsse, Atomstromimporte über sogenannten "Graustrom" nach Österreich möglichst zu vermeiden. Weiters gelte es den Ausbau nicht-nuklearer Stromproduktion europaweit zu unterstützen. "Man muss auch international vehement der Auffassung entgegentreten, Atomstrom sei klimafreundlich. Die Gefahren für die Menschheit sind viel zu groß und die Endlagerung von Atommüll nach wie vor ein ungelöstes Problem und eine Zeitbombe", so Weninger.

Man darf gespannt sein, ob Lösungen gefunden und fixiert werden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /