© LINZ AG
© LINZ AG

Grüne Städte – wie sieht sie die nächste Generation?

Studie: Umweltorientierte Stadtentwicklung ist die zentrale gesellschaftliche Herausforderung aus Sicht der „Next Generation“

Hamburg- Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sind für die künftige Entscheider-Generation in Europa die wichtigsten Faktoren zur Erreichung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Dies ist das Ergebnis einer neuen repräsentativen, pan-europäischen Studie. Für die meisten Städte werden auf diesem Gebiet weitere Anstrengungen angemahnt.

Als wichtigster Treiber entsprechender Entwicklungen wird der einzelne Bürger gesehen. Allerdings auch dahingehend, dass er mit dem eigenen Verhalten beitragen muss. Als weitere wichtige gesellschaftliche Kräfte werden die einzelnen regionalen Regierungen gemeinsam mit den Presse-Medien gesehen. Potentielle Themen hinsichtlich der Energiegewinnung und des Verbrauchs, beispielsweise Abschaltung von Kernkraftwerken und Energieeffizienz, spielen eine eher nachrangige Rolle.

Rund 1.100 Studierende aus neun europäischen Ländern wurden als ’The Next Generation” im Rahmen der internationalen Studie ’Green Capital of Tomorrow – the next generation’s pespective” zu den Perspektiven Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz in ihrer Stadt befragt. Initiiert wurde das Projekt durch Siemens, realisiert durch das Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg und unterstützt von der Stadt Hamburg im Rahmen der Umwelthauptstadt 2011. Jeweils zwei Studierende wurden aus jedem Land ausgewählt, in dem Projekt mitzuwirken und die Ergebnisse der Studie in einem Colloquium im Dezember in Hamburg zu diskutieren sowie ein Memorandum zur nachhaltigen Stadtentwicklung zu erarbeiten Sie kamen aus Österreich, der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Deutschland, Spanien, Frankreich, Polen und Belgien, inspiriert vom erfolgreichen Umwelthauptstadt-Projekt ‘Zug der Ideen’, der in Städten in diesen Ländern Halt machte.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

1. Hohes Umweltinteresse und –Engagement

72 Prozent aller Befragten sind interessiert bzw. sehr interessiert an Umweltthemen, 27 Prozent engagieren sich aktiv in konkreten Projekten, in ihrer Ausbildung und z.B. durch ressourcenschonendes Verhalten. Hamburger Studierende sind mit 78 Prozent überdurchschnittlich interessiert. Gleichzeitig fühlen sich die Studierenden mit 72 Prozent wohl bzw. sehr wohl in ihrer Stadt, sind also stark integriert. In Hamburg sind es sogar 88 Prozent, der zweithöchste Wert nach Zürich.


2. Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz ist die bedeutendste gesellschaftspolitische Herausforderung

Noch vor der Bekämpfung der Finanzkrise, die von 65 Prozent der Befragten als sehr bedeutende Herausforderung eingeschätzt wird, rangiert auf Platz 1 Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz mit 71 Prozent (sehr bedeutend). Es folgt die Verbesserung des Bildungssystems (60 Prozent), Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Verbesserung von Familienarmut. Die Bekämpfung von Familienarmut empfinden 57 Prozent der Befragten als sehr bedeutend, in Hamburg sind dies sogar 60 Prozent. Auch die Verbesserung von sozialer Gerechtigkeit wird städteübergreifend von 49 Prozent - ebenso in Hamburg - als sehr bedeutend angesehen. In Hamburg sind es 79 Prozent, denen Umwelt- und Klimaschutz besonders wichtig sind, dieser Wert wird nur von Trondheim und Barcelona (82 bzw. 81 Prozent) übertroffen. Lediglich 40 Prozent halten die Abschaltung von Atomkraftwerken für sehr bedeutsam – hier rangiert Hamburg mit 58 Prozent auf Platz 1, Paris (23 Prozent) und Warschau (21 Prozent) auf den letzten Plätzen. Das Ergebnis spiegelt die unterschiedliche Bewertung nuklearer Risiken in den Städten Europas wieder.

3. Nachhaltige Stadtentwicklung von zentraler Relevanz – Ressourcensicherung und Ausbau erneuerbarer Energien als wichtigste Handlungsfelder

So sehen 83 Prozent der Befragten die Nachhaltigkeits-Entwicklungen in ihrer eigenen Stadt als bedeutend bzw. sehr bedeutend an, allerdings wird eine verbesserte Kommunikation angemahnt. So fühlen sich 10 Prozent gut informiert bzw. 25 Prozent informiert, 60 Prozent aber sind nur teilweise oder wenig über die Herausforderungen und Aktivitäten in ihrer Stadt informiert – in Hamburg fühlen sich immerhin 39 Prozent gut bzw. sehr gut informiert. In der Bedeutung einzelner von insgesamt 13 Handlungsfeldern für Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind Ressourcenschonung mit 57 Prozent, der Ausbau erneuerbarer Energien mit 55 Prozent und Abfallwirtschaft/Recycling (50 Prozent) auf Top-Plätzen. Neue Mobilitätskonzepte und Einbringung von Nachhaltigkeitskonzepten in der Bildung folgen mit jeweils 45 Prozent. Energieeffizienz wird trotz ihres faktisch großen Potentials für den Klimaschutz ‘nur’ von 43 Prozent als sehr bedeutend gewertet. Dass soziale Gerechtigkeit bei der Nachhaltigkeits-Entwicklung besonders wichtig sei, äußerten 33 Prozent, in Hamburg 35 Prozent. Insgesamt jedoch wünscht die ‘Next Generation’ ein Vorankommen in allen Handlungsfeldern. In Hamburg werden vor allem der Ausbau Erneuerbarer Energien (58 Prozent) und Verkehrskonzepte (50 Prozent), sowie Nachhaltigkeits-Bildung (51 Prozent) überdurchschnittlich bewertet.


4. Gemischte Beurteilung der Chancen für die eigene Stadt in der Entwicklung zur ‘Green Capital of Tomorrow’

Nur 13 Prozent sehen sehr gute, 43 Prozent sehen gute Chancen und Perspektiven für die Nachhaltigkeits-Entwicklung in der eigenen Stadt. 45 Prozent urteilen, dass ihre Stadt weniger gute bzw. nur teilweise gute Perspektiven hat. Hamburg weist aus Sicht der Studierenden die besten Perspektiven auf: 67 Prozent sehen gute bzw. sehr gute Chancen. Insgesamt wollen 72 Prozent der Befragten, dass ihre Stadt die Nachhaltigkeits-Anstrengungen verstärken soll.

5. Erzeugung von Akzeptanz und Verantwortlichkeit beim einzelnen Bürger

In der Frage, welche Aufgaben den Weg zur ‘Green Capital of Tomorrow’ markieren, sehen 79 Prozent als wichtigste Aufgabe, dass der einzelne Bürger Verantwortung übernimmt und sein Verhalten ändert. In Hamburg ist dieser Aspekt mit 88 Prozent am stärksten ausgeprägt. Der europäische Gedanke wird von den Befragten bei der Aufgabe, das Wissen über Lösungen europaweit auszutauschen, besonders betont (78 Prozent Zustimmung). Auch bedarf es klarer Kommunikation und Transparenz von Zielen und Strategien der Nachhaltigkeit, um Akzeptanz und Handlungsbereitschaft zu erzeugen (71 Prozent).

6. Der Erfolg von Nachhaltigkeits-Entwicklung hängt vom Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte ab

Besonders hohe Bewertungen bei der Frage, welche Erfolgsbedeutung einzelne gesellschaftliche Kräfte haben, erhält die nationale Regierung (80 Prozent), die Medienbranche (79 Prozent) vor den städtischen Verantwortlichen (71 Prozent) und der europäischen Regierung (69 Prozent). Die erfolgreiche Entwicklung zur nachhaltigen Stadt wird als lokale (14 Prozent), nationale (15 Prozent) und europaweite Aufgabe (24 Prozent) bzw. von allen gemeinsam (47 Prozent) angesehen.

Professor Dr. Werner Beba, Leiter des CC4E und verantwortlich für die Studie resümiert: ‘Bei der ’Next Generation’ ist die Bedeutung von Umweltorientierung und Nachhaltigkeit als wesentliche Zukunftsaufgabe klar verankert. Die Studie zeigt auch, dass es in den wichtigsten Bereichen eine städteübergreifende gemeinsame Auffassung gibt. Allerdings müssen die bisherigen Anstrengungen auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt deutlich verstärkt werden’.

Im Nachgang zur Studie diskutierten die Studierenden die Ergebnisse der Studie und formulierten ein gemeinsames Memorandum. Die höchste europaübergreifende Relevanz haben für die ‘Next Generation’ folgende Punkte:

- Neben einem verstärken Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes sollten Städte von jedem ihrer Bürger deutlich mehr Eigenverantwortung in punkto Nachhaltigkeit einfordern.

- Zu einer wirklich nachhaltigen Stadtentwicklung gehören neben technischen Aspekten auch die soziale Balance, unter anderem die Bekämpfung der Armut.

- Städte müssen klare Ziele für Nachhaltigkeit formulieren und diese offensiv an ihre Bürger kommunizieren. Nur so lassen sich Akzeptanz und Veränderungen im Bewusstsein erreichen.

- Lokale Nachhaltigkeitsziele sollen mit nationalen Zielen korrespondieren: lokales Handeln, global Denken.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /