© Franko Petri/ WWF
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Rio+20: Nur kleine Schritte

Nur kleine Erfolge am Rande der UN-Nachhaltigkeitskonferenz sichtbar - Umweltorgansationen sind enttäuscht über die Ergebnisse -Nachhaltige Entwicklung als anzustrebendes Ziel anerkannt

© Franko Petri/ WWF
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"Rio de Janeiro/Wien - Unterschiedlichste Reaktionen, starke Kritik und Enttäuschung bei NGOs und Umweltorganisationen. Keine großartigen Ergebnisse beim "Erdgipfel" in Rio.

Mit hohen Zielen waren die EU-Vertreter nach Rio gefahren, nur ein kleiner Teil davon ist in der Abschlussdeklaration zu finden. Dennoch nimmt EU-Umweltkommissar Janez Potocnik die Ergebnisse des UN-Gipfels zu nachhaltiger Entwicklung gegen die Kritik in Schutz. "Immerhin hat Rio uns der Zukunft, die wir wollen, näher gebracht. Wir müssen eben auf die konkrete Umsetzung konzentrieren", so Potocnik in Rio. Er kann sich der Kritik der Umweltorganisationen, es sei ein großes Scheitern des Gipfels, nicht anschließen. Durch den Einsatz der EU sei die Erklärung mit dem Titel "Die Zukunft, die wir wollen" immerhin an entscheidenden Stellen verbessert worden. Er selbst hätte sich natürlich auch eine aussagenkräftige Passage zum künftigen Auslaufen der Milliarden-Subventionen für fossile Brennstoffe gewünscht. Die EU möchte die Quote staatlicher Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes ausweiten.

"Das es eine breite Zustimmung zum Thema Green Economy gibt, ist positiv zu bewerten, denn das derzeitige Produktions- und Konsummodell hat seine Grenzen." Es sei gar nicht lange her, das es nicht möglich gewesen wäre, hier breiten Konsens zu erreichen.


In eine ähnliche Richtung äußert sich auch Deutschlands Umweltminister Altmaier: "Wir sollten das nicht schlecht reden", sagte er in eine Interview mit dem hessischen Rundfunk. Altmaier weiter: "Erstmals wird nachhaltige Wirtschaft für alle Länder der Welt als anzustrebendes Ziel formuliert. Das hat es so bisher nicht gegeben. "

Anders sehen dies die Umweltorganisationen: "Der Erdgipfel 2012 war ein Gipfel der Schande für kommende Generationen", so das Resümee des WWF. "Weder haben die Staaten eine konkrete Vision verabschiedet, noch klare Ziele mit einem Zeitplan für deren Durchführung formuliert. "

"Brasilien hat einen Minimalkonsens durchgepeitscht um das Land nicht vor der Welt zu blamieren", meint WWF-Experte Alois Vedder in Rio de Janeiro. "Die Chance für nachhaltige Entwicklungsziele, für eine grüne Wirtschaft und den Schutz der Meere wurde vertan, die Staaten haben den Ernst der Lage zwar erkannt aber nicht nach ihrem besten Wissen und Gewissen gehandelt", so Vedder. Wertvolle Zeit für konkrete Zugeständnisse wurde vergeudet, bedauert der WWF. Während die Spitzenpolitiker der Welt in Rio versagt haben, liegt es nun an den Gemeinden, Städten, Unternehmen und Initiativen von engagierten Menschen die Umwelt zu schützen, den Klimawandel zu begrenzen, die Armut zu bekämpfen und einen nachhaltigen Weg für die kommenden Generationen einzuschlagen.

Der Erdgipfel war dennoch nicht ganz umsonst, betont der WWF. So hat die britische Regierung angekündigt, als erstes Land der Welt mehr als tausend Unternehmen des Landes zu einer Messung ihres ökologischen Fußabdrucks zu verpflichten. Weiters wollen acht der größten Entwicklungsbanken mehr als 150 Milliarden Euro in Initiativen für den öffentlichen Verkehr stecken, bei denen der Massentransport und der Fahrradverkehr ausgebaut werden. Die brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira kündigte eine Initiative zum Schutz des Amazonasregenwaldes an. Dabei sollen im Rahmen des ARPA-Programms (Schutzgebietsnetz für die Amazonasregion) mehr als 200 Millionen Euro aus öffentlichen und privaten Geldern aufgestellt werden um zehn Prozent des brasilianischen Amazonaswaldes - rund 400.000 Quadratkilometer - dauerhaft zu schützen. Das Programm soll Vorbild für andere Amazonasstaaten werden. Außerdem will Brasilien einen Stopp der Netto-Entwaldung erreichen.

Der WWF kritisiert, dass besonders die EU bei den internationalen Verhandlungen immer mehr an Bedeutung verliert und sich wegen des veränderten globalen Machtgefüges strategisch neu orientieren muss. Die Europäer haben in den Vorverhandlungen positive Akzente, wie etwa zum Schutz der Meere, zum Abbau umweltzerstörerischer Subventionen oder zu den Nachhaltigkeitszielen eingebracht. Im Abschlussdokument ist davon aber nur wenig übrig geblieben. "Der Bedeutungsverlust ist auch auf einen Mangel an Glaubwürdigkeit zurückzuführen", so die WWF-Analyse. Solange es bei Lippenbekenntnissen zu Nachhaltigkeit bleibt, während bei der Agrarreform oder bei einer Reform der europäischen Fischerei entgegengesetzte Tatsachen geschaffen werden, wird man international nicht ernst genommen, wenn man eine grüne Wirtschaftsweise einfordert. Im Gegenteil: "Das Beharren auf Subventionen für die EU-Landwirtschaft in Europa stellt sich als Schwachstelle bei der Diskussion um das Auslaufen von Subventionen für fossile Energien heraus", so Vedder.

Für den weiteren Prozess internationaler Verhandlungen sind klare und messbare Nachhaltigkeitsziele für Wasser, Ernährung und Energie. Die Finanzierung dafür muss sichergestellt werden. Umwelt, Ökosysteme, die Artenvielfalt und soziale Kosten müssen in die ökonomische Rechnung der Staaten und Unternehmen einbezogen werden. Eine zukünftige ökologische Vollkostenrechnung soll Länder und Unternehmen vergleichbar machen. Die Internalisierung der externen Kosten kann Anreize für ökologisches Wirtschaften schaffen. Die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen für fossile Energieträger und in der Agrarwirtschaft sollte oberste Priorität haben. Nachdem es in Rio nicht gelungen ist, einen wirksamen Schutz der Meere außerhalb der nationalen 200-Meilen-Zonen zu garantieren, fordert der WWF nun eine internationale politische Initiative für den Schutz der Hohen See. Positiv zu bewerten ist die Umwandlung des UN-Umweltprogramms UNEP zu einer eigenen Weltumweltorganisation.

Viele weitere Schritte notwendig!

"Rio+20 war ein Schritt in die richtige Richtung. Viele weitere Schritte werden aber noch notwendig sein", resümiert Staatssekretär Wolfgang Waldner. "Es ist offensichtlich, dass wir in den Bereichen Umwelt, Klima und in der nachhaltigen Entwicklung global noch große Herausforderungen zu bewältigen haben. Das Abschlussdokument der Konferenz ist aber das Resultat eines internationalen Interessensausgleichs und stellt damit einen Kompromiss dar", so der Staatssekretär.

Die EU trat im Vorfeld ambitioniert und visionär auf. Einige Ziele und Erwartungen der EU wurden aufgenommen, aber leider nicht alle. Österreich hätte gerne einen ambitionierteren Text gesehen, so Waldner.
Zumindest sei eine Basis für weitere Prozesse zur nachhaltigen Entwicklung geschaffen worden. Beispielsweise hat die internationale Staatengemeinschaft sich geeinigt, die Initiative des VN Generalsekretärs "Sustainable Energy for all" zu unterstützen und Sustainable Development Goals (SDGs) in Ergänzung zu den Millenium Development Goals (MDGs) in den nächsten zwei Jahren auszuarbeiten.

Positiv zu sehen ist, das Green Economy nunmehr als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung anerkannt wurde. Dadurch können natürliche Ressourcen nachhaltig genutzt und Ressourceneffizienz erhöht werden.


Martin Kaiser, Leiter der Internationalen Klimapolitik von Greenpeace erklärt: "Der Rio-Gipfel hätte klare Leitplanken für die wesentlichen Verursacher von Umweltzerstörung setzen müssen: die global operierenden Unternehmen. So können Großkonzerne weiter die Umwelt auf Kosten unserer Zukunft ausbeuten, wie etwa der Ölmulti Shell, der noch in diesem Sommer eine Grenze überschreiten und in der Arktis nach Öl bohren will. Ein Unfall wie bei der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko würde in der kalten, während der längsten Zeit des Jahres mit Eis bedeckten arktischen See verhängnisvolle Folgen haben.

Die Lehre aus Rio ist, dass einzelne Staatengruppen voran gehen müssen und nicht auf einen globalen Konsens warten dürfen, den es anscheinend nicht so schnell geben wird. Wenn die Welt auf das Einlenken der USA und anderer Blockierer hofft, wartet sie ewig. Alle, die bereit sind zum Handeln, müssen jetzt mit Hochdruck die Energiewende zum Erfolg führen."

Eine Reform der Umwelt- und Nachhaltigkeitsinstitutionen scheint dringend notwendig.

Aber ob es nicht langsam zu spät wird?


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /